25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.09.07 / Open Spirit vor dem Memelland / Das multinationale Seemanöver diente nicht nur der Simulation des Ernstfalles

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Open Spirit vor dem Memelland
Das multinationale Seemanöver diente nicht nur der Simulation des Ernstfalles
von Hans Lody

Unter der Bezeichnung „Open Spirit“ haben in der Ostsee gemeinsame Flottenübungen der baltischen Staaten stattgefunden. Das ist an und für sich nichts Besonderes, denn derartige Übungen finden seit 1997 im Rahmen der Nato-Initiative Partnership for Peace jedes Jahr statt. Doch das Besondere war diesmal, daß die Deutsche Marine die Führung innehatte und das Manöver vor der Küste der Republik Litauen durchgeführt wurde. Ende August hatten sich die Teilnehmer in Memel gesammelt. Bis diese Woche wurde dann geübt.

Open Spirit ist jedoch kein normales Manöver, in dem nur der Ernstfall simuliert wird. Vielmehr geht es neben dem bloßen Üben von Minenabwehrverfahren in einem multinationalen Umfeld vor allem um das Aufspüren und Beseitigen realer Minen und Munitionslasten zweier Weltkriege vor der Küste der baltischen Staaten, einem Seegebiet, das zu Zeiten des Kalten Krieges jahrzehntelang hermetisch abgeriegelt war. Open Spirit leistet damit einen wichtigen Beitrag dazu, Schiffahrt und Fischerei in der östlichen Ostsee sicherer zu machen. Daß dies notwendig ist, belegen die Operationen vergangener Jahre, bei denen in teilweise viel befahrenen Gewässern jeweils Dutzende Minen, Bomben und sogar alte Torpedos gefunden und unschädlich gemacht wurden.

Die Operationsgebiete wechseln im Rotationsprinzip zwischen den drei baltischen Staaten. Schauplatz von Open Spirit 2005 waren das lettische Riga und die Zufahrten zum Riga-Busen. 2006 traf man sich im estnischen Tallinn. In diesem Jahr war nun Litauen Gastgeber. Das vorgesehene Räumgebiet erstreckte sich in einem etwa 20 Kilometer breiten Streifen vor der litauischen Küste zwischen Nidden und Polangen. Hier sollten die teilnehmenden Einheiten nach einer vorbereitenden Phase im Hafen zwischen dem 3. und 8. September aktiv nach Minen und Munition suchen. Eine abschließende Manöverkritik in Memel schloß Open Spirit 2007 dann am 10. September ab.

Insgesamt 19 Einheiten von Nato- und Nicht-Nato-Marinen hatten sich zu Open Spirit 2007 angemeldet und Memel angelaufen. Zu den Teilnehmern gehörten die Einheiten des Nato-Minenabwehr-Verbandes SNMCMG-1 und des Einsatzverbandes Baltron der drei baltischen Staaten sowie weitere Boote aus dem Baltikum und der Bundesrepublik Deutschland, darunter der Tender „Rhein“ als Führungsschiff.

Obwohl nicht Nato-Mitglied, beteiligte sich diesmal auch Schweden mit dem großen Minenleger „Visborg“ und dem Minenjagdboot „Sparoe“ an dem Manöver. Seit 2003 nimmt auch die Baltische Flotte Rußlands an den Minenräumübungen teil. Diesmal übten das Minenjagdboot „Sonya“ und der Binnenminensucher „Lida“ mit dem internationalen Verband.

Anders als in der Zwischenkriegszeit widmet Litauen seit dem Rückgewinn der 1940 eingebüßten Unabhängigkeit seiner Handels- und Kriegsmarine große Aufmerksamkeit. Memels Hafen dient den Litauern dabei nicht nur als Tor zur Welt, sondern auch als Flottenstützpunkt.

Die neu formierte Marine des Landes verfügt – im Gegensatz zur estnischen oder lettischen – sogar über zwei echte Kampfschiffe. Die Korvetten der sowjetischen „Grisha“-Klasse sind für die U-Boot-Jagd optimiert, verfügen aber auch über Luftabwehrraketen. Die anderen beiden baltischen Marinen verfügen hingegen nur über Wach- und Minensuchboote. Es handelt sich ausnahmslos um ausgemusterte bundesdeutsche, dänische, norwegische, schwedische und finnische Boote.

Dabei haben die Balten aus den gemeinsamen leidvollen Erfahrungen mit der Sowjetunion gelernt. Anders als in der Zwischenkriegszeit ist heute die Zusammenarbeit zwischen den drei Kleinstaaten mit dem gemeinsamen großen Nachbarn besonders eng. Die Seestreitkräfte haben sogar ein gemeinsames Geschwader namens Baltron formiert. 2004 trat Litauen der Nato bei. Anders als Polen verzichtet die kleine Republik aber darauf, Rußland zu provozieren und Deutschland zu demütigen. Um sich bei der US-Administration beliebt zu machen, trat das Land der Koalition der Willigen bei und hat einige Soldaten nach dem Irak entsandt. Litauen ist auf Wohlwollen angewiesen, denn eine Erweiterung und Modernisierung der Marine ist aus eigenen Kräften nicht möglich, sondern nur realisierbar, wenn Nato-Partner auch weiterhin bereit sind, seinen Seestreitkräften ausgemusterte Kriegsschiffe zu überlassen. Für den Neubau von Schiffen reicht der Wehrhaushalt jedenfalls nicht aus.

Foto: Führungsschiff des Manövers: Bundeswehr-Tender „Rhein“


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren