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15.09.07 / Wie Preußen souverän wurde / Vor 350 Jahren verzichtete der polnische König im Wehlauer Vertrag auf die Lehenshoheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Wie Preußen souverän wurde
Vor 350 Jahren verzichtete der polnische König im Wehlauer Vertrag auf die Lehenshoheit
von Manuel Ruoff

Albrecht von Brandenburg-Ansbach hatte dafür, daß der Polenkönig die von ihm 1525 vollzogene Umwandlung des Ordensstaates mit ihm als Hochmeister in ein erbliches weltliches Herzogtum mit ihm als Herzog akzeptierte, einen hohen Preis zahlen müssen: die Anerkennung der polnischen Lehenshoheit. Der 1655 ausbrechende Zweite Schwedisch-Polnische Krieg bot Albrechts damaligem Nachfolger, dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, die Möglichkeit, diese polnische Lehenshoheit abzuschütteln.

Im Juni 1655 fielen die Schweden in Polen ein, das bereits wenige Wochen später am 25. Juli kapitulierte. Der polnische König Johann II. Kasimir begab sich auf die Flucht nach Schlesien. Mit der Begründung, daß er von seinem bisherigen (polnischen) Lehensherren schutzlos verlassen worden sei, nahm der Brandenburger den Standpunkt ein, daß damit das Lehensverhältnis aufgehört habe zu existieren, und erkannte unter militärischem Druck der Schweden am 17. Januar 1656 im Vertrag von Königsberg nun deren König als Lehensherren an.

Das Kriegsglück war dem schwedischen König, Karl X. Gustav, jedoch nicht hold, und seine militärische Lage verschlechterte sich. Das hatte für Friedrich Wilhelm den Vorteil, daß der Schwedenkönig an der Unterstützung des Brandenburgers, der sich im Vertrag von Königsberg nur zur Neutralität verpflichtet hatte, um so interessierter war. Für die Unterstützung des Hohenzollern war der König schließlich sogar bereit, auf seine Lehensherrschaft zu verzichten.

Am 23. Juni 1656 gestand der schwedische König dem brandenburgischen Kurfürsten im Vertrag von Marienburg als Gegenleistung für dessen Unterstützung zwar „nur“ die Überlassung des Bistums Ermland und vierer großer polnischer Woiwodschaften zu, doch im Vertrag von Labiau errang Preußen am 20. November 1656 schließlich die Anerkennung der Souveränität durch Schweden.

Schwedens Schwäche und schwindendes Kriegsglück hatte einerseits für Friedrich Wilhelm den Vorteil, daß die Skandinavier gezwungen waren, einen immer höheren Preis für seine Unterstützung zu bieten. Doch was nützten dem Kurfürsten die von den Schweden aus einer Position der Schwäche nolens volens gemachten Zusagen, wenn die Skandinavier so sehr schwächelten, daß ihm drohte, an deren Seite den Krieg zu verlieren. Diese Gefahr war durchaus gegeben, denn nach Rußland traten im März 1657 auch noch Dänemark und mit Österreich der Kaiser des Heiligen Reiches auf Seiten Polens in den Krieg ein.

In dieser Lage zog der Große Kurfürst die Notbremse und bereitete einen Seitenwechsel vor. Dieser Seitenwechsel war jedoch einfacher gesagt als getan, denn wie zuvor von Karl Gustav verlangte Friedrich Wilhelm nun auch von Johann Kasimir die Anerkennung der preußischen Souveränität. Doch im Vergleich zum Schweden verhandelte der Pole aus einer ungleich stärkeren Position heraus. In dieser Situation vermittelte der kaiserliche Gesandte Franz Freiherr von Lisola. Dieser hatte den Eintritt seines Landes in den Krieg gegen Schweden bewirkt und versuchte nun, Brandenburg aus dem Bündnis mit den Schweden abzuwerben.

Lisolas Bemühungen waren von Erfolg gekrönt. Am 22. August 1657 wurde in Wirballen, wo die polnisch-litauische Armee ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatte, ein Waffenstillstand geschlossen. Unter dem Vorwand gemeinsamer Jagden kam es im waldreichen Gebiet um Tapiau und Wehlau zu Geheimverhandlungen. Am 13. September 1657 gelang der Durchbruch insoweit, als man sich auf Friedrich Wilhelms Hauptforderung, die preußische Souveränität, einigen konnte.

Bereits am darauffolgenden Tag brach Friedrich Wilhelm, begleitet von Lisola, von Königsberg, wo die Pest wütete, nach Wehlau auf, wo er am 18. September und damit einen Tag nach dem Befehlshaber des polnisch-litauischen Heeres und Bevollmächtigten Polens, Feldmarschall Vincenz Corvin Wenzel Gonsiewski, eintraf. Die polnisch-brandenburgischen Gespräche unter der Vermittlung Lisolas münden schließlich am 19. September 1657 in den Abschluß eines zunächst noch geheim gehaltenen Separatfriedens im Rathaus von Wehlau.

Der Hauptvertrag enthält neben klassischen Elementen eines Friedensvertrages wie der Einstellung aller Feindseligkeiten und dem sofortigen Austausch aller Kriegsgefangenen vor allem eine Regelung des Status Preußens. Polen anerkannte die Souveränität des Kurfürsten und seiner erblichen Nachfolger über das Herzogtum in dessen Grenzen vor dem Kriege, also ohne das Ermland. Zudem beteuerten sich der polnische König und der brandenburgische Kurfürst ewige Freundschaft. Zwei mit diesem Hauptvertrag unterzeichnete Nebenverträge regelten die gegenseitige Waffenhilfe im ungeachtet des Separatfriedens weitergehenden Zweiten Schwedisch-Polnischen Krieg sowie Johann Kasimirs Abtretung der Lande Lauenburg und Bütow und die Verpfändung von Elbing als Ersatz für das zurückgewonnene Ermland an Friedrich Wilhelm. Sein Ende fand der Krieg auf Drängen Frankreichs fünf Jahre später im Frieden von Oliva, in dem Preußens Souveränität international bestätigt wurde.

Foto: Wehlaus Rathaus: Hier wurde der Vertrag von Wehlau am 19. September 1657 unterzeichnet.


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