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15.09.07 / Hüben wie drüben geehrt / Der Pionier der organischen Chemie Friedrich Wöhler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-07 vom 15. September 2007

Hüben wie drüben geehrt
Der Pionier der organischen Chemie Friedrich Wöhler
von Corinna Weinert

Probieren geht über studieren“, meinte einst der große Experimentator Friedrich Wöhler, was ihn zu revolutionären Entdeckungen in der Chemie führte. Der Vater der Aluminiumherstellung und Harnstoffsynthese sowie Erfinder des doppelseitigen Buchdrucks wurde am 31. Juli 1800 in dem heute zu Frankfurt am Main gehörenden Eschersheim geboren. Nach der Schule studierte er ab 1820 in Marburg Medizin, wechselte jedoch im darauffolgenden Jahr an die Universität Heidelberg, wo er neben Medizin auch Chemie studierte – letztere bei Leopold Gmelin. 1823 promovierte er in Medizin, ging dann anschließend, da das Interesse an der Chemie überwog, auf Empfehlung von Gmelin nach Stockholm, um bei Jöns Jakob Berzelius die Analytik zu vertiefen. Nach seiner Rückkehr war er von 1825 bis 1831 Lehrer an der Gewerbeschule in Berlin, unterrichtete dann als Professor an der Höheren Gewerbeschule in Kassel, bis 1836 die Berufung an die Universität Göttingen erfolgte.

Wöhler gilt wegen seiner Harnstoffsynthese im Jahre 1828 als Pionier der organischen Chemie. Die Harnstoffsynthese eröffnete das Feld der Biochemie, da erstmals ein Stoff, der bisher nur von lebenden Organismen bekannt war, aus „unbelebter“ Materie künstlich erzeugt werden konnte. Bis dahin hatte man die sichtbare Welt und ihre Erscheinungsformen in zwei große Bereiche unterteilt: in die Welt der Organismen, die organische Welt, und in die leblose Welt, das An- oder Unorganische. Zwar hatte man schon einige der in Lebewesen vorkommenden Stoffe isoliert, hatte auch gelegentlich Analogien zwischen Organischem und Anorganischem gefunden, doch hielt man eine In-vitro-Synthese von organischem aus anorganischem Material, sprich eine, die außerhalb des lebenden Organismus stattfindet, damals für prinzipiell unmöglich. Man glaubte nämlich, daß für die Bildung solcher Stoffe, aus der die Lebewesen aufgebaut sind, eine besondere transzendente Kraft, die „Vis Vitalis“, notwendig sei. Wöhler war es mit der Harnstoffsynthese nun gelungen, eine „von der Natur“ beziehungsweise von Gott geschaffene Substanz künstlich herzustellen.

Schon ein Jahr zuvor hatte Wöhler eine Reduktionsmethode für die Herstellung von reinem Aluminium entwickelt; mit dem gleichen Verfahren gelang ihm die Isolierung von Beryllium und Yttrium und später auch die Darstellung von kristallinem Silicium. Im Jahr der Harnstoffsynthese wurde Wöhler zum Professor ernannt.

Zusammen mit seinem Freund Justus Liebig begründete Wöhler um 1830 die Radikaltheorie, mit der man organische Verbindungen erstmals systematisch erklären konnte. Wöhler ist auch Entdecker der Synthese von Calciumcarbid, das in Lampen – vor allem im Bergbau untertage – als Brennstoff Verwendung fand, von Oxalsäure, die in verschiedenen eßbaren Pflanzen vorkommt und im menschlichen Körper mitunter Organschäden hervorruft, von Benzoesäure, die heute als Konservierungsstoff vor allem bei sauer eingelegten Lebensmitteln sowie in der Parfümindustrie und als Weichmacher Einsatz findet, von Hydrochinon, das man in der Fotolabortechnik als Reduktionsmittel beim Entwickeln von Bildern und Filmen sowie für Hautcremes nutzt. Ferner gelang ihm die Gewinnung von Nickel.

Wöhler war schließlich vielfacher Ehrendoktor und Ehrenbürger. Die Bedeutung seiner Leistungen wurde dies- wie jenseits des Rheins geschätzt. Vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. erhielt er 1864 den Orden „Pour le mérite“ für Wissenschaften und Künste; Frankreichs Kaiser Napoleon III. ernannte ihn zum Ritter der Ehrenlegion.

Wöhler starb am 23. September 1882 im Alter von 83 Jahren nach einem Ruhranfall.


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