19.04.2024

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22.09.07 / Pöbel statt Bürger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Pöbel statt Bürger
von Harald Fourier

Ein Bügeleisen für 4,50 Euro, eine Digitalwaage für acht Euro und einen MP3-Spieler für die Kinder für nur zehn Euro“, schwärmt Klaus über die günstigen Eröffnungsangebote. Der 50jährige Familienvater hat das Abenteuer gewagt und sich zur Eröffnung mit seiner Familie in den neuen Mediamarkt am Alexanderplatz begeben.

Dort war die Hölle los. Auf Bildern, die hinterher verbreitet wurden, war eine    Schneise der Verwüstung zu sehen – wie nach einer gewalttätigen Plünderung. Klapprechner und Digitalkameras wurden massenhaft im Getümmel entwendet. Die Polizei mußte anrücken. Kunden wurden nur noch vereinzelt reingelassen. Sieht so die „Bürgergesellschaft“ aus?

Der Media-Saturn-Holding (16 Milliarden Jahresumsatz) ist mit der Neueröffnung des „größten europäischen Mediamarktes“ ein kleines Wunder gelungen. Als vor ein paar Jahren eine neue Filiale in Polen regelrecht gestürmt und zertrümmert wurde, kursierten bereits wenige Stunden später erste Bilder im Internet.

Die örtliche Direktion, eben noch geschockt, weil der Marktstart so katastrophal eskaliert war, merkte schnell: Auch wenn wir ein paar Dutzend Rechner verloren und einige 100 Staubsauger unter Wert verkauft haben, so haben wir doch einen Werbeerfolg, der        unbezahlbar ist. Wen schert es da noch, wenn die halbe Einrichtung am ersten Tag zertrümmert wird? Hauptsache die Kunden wissen: Dem Mediamarkt rennen sie die Bude ein. Der Chef des neuen Berliner Konsumtempels berichtete denn auch im Boulevard-Blatt „BZ“ ganz begeistert von den blauen Flecken und Schnittwunden seiner Kunden. So wie Piraten oder Soldaten ihre Narben als Beweis für Tapferkeit abfeiern. („Und übrigens: Hast du schon gehört? Eine Frau ist sogar ohnmächtig geworden!“)

Was sind das für Kunden, die jegliche Hemmungen fallen lassen – von den kriminellen Dieben mal abgesehen? So wie da geschubst und geprügelt wurde, können wir froh sein, daß kein Mensch ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Und das alles für einen billigen Staubsauger?

Es gab Stimmen, die sagten, die Geiz-ist-geil-Mentalität gehöre – dem Wirtschaftsaufschwung sei dank – der Vergangenheit an. Das war wohl falsch. Statt dessen verabschiedet sich die „Bürgergesellschaft“ in dem Maße, in dem sie von Politik und Medien lauter besungen wird. Die „Bürger-“ oder „Zivilgesellschaft“ sollte sich abheben vom früher angeblich überall herrschenden Untertanengeist, hieß es. Statt dessen nimmt ein Pöbel die Bühne in Beschlag, ein Pöbel, dem jedwede Regeln „bürgerlichen“ Verhaltens schnuppe sind. Was wohl in unseren Läden losbricht, wenn wirklich einmal ein Versorgungsengpaß, ausgelöst durch Krisen oder Terroranschläge, solchen   Menschen im Nacken sitzt – und nicht bloß ihr „geiler“ Geiz?


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