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22.09.07 / »Die werden wir dann bekämpfen« / Konservativ ist, wer das Klima schützt: CDU-Basis diskutierte mit Kanzlerin Merkel in Berliner Regionalkonferenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

»Die werden wir dann bekämpfen«
Konservativ ist, wer das Klima schützt: CDU-Basis diskutierte mit Kanzlerin Merkel in Berliner Regionalkonferenz
von Markus Schleusener

Für Angela Merkel ist alles ein „Kampf“. Zumindest gibt sie sich vor ihren Parteifreunden kämpferisch. Wie eine Amazone spricht sie lange über die „neuen Kämpfe nach dem Kalten Krieg“. Damit meint sie die Auseinandersetzung mit Rußland, mit China und mit dem ganzen Rest der Welt.

Die Kanzlerin hatte ihre CDU-Basis aus Berlin und den Neuen Ländern nach Berlin geladen, zu einer Regionalkonferenz ins Ullsteinhaus in Mariendorf, in dem der Axel-Springer-Verlag residiert. Die Union spricht über ihr neues Grundsatzprogramm. Es geht um „Grundsätze für Deutschland“, so steht es in dem 77seitigen Programmentwurf, der am Eingang an die Teilnehmer verteilt wurde.

77 Seiten. Da steht viel drin. Früher kamen Parteiprogramme mit weniger Worten aus. Da reichten ein paar Grundsätze, aber in der Gegenwart scheinen Prinzipien und Grundsätze sich nicht mehr so einfach zusammenfassen zu lassen. Das ist bei der Union nicht anders als bei der SPD, die gerade eine ähnliche Debatte führt.

Und so redet Merkel über alles mögliche, vom Milchpreis bis zu Zuverdienstmöglichkeiten von Hartz-IV-Empfängern. Doch dann kommt sie – wie aus heiterem Himmel – auf das zu sprechen, was mehrere Parteifreunde von ihr an Grundsätzen einfordern: „Konservative Wurzeln, was ist das eigentlich?“, fragt die Kanzlerin. Die Union müsse bewahren, was gut ist, antwortet sie. „Aber: Heute geht es um andere Kämpfe als früher.“ Heute sei das Thema nicht mehr die Einheit, die Freiheit oder „daß wir verreisen können“, sondern der Klimaschutz.

Merkel hat ihr Thema gefunden. Klimaschutz höre sich technisch an, räumt sie ein, sei aber „Bewahrung der Schöpfung“ und damit „etwas zutiefst Konservatives – das sage ich Ihnen, der dem christlichen Glauben anhängt“.

Nach diesem Ausflug ins Grundsätzliche wechselt sie schnell zur islamistischen Bedrohung. Der Afghanistaneinsatz sei keine karitative Angelegenheit, sondern „er dient unseren Interessen“. Denn Islamisten trachteten danach, „unsere Art zu leben zu vernichten“. Deswegen dürften wir nicht wegschauen, wenn jemand ein Terrorcamp besuche.

Dafür gibt es Applaus. Auch für Merkels Forderung nach mehr Online-Überwachung: „Es kann nicht sein, daß wir einen Ort schaffen, an den der Staat nicht rankann.“

Als die Kanzlerin fertig ist, bekommt sie höchstens anderthalb Minuten Applaus. Das ist mit einem Parteitag wie letztes Jahr in Dresden nicht vergleichbar. Parteitagsdelegierte sind es gewohnt, minutenlang zu klatschen, so sehr, daß es wehtut. Sie wissen, daß die Journalisten mit der Stoppuhr in der Hand kontrollieren, ob der Applaus zu- oder abgenommen hat, und drehen sich vorsichtig immer mal wieder nach links und rechts, um zu schauen, ob andere das Applaudieren bereits eingestellt haben. Keiner traut sich, als erster aufzuhören. Bei dieser Regionalkonferenz ist das ganz anders.

Überhaupt sind diese Treffen neu. So etwas hat es früher in der CDU nicht gegeben. Regionalkonferenzen, zu denen jedes einfache Mitglied eingeladen wird, waren Merkels Erfindung in der Nach-Kohl-Ära. Sie dienen dem Austausch zwischen Parteiführung und Basis. Viele einfache Mitglieder fühlen sich in der Rolle des Statisten unwohl und freuen sich, daß „die da oben“ sich mal Zeit nehmen.

Auf Parteitagen hält Merkel oft nur Reden und verschwindet dann gleich wieder. Hier bleibt sie bis zum Ende. Spielt nur gelegentlich mit ihrem Mobiltelefon und rollt ein-, zweimal mit den Augen, als ein besonders nervtötender Parteifreund seine Forderungen zum Denkmalschutz ins Programm aufgenommen sehen will oder ein anderer „ein einheitliches Schulsystem für ganz Deutschland“ fordert.

Von der Bekämpfung der Schwarzarbeit über rot-grüne Verkehrspolitik bis hin zur Forderung nach Mindestlöhnen ist vieles dabei. Ein Delegierter sagt, die Partei habe mit dem neuen Programm leider die „Chance vertan, auf den Islam zuzugehen“. Eine Außenseitermeinung. Ein anderer fordert christlichen Religionsunterricht für alle Kinder.

Norbert Böhnke aus Sachsen-Anhalt fordert eine bessere Integration ein – von den Ausländern. Er erzählt von einer Ukrainerin aus seiner Stadt, die ihre Tochter zum Deutschlernen verdonnert habe. „Und dann gibt es auch eine junge Kurdin, die hier geboren ist, und kein Wort Deutsch spricht. Ich brauche das nicht, sagt die Kurdin.“ Kopfschütteln im Saal.

„Sind die Konservativen auf dem Rückzug?“, fragt Karsten Knolle, ebenfalls aus Sachsen-Anhalt, und äußert seine Befürchtung, daß „eine neue Partei rechts der Union“ entstehen könne. Generalsekretär Ronald Pofalla wird ihm später selbstsicher entgegnen: „Die werden wir dann bekämpfen, so wie wir das bisher auch getan haben.“


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