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22.09.07 / Insellösung bevorzugt / EU-Maßeinheiten gelten weiter nicht für England

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Insellösung bevorzugt
EU-Maßeinheiten gelten weiter nicht für England
von Mariano Albrecht

Nun ist es raus. Die Regulierer der EU, die eigentlich fast alles in der Gemeinschaft auf einen technischen, organisatorischen oder gesellschaftlichen Nenner bringen wollen, haben ausgerechnet gegenüber Großbritannien bei der Vereinheitlichung der Maßsysteme die weiße Flagge gehißt.

In Europa werden Kilometer zurückgelegt, im Vereinigten Königreich Meilen, Getränke werden im Gebiet der Gemeinschaft in Liter und Milliliter abgefüllt, auf der Insel beharren die Engländer auf ihrem Pint. Seit 1995 quälen sich EU-Normierer und Regulierer mit den renitenten Briten herum, die an ihren imperialen Maßen wie Pfund, Meilen, Yards und Pints festhalten wollen. Bis 2010 wollte die EU nun auch im Inselkönigreich das europäische Maßsystem eingeführt haben, doch Fehlanzeige. Die Briten haben ihre Gründe, an eigenen Maßen festzuhalten, und diese liegen nicht in Europa. Ohne technische Standards geht auf dem Marktplatz Europa eigentlich gar nichts. Und die scheitern beim Gemeinschaftsmitglied England ausgerechnet am Pint, einem etwas größeren Glas Bier, welches 0,568 Liter entspricht und eben nicht in eine Flasche oder Dose für 500 Milliliter paßt, wie sie in Europa gehandelt wird.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen brachte es mit weichen Worten auf den Punkt: „Die imperialen Maße sind Teil der Tradition, die den Kern der britischen Wesensart ausmachen, die wir Europäer kennen und lieben.“ Doch mit Tradition und dem den Briten so lieb gewordenen Pint Bier hat die Abkehr von den Euro-Normen wohl wenig zu tun.

Eine starke europäische Wirtschaft braucht Normen und allgemeingültige Standards.

Technische Standards wie Maße und Gewichte beziehen sich auf ein Produkt und seine Eigenschaften wie Verpackung, Beschriftung, Herstellungsverfahren und eben auch auf Maße und Gewichte. Ganze Logistiksysteme würden unter einem Wust von unterschiedlichen Maßeinheiten und Normen zusammenbrechen. Die meisten Staaten kennen heute eine große Vielzahl technischer Vorschriften. Kaum ein auf dem Markt befindliches Produkt ist von ihnen nicht erfaßt.

In Deutschland sind diese zum Beispiel in den DIN festgelegt. International ist im SI, dem internationalen Einheitensystem fixiert, in welcher Einheit was gemessen wird. Die Grundlage bildet das metrische System. So auch in der EU. Würde jeder Staat seine technischen Vorschriften, zum Beispiel für die Art und Größe von Gewinden, unabhängig von denjenigen anderer Staaten festlegen, kann der grenzüberschreitende Handel eingeschränkt werden. Behinderungen des Warenverkehrs aufgrund unterschiedlicher technischer Vorschriften nennt man technische Handelshemmnisse. Technische Handelshemmnisse bedeuten für die Hersteller höhere Entwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebskosten sowie Verzögerung bei der Einführung neuer Produkte. Für den Handel ergeben sich erhebliche Aufwendungen, zum Beispiel bei der Lagerung und beim Recycling von Leergut. So kann die aus einem anderen Land günstig importierte Ladung Gasflaschen nicht wieder in Umlauf gebracht werden, weil hiesige Abfüller zum Beispiel mit nicht kompatiblen Abfüllanlagen arbeiten. Der Einkaufsvorteil bleibt auf der Strecke. Nachteilige Wirkungen für die Verbraucher sind eine geringere Produktauswahl bei unter Umständen höheren Preisen. Die damit verbundenen Nachteile sind um so größer, je kleiner der Binnenmarkt ist. Sie beeinträchtigen letztlich nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sondern auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes insgesamt. Eine wichtige Aufgabe der EU sollte es sein, der Gefahr, daß Normen zum Aufbau von Handelshemmnissen benutzt werden, entgegenzuwirken und die von einer Normung ausgehenden positiven Effekte zu fördern. Das Gegenteil ist der Fall. So werden Entwicklungsländer  durch EU-Vorschriften, zum Beispiel über die Größe und Form von Bananen, Gurken oder Tomaten, vom Handel ausgeschlossen. Mit der Sonderregelung für die britischen Standards wird es europäischen Unternehmen erschwert, mit dem eigensinnigen Partner Handel zu führen. Doch das scheint den Briten sehr gelegen. Der größte Handelspartner Großbritanniens sind die USA. Und da sich die Amerikaner ebenfalls dem metrischen System entziehen, ist das britische Maßsystem von Vorteil. Verbrauchsangaben für Fahrzeuge, Produktverpackungen und Größenetiketten von Textilien müssen nicht angepaßt werden. Für den Import US-amerikanischer Waren gilt das gleiche. Mit Normen werden Handelsräume und Märkte abgesteckt.

Die Abkehr von den Euro-Normen hat Bekenntnis-Charakter. Die britische Wirtschaft präsentiert sich in einer besseren konjunkturellen Verfassung als die meisten ihrer EU-Partner. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Exporte einen Zuwachs von 15,2 Prozent, während die Importe sogar um 17 Prozent zulegten. Die Briten wissen, was sie tun, während der deutsche Außenhandel unter dem teuren Euro gegenüber dem Dollar zu leiden hat, profitiert der englische Außenhandel im laufenden Jahr von einer weiteren Pfundabwertung gegenüber dem Euro. Die Kehrseite der Medaille: Aufgrund des Importüberschusses befindet sich auch die Leistungsbilanz seit Jahren in den roten Zahlen. 2006 dürfte der Fehlbetrag bei rund 52 Milliarden Euro oder 2,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gelegen haben.

Foto: Hängt an seinem Pint: Der britische Thronfolger Charles mit Frau Camilla

 

Zeitzeugen

Heinrich Rudolf Hertz – Der 1857 in Hamburg geborene Physiker entdeckte die Existenz elektromagnetischer Wellen. Seit 1933 wird eine Schwingung solcher Wellen pro Sekunde als ein Hertz (1 Hz) bezeichnet. Die Erkenntnisse des 1894 verstorbenen Hertz lieferten die Grundlagen für die Erfindung von Radio und drahtloser Telegraphie.

 

Antoine Henri Becquerel – 1852 in Paris geboren entdeckte der spätere Nobelpreisträger für Physik (1903) die spontane Radioaktivität. Heute wird die Stärke von Radioaktivität in Becquerel (Abkürzung: Bq) gemessen. Den Nobelpreis erhielt er zusammen mit den Physikern Pierre und Marie Curie.

 

Isaac Newton – Der Engländer Isaac Newton (1643–1727) gilt ebenso wie sein deutscher Zeitgenosse Gotthold Wilhelm Leibniz als einer der großen Universalgelehrten der Neuzeit, wie sie im Zeitalter der fortschreitenden Spezialisierung der Wissenschaften als ausgestorben gelten: Newton war Physiker, Mathematiker, Astronom, Philosoph und Alchimist. Seine Forschungen legten unter anderem den Grundstein für die klassische Mechanik. Ein Newton ist heute die physikalische Maßeinheit für Kraft.

 

James Watt – Der schottische Erfinder Watt (1736–1819) stieß das Tor auf zur industriellen Revolution. 1769 meldete er eine neue Dampfmaschine zum Patent an, nach deren Muster bis in unsere Tage alle Dampfmaschinen funktionieren. Ein Watt (W) ist heute die Maßeinheit für Leistung in der Physik. Eine Glühbirne mit einer Leistung von 40 W wandelt bei konstanter Leistung 40 Watt pro Stunde (Wh) elektrischer Energie in Licht und Wärme um.

 

Daniel Gabriel Fahrenheit – Als Physiker und Erfinder von Meßinstrumenten entwickelte der Deutsche Fahrenheit (1686–1736) im Jahre 1714 eine nach ihm benannte Einheit für Temperaturen, die noch heute vor allem in den USA als Grad Fahrenheit (°F) im Gebrauch ist. Nullpunkt ist die tiefste Temperatur in seiner Heimatstadt Danzig im Winter 1709 (entspricht               -17,8°C), der Gefrierpunkt des Wassers liegt bei 32°F und sein Siedepunkt bei 212°F.


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