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22.09.07 / Warum gerade bei den »Pfeffersäcken«? / Neues von der »Kulturgeschichte des Preußenlandes in der frühen Neuzeit« auf Tagung in Hamburg präsentiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-07 vom 22. September 2007

Warum gerade bei den »Pfeffersäcken«?
Neues von der »Kulturgeschichte des Preußenlandes in der frühen Neuzeit« auf Tagung in Hamburg präsentiert

Die Entscheidung, für die diesjährige Jahrestagung der Historischen Komission für ost- und westpreußische Landesforschung den Tagungsort Hamburg und die Thematik „Kulturgeschichte des Preußenlandes in der frühen Neuzeit“ zu wählen, ist darauf zurückzuführen, daß im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ein bedeutender Teil der Sammlung historischer Tasteninstrumente Andreas und Heikedine Beurmann mit Beziehungen nach Königsberg ausgestellt und ein bedeutender Teil des Briefwechsels mit dem Königsberger Museumsdirektor Alfred Rohde verwahrt wird. Die Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen fanden im Historischen Seminar der Universität statt und waren mit etwa 50 Teilnehmern gut besucht.

Die Tagung fand an einem verlängerten Wochenende statt und begann am Freitag nachmittag mit zwei Beiträgen, die zugleich zur Literatur-, Theologie- und Musikgeschichte gehörten. Zunächst sprach Prof. Dr. Eckhard Grunewald, Oldenburg, über den Psalter von Ambrosius Lobwasser (1573). Es folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Henkys, Berlin, über das Kirchenliedschaffen in Königsberg in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Der Referent setzte mit einem eigenen Forschungsbeitrag zur Königsberger Studentenzeit des Barockdichters Georg Neumark ein. Dessen frühe Gedichte von 1644/45 ergänzen unser Bild von der Kasualpoesie, die für den sogenannten Königsberger Dichterkreis und sein Umfeld typisch war. Der Referent bezog auch das Königsberger Kirchenliedschaffen in den Jahrzehnten vor dem Erscheinen von H. Alberts „Musicalischer Kürbs Hütte“ (1641) ein und skizzierte die genannte Nachwirkung im Medium des evangelischen Gesangbuchs bis zur Gegenwart. Den Schluß des Referats bildete eine theologische, poetische und musikalische Würdigung des Liedes „Such, wer da will, ein ander Ziel“, dessen Text von Georg Weissel stammt (1623) und das durch Johann Stobäus mit seiner ursprünglich für ein Hochzeitscarmen bestimmten Komposition von 1613 verbunden worden ist. – Letzter Satz: „Das Königsberger Kirchenliedschaffen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist für den evangelischen Gottesdienst – und über den Gottesdienst für die Liedkultur überhaupt – noch heute unentbehrlich.“ Eine lebhafte Diskussion über beide Vorträge beschloß den ersten Tagungsteil.

Am Sonnabend vormittag begann Prof. Friedemann Hellwig, Hamburg, mit Ausführungen über die Instrumentenbauer Gottfried und Joachim Tielke aus Königsberg in Hamburg. Es folgte ein Vortrag von Dr. Annette Otterstedt, Berlin, zum Thema „Verwischte Spuren – Zur Streichinstrumentenproblematik in Königsberg im 17. Jahrhundert“. Nach einer kurzen Aussprache über die beiden Vorträge begaben sich die Teilnehmer in das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, wo sie von Prof. Dr. Andreas Beurmann, Hamburg, erwartet wurden. Er führte durch seine Sammlung historischer Tasteninstrumente, die er auch erklingen ließ. Aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stehen Cembali, Spinette, Virginale und Clavichorde nach regionalen Schulen geordnet im Erdgeschoß des Schümann-Flügels des Museums. Instrumente von Giovanni Celestini, der um 1580 bis 1600 in Venedig wirkte, gehören zu den wertvollsten Exponaten. Dr. Alexander Pilipczuk, Hamburg, setzte die Museumsführung fort, indem er die Teilnehmer zu den Prussica des Museums führte. Er begann mit Instrumenten der Brüder Tielke und ging dann weiter zu Werken des Kunsthandwerks, insbesondere der Goldschmiedekunst, die sich an verschiedenen Orten im Museum befinden.

Den Nachmittag des Sonnabends eröffnete Dr. Izabela Bogdan, Posen, über die Hochzeitsmusik von Johannes Stobäus in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In einem Kurzreferat machte Prof. Dr. Bernhart Jähnig, Berlin, die Hörer mit dem Stammbuch des späteren Königsberger Professors für Logik, Laurentius Weger, bekannt. Dies hatte Weger zunächst als Student in Königsberg, Wittenberg und wieder Königsberg sowie als Professor am orthodoxen Gymnasium in Wilna in den Jahren 1621 bis 1626 geführt. Nach einer Skizzierung von Wegers Lebenslauf und der äußeren Beschreibung des Stammbuchs wurde die Ausstattung mit Kupferstichen ausführlicher vorgestellt. Die meisten dieser Stiche zeigen niederländische Motive und gehören zum ursprünglichen Buchblock. Offenbar handelt es sich um ein in den Niederlanden vorgefertigtes Produkt, daß Weger in Königsberg hat erwerben können.

Anschließend sprach Dr. Stefan Hartmann, Berlin, über das Preußenland im Spiegel von Reisebeschreibungen der frühen Neuzeit. Er konzentrierte sich auf fünf Autoren aus der Zeit vom Großen Kurfürsten bis zu den Befreiungskriegen. Der älteste ist der noch ganz dem Zeitalter des Barock verhaftete Duisburger Professor Johann Arnold von Brand. 100 Jahre jünger war der reformierte Schweizer Johann Bernoulli, der auch Mitglied der Königlichen Akademie zu Berlin war.

Am Sonntagmorgen stellte Axel E. Walter, Osnabrück und Memel, seine Überlegungen zu einer digitalen Simon-Dach-Ausgabe zur Diskussion. Zunächst charakterisierte er die bisher im Druck erschienenen Ausgaben, die alle nicht mehr befriedigen können. Das gelte auch für die vierbändige Edition von Walther Ziesemer aus den Jahren 1936 bis 1938, weil er die lateinischen Dichtungen nur zu einem geringem Maße berücksichtigt habe. Der Referent führte aus, daß die bereits bis heute ermittelten Dichtungen Dachs wegen ihrer Massenhaftigkeit eine Neuedition nicht finanzierbar machten und auch eine Bearbeitung in einer vertretbaren Zeit nicht zu leisten sei. In der anschließenden Diskussion wurde auf das Virtuelle Preußische Urkundenbuch verwiesen, das bei aller Vorläufigkeit seiner gegenwärtigen Texterfassung wenigstens in Teilen eine Druckversion zulasse, wenn nicht sogar anstrebe. Einen vergleichbaren Weg für die Erfassung und Darbietung der dichterischen Texte von Simon Dach hatte der Vortragende offenbar noch nicht im Blick. Den einzigen philosophiegeschichtlichen Beitrag bot Dr. Hanspeter Marti, Engi, Kanton Glarus, indem er über eine theologische Kontroverse über Descartes im Einflußbereich der Universität Königsberg sprach.

Abgeschlossen wurde die Tagung durch einen wissenschaftsgeschichtlichen Beitrag von Klaus Bürger, Husum, über Alfred Rohde und das Königsberger Museumswesen 1927 bis 1942 – „ein Hamburger in der Pregelstadt“. Rohde hat während seiner Königsberger Jahre lebhafte Beziehungen zu seinem Heimatmuseum in Hamburg gepflegt, so daß, wie eingangs erwähnt, ein umfangreicher Briefwechsel entstanden ist und sich bis heute erhalten hat. Das ermöglichte es dem Vortragenden, ein eindrucksvolles Bild zu zeichnen von den Wandlungen, die die Königsberger Museumslandschaft während Rohdes Amtszeit, insbesondere seit der nationalsozialistischen Machtergreifung durchmachte.  B. J.

Foto: „Der Pfeiffenmacher“: Kupferstich von Christoph Weigel (1654–1725)


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