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29.09.07 / Ost-Deutsch (34): Duldung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Ost-Deutsch (34):
Duldung
von Wolf Oschlies

Duldung ist ein (neu)bosnisches Wort“ betitelte ich 1997 mein Buch über den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. Heute müßte ich eher „duldum“ schreiben, wie sich die Bosnier das Wort zurecht gelegt haben. Auch haben sie diesem Wort, von mittelhochdeutsch „dulten“ (Verb) oder „gidult“ (Substantiv), einen bei uns ungewöhnlichen Plural verpaßt: Kriegsflüchtlinge heirateten Deutsche, „kada su Duldunzi padali iz mode“ (als Duldungen aus der Mode kamen).

Gemeint ist die „Duldung“, also die laut deutschem Aufenthaltsrecht „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ von Ausländern. Klingt gut, doch in der Praxis ist „duldung najgore moguci status“, der schlechteste Status überhaupt: Eine „Duldung“ schließt keine Arbeitserlaubnis ein, wird nur kurzfristig erteilt, kann jederzeit widerrufen werden etc. Im März 2007 einigte sich die Große Koalition, den rund 180000 „geduldeten“ Ausländern, die über sechs Jahre hier leben, ein Bleiberecht einzuräumen, wenn sie bis 2009 eine Arbeitsstelle nachweisen können.

Diese juristische „Duldung“ ist bei Südslawen so bekannt, daß sie in Bosnien und Kroatien schon zum Namen von Kneipen und Bars avancierte. Auch bei Russen („u doceri duldung“ – die Tochter hat eine Duldung) und Bulgaren („Duldung, t.e. tyrpjat te“ – Duldung, das heißt man duldet dich) taucht sie mittlerweile auf, im Verein mit Dutzenden Bürokratenwörtern von „Ausländeramt“ bis „TÜV“, die Ausländer auf Behörden mitbekommen. Meistgebraucht ist natürlich die „Duldung“ – in meiner Sammlung osteuropäischer Germanismen finden sich bosnische Gedichte, in denen sie erscheint.

Der erwähnte Beschluß der Bundesregierung spielte dann auch in der balkanischen Presse eine große Rolle: „Danas odluka o duldungu“ (heute Entscheidung über die Duldung), nämlich „radno mesto sa duldungom“ (Arbeitsplatz samt Duldung) und endlos so weiter. Sogar neue Wörter wurden gebildet: „Dulderima omoguciti boravak“, Duldern den Aufenthalt ermöglichen, also den Inhabern einer „Duldung“. Jetzt ist diese Frage geklärt, aber neue tun sich auf: Wird „za duldere olaksan put do zaposlenja“ (für Dulder Weg zur Beschäftigung erleichtert)? Wichtiger noch: Bleiben „dulderi bez decjeg dodatka“ (Dulder ohne Kindergeld)?


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