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29.09.07 / Ohne Anleitung alleingelassen / Laut DGB werden immer mehr Auszubildende als billige Arbeitskraft ausgebeutet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Ohne Anleitung alleingelassen
Laut DGB werden immer mehr Auszubildende als billige Arbeitskraft ausgebeutet
von Rebecca Bellano

Die letzte Woche gab es viel Schelte für das deutsche Bildungssystem. Zuerst stellte die OECD fest, daß Deutschlands Lehrer im Vergleich mit anderen Industrieländern zu alt seien und Deutschland zu wenig Studenten habe. Seit 1995 sei die Anzahl der Studenten in Deutschland zwar um fünf Prozent gestiegen, im OECD-Durchschnitt sei er allerdings um 41 Prozent empor geschnellt. Mehr als die Hälfte eines Jahrganges würden nach OECD-Schnitt inzwischen ein Studium beginnen, in Deutschland seien es jedoch nur 36 Prozent. Und während hierzulande 20 Prozent eines Jahrganges einen akademischen Abschluß schaffen, sind es laut OECD-Schnitt 36 Prozent.

Ja aber, meinen Verteidiger des deutschen Bildungssystems und verweisen auf die Tatsache, daß man in anderen Ländern für zahlreiche Berufe schon einen Bachelor-Abschluß – was in etwa zwei bis drei Jahren Studium entspricht – benötigt, während in Deutschland im Dualen Bildungssystem hierfür ausgebildet wird.

Duales Bildungssystem nennt man die Mischung aus Berufsschule und praktischer Arbeit im anerkannten Ausbildungsbetrieb. Auch das dauert zwei bis drei Jahre und schließt praktische Berufserfahrungen mit ein. Würden diese Berufe hinzugezählt werden, würde die OECD-Studie Deutschland gleich viel besser aussehen lassen. Jedenfalls theoretisch, denn laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) ist auch im Dualen Bildungssystem der Wurm drin. Nicht nur, daß die Leistung der Berufsschullehrer immer wieder in die Kritik gerät, nun sollen auch immer mehr Betriebe ihren Auszubildenden nicht mehr die beste Fürsorge angedeihen lassen.

Laut einer Umfrage des DGB bei 4000 Jugendlichen geben 42 Prozent an, regelmäßig Überstunden zu machen. Dies sei zwar allein gesehen nicht dramatisch, doch da gleichzeitig ein Drittel der Befragten angeben, sie würden bei ihrer Arbeit keinerlei Anleitung erfahren und teilweise auch arbeitsplatzfremde Aufgaben erfüllen, liegt die Vermutung nahe, daß die Betroffenen statt eine qualifizierte Berufsausbildung zu erhalten, als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden.

Ganz weit hinten in der Rangliste landen laut DGB Gastronomieberufe, Gärtner und Maler. In diesen Berufen fehle es an fachlicher Anleitung. Ausbildungsfremde Tätigkeiten und viele Überstunden seien an der Tagesordnung. Gerade im Hotel- und Gaststättengewerbe brächen 40 Prozent der jungen Frauen und Männer ihre Ausbildung ab. Zeitdruck, körperlich schwere Arbeit, Schicht- und Nachtarbeit vergraulten einen Großteil der jungen Leute.

„Mit dem Report wollen wir zeigen, daß es meßbare Kriterien für eine gute Ausbildung gibt und man sich nicht mit einer schlechten Ausbildung abfinden sollte“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock bei der Präsentation in Berlin. „Denn es geht um die Berufs- und Lebenschancen jedes Einzelnen. Das Motto ,Besser als nichts‘ taugt nicht für Arbeitsplätze und erst recht nicht für Ausbildung.“

Auch klagt sie die Tatsache an, daß über 80 Prozent der Auszubildenden trotz Ausbildungsplatz in eine ungewisse Zukunft schauen würden, denn die wenigsten wüßten, ob sie nach den Jahren des Lernens und häufig eben auch der minderanspruchsvollen Hilfstätigkeiten auch eine Chance auf eine Festanstellung haben.

Allerdings: Klappern gehört zum Handwerk und es liegt im Interesse des DGB Handlungsbedarf im Bereich Ausbildung zu präsentieren, um die eigene Daseinsberechtigung zu betonen. Auch zu früheren Zeiten klagten Lehrlinge über Ausbeutung, nur kümmerte das keinen, schließlich seien Lehrjahre ja keine Herrenjahre.

Als ob das deutsche Bildungssystem nicht schon genügend Kritik hätte verkraften müssen, klinkt sich neben OECD und DGB auch noch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in das Konzert ein.

Allerdings ist diese Klage ein wenig anders geartet. Hier geht es um die Ausbildungsstatistik, nach der nur jene, die eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, erfaßt werden. Hunderttausende, die an sogenannten beruflichen Integrationsmaßnahmen teilnehmen, fielen jetzt unter den Tisch. „Um einzuschätzen, was aus einem Schuljahrgang wird, fehlt derzeit eine Gesamtschau“, so das IW und versucht nun mit dem hessischen Wirtschaftsministerium Licht ins Dunkel zu bringen.


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