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29.09.07 / Auswirkungen bis in die Moderne / Die Graphische Sammlung des Frankfurter Städel Museums zeigt Druckgraphik von Albrecht Dürer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Auswirkungen bis in die Moderne
Die Graphische Sammlung des Frankfurter Städel Museums zeigt Druckgraphik von Albrecht Dürer

Die Graphische Sammlung des Frankfurter Städel Museums besitzt bis auf wenige Ausnahmen das gesamte druckgraphische Werk Albrecht Dürers in ausgezeichneter Qualität. Dieser kostbare Bestand wurde im Jahre 1971 zuletzt gezeigt. Die Ausstellung, die jetzt in Frankfurt eröffnet wurde, umfaßt die wertvollsten Kupferstiche, Holzschnitte und Radierungen von Dürer, einem der berühmtesten Vertreter der deutschen Renaissance, und führt die Entwick-lung seines gesamten druckgraphischen Werks exemplarisch vor Augen. Aufgrund der hohen Qualität der insgesamt über 130 gezeigten Blätter vermittelt sie einen anschaulichen Eindruck von der einzigartigen technischen und künstlerischen Meisterschaft, die Kupferstich und Holzschnitt um 1500 durch Dürer erlangten.

Albrecht Dürer  (1471–1528) gilt aus guten Gründen als einer der herausragenden Künstler der deutschen Renaissance. Mehr als bei irgendeinem anderen seiner Zeitgenossen ist sein Werk über die Zeiten als ein Versuch betrachtet worden, die geistigen und gesellschaftlichen Strömungen und Verwerfungen einer großen Umbruchszeit (deren folgenreichstes Ereignis in Deutschland die protestantische Reformation werden sollte) in eine gültige künstlerische Form zu bringen. Dürers Werk zielt darauf ab, die spätmittelalterlichen Traditionen seiner Heimat mit den italienischen, von Antikenrezeption und wissenschaftlicher Erkenntnis geprägten Einflüssen zu einer Synthese zu bringen und die gesellschaftliche und geistige Rolle des Künstlers unter dem Einfluß humanistischen Denkens neu zu bestimmen. Seine Kunstwerke haben im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neue Aktualität erlangt und bis in die Moderne hinein Auswirkungen auf die Kunst gehabt.

Dürer hat Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken geschaffen. Die noch neuen Medien Kupferstich und Holzschnitt, die sich im 15. Jahrhundert erst entwickelt hatten, boten ihm, stärker als die meist von Auftraggebern abhängigen Gemälde, die für feste Standorte in Kirchen, Palästen oder Privathaushalten geschaffen wurden, oder die als Studien und Skizzen angefertigten Zeichnungen, die Möglichkeit, neue und ungewöhnliche künstlerische Vorstellungen zu verwirklichen.

Druckgraphiken waren bei Dürer immer Kunstwerke aus eigenem Recht, nicht Reproduktionen anderer Werke; er behandelte sie als der Malerei gleichrangig. Sie entstanden ohne fremden Auftrag und waren doch Ware; sie bedienten den Markt einer Öffentlichkeit, die nicht nur religiöse Betrachtung, sondern auch eine humanistisch geprägte intellektuelle und künstlerische Auseinandersetzung suchte. Die Druckgraphik machte Dürer überregional bekannt; sie wurde auf den Handelswegen in kurzer Zeit weit verbreitet und übte unmittelbaren künstlerischen Einfluß nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, vor allem in Italien, aus. Und schließlich bildete die Druckgraphik mehr als die Malerei die ökonomische Grundlage Dürers. Ohne sie wäre sein Auftreten als neuzeitlicher, aus der eigenen Erfindung schöpfender und wissenschaftlich arbeitender Künstler kaum vorstellbar.

Albrecht Dürer war der Sohn eines in Nürnberg hoch angesehenen Goldschmiedes. Bereits als Kind erlernte er das Goldschmiedehandwerk und somit auch das Gravieren in Metall, die Grundlage des Kupferstichs. Seine Ausbildung zum Maler erfuhr er in den 1480er Jahren in einer Nürnberger Werkstatt, die gleichzeitig mit dem Entwerfen von Holzschnitt-illustrationen für bedeutende frühe Buchpublikationen betraut war. Offenbar erkannte er sehr früh die Möglichkeiten dieser neuen Medien und machte sich nach seiner Ausbildung zunächst tatsächlich stärker mit der Druck-graphik als mit der Malerei einen Namen. Frühe Kupferstiche und Holzschnitte wie zum Beispiel „Herkules am Scheideweg“ und „Das Männerbad“ behandeln ungewöhnliche, neuartige Themen und verwirklichen mit den graphischen Mitteln der Linie eine Bildwirkung, die mit der von Gemälden rivalisiert. Gleichzeitig erweist sich Dürer in zahlreichen Blättern als ein Meister der genauen Beobachtung und des psychologischen Einfühlungsvermögens.

Kurz vor der Jahrhundertwende schuf er mit der „Apokalypse“ und dem größten Teil der „Großen Passion“ (1511 als Buch veröffentlicht) ambitionierte Graphikfolgen, die den Holzschnitt aus seiner traditionellen Rolle als Buchillustration lösten und ihm völlig neue gestalterische Möglichkeiten eröffneten. Die Publikation der „Apokalypse“ 1498, kurz vor dem „Zeitenwende-Jahr“ 1500, machte den jungen Dürer zu einem berühmten Mann.

Die Faszination für den menschlichen Akt sowie die Geometrie und das Studium der antiken Autoren Vitruv und Euklid schlugen sich nach 1500 in Werken wie „Adam und Eva“ und den ersten Blättern der Folge des „Marienlebens“ nieder.

Obwohl Dürer im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts mit großen Gemälde-Aufträgen beschäftigt war und 1505/06 zum zweiten Mal nach Italien reiste, entstanden weitere Druckgraphiken, und 1511 schloß er das 15 Jahre zuvor begonnene Unternehmen der großen druckgraphischen Holzschnittfolgen mit der gleichzeitigen Publikation der „Großen Passion“, des „Marienlebens“, einer zweiten Auflage der „Apokalypse“ und der „Kleinen Holzschnittpassion“ ab. 1512 veröffentlichte er zudem seine einzige Kupferstich-Folge, die „Kupferstichpassion“.

Druckgraphische Folgen dieser Art sollte Dürer danach nicht mehr schaffen, auch wenn er in den 1520er Jahren offenbar noch einmal über ein solches Projekt nachdachte. Jedenfalls stellen die Veröffentlichungen von 1511/12 den Abschluß seiner Aktivitäten als Schöpfer und Verleger umfangreicher Folgen dar. In einer vielleicht ähnlichen Geste des Endgültigen brachte er 1513 und 1514 die drei sogenannten „Meisterstiche“ heraus: „Ritter, Tod und Teufel“, „Hieronymus im Gehäuse“ und die „Melancholie“. Diese Werke, die ikonographisch als Lebensentwürfe aufeinander Bezug nehmen und zum Teil auch äußerst komplexe und rätselhafte Bedeutungen transportieren, erheben den Anspruch, den Kupferstich als graphische Technik bis an seine äußersten Grenzen entwickelt zu haben. Diesen Rang konnten sie, ausgeführt mit größter graphischer Meisterschaft und Intelligenz, tatsächlich einnehmen; sie setzten auch für folgende Generationen den Maßstab für das, was Kupferstich zu leisten vermochte.

Dürers druckgraphisches Schaffen endete keineswegs mit den Meisterstichen. Er experimentierte in der Folge mit neuen graphischen Techniken, mit Kaltnadel und Radierung, und war seit 1512 auch in Diensten des deutschen Kaisers Maximilian I. tätig, für den er Zeichnungen und riesige Holzschnittprojekte ausführte, die in der Ausstellung durch den „Großen Triumphwagen“ vertreten sind. In der späten Zeit entstanden auch die wenigen druck-graphischen Porträts, die Dürer von Fürsten und Gelehrten anfertigte. Schließlich sind die theoretischen Schriften Dürers zu Geometrie, Festungsbaukunst und Proportionslehre zu erwähnen, an denen er in den letzten acht Jahren seines Lebens intensiv gearbeitet und die er selbst mit Holzschnitten illustriert hat. Das letzte dieser Werke, die Proportionslehre, erschien kurz nach seinem Tod.      pmst

Die Ausstellung im Frankfurter Städel Museum ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 10 / 8 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei, bis 6. Januar 2008.

Foto: Albrecht Dürer: Der Reiter (Ritter, Tod und Teufel)


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