26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.09.07 / Elf Pfund Klosterwissen / 400 Jahre bislang unterbewertete Kloster-Geschichte in Preußen-Brandenburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-07 vom 29. September 2007

Elf Pfund Klosterwissen
400 Jahre bislang unterbewertete Kloster-Geschichte in Preußen-Brandenburg
von Karel Chemnitz

Der Umfang ist von „guten Eltern“, der Preis beträchtlich. 1500 Seiten kosten 128 Euro.

Seit kurzem liegt das zweibändige Brandenburgische Klosterbuch vor. 106 geistliche Gemeinschaften sind von einem hochkarätigen Autoren-Team vorgestellt worden. Oft recht klangvolle Namen, in denen sich Nonnen und Mönche um das Seelenheil der damaligen Brandenburger kümmerten. Und die sich bis ins 16. Jahrhundert hinein um die Kranken- oder Altenpflege verdient gemacht haben oder an der Urbarmachung der Mark beteiligt waren. Bis die Reformation dieser Entwicklung ein Ende bereitet. Bis sich die kurfürstliche Hohenzollern-Familie – sprich Joachim II. – die bisherigen klösterlichen Besitzungen ihrem Vermögen einverleibte.

Alle Klöster, Stifte oder Ordensritter-Niederlassungen von A wie Altfriedland bis Z wie Zinna stellt das fast elf Pfund schwere Werk vor. Untersucht wird die historische Mark Brandenburg, zu der Anno Dazumal auch die Altmark, Teile der Niederlausitz und die heute polnische Neumark jenseits der Oder gehörten. Der Doppelband wendet sich nach Auffassung der Herausgeber sowohl an  Fachleute als auch an interessierte Laien. Der allgemeinen Verbreitung sind gewiß durch den Preis Grenzen gesetzt, ist doch zu befürchten, daß selbst Bibliotheken mit dieser Ausgabe überfordert sind. Oft hätte das Buch  eine einfachere Sprache verdient. Außerdem: Dieses oder jenes Foto aus der Jetzt-Zeit würde das Verständnis des geschriebenen Wortes verstärken, vor allem was kunsthistorische Aussagen betrifft. Trotzdem – in seiner Ausführlichkeit und Systematik verdient das Werk höchsten Respekt. Oft sind es völlig verschwundene Abteien, die das Buch aus dem Dunkel der Geschichte hervorholt. Von besonderer Brisanz ist es aus dem Abstand von Jahrhunderten zu erfahren, wie die Fürsten aus dem Hause Hohenzollern mit diesem kulturhistorischen Erbe umgingen. Teile des Klosters im Havel-Städtchen Zehdenick, so ordnete 1650 der Große Kurfürst an, wurden ins heutige Oranienburg transportiert. Sie fanden beim Bau des Schlosses Verwendung. Als besonders unbedarft in Sachen Kloster-Architektur ist allerdings Enkel Friedrich Wilhelm I. in die Geschichte eingegangen. Der „Soldaten-König“ ließ nämlich 1722 die malerische Ruine des Prämonstratenser-Stiftes St. Marien auf dem Harlungerberg bei Brandenburg an der Havel sprengen. Die Reste nahm man als Baumaterial für das Potsdamer Militärwaisenhaus. Der Vorrat reichte recht lange und selbst 1805 wurde noch Schutt für den Bau der Chaussee nach Plaue verwendet. Ganz anders dagegen Preußen-König Friedrich Wilhelm IV. Ihm und Hofbaumeister Schinkel ist der Erhalt der gotischen Klosterruine Chorin und vieler anderer mittelalterlicher Bauwerke zu verdanken.

Eine besondere Stärke des gesamten Buches ist übrigens das Eingeständnis der Autoren, diese oder jene Frage nicht beantworten zu können. Wenn nämlich Vorgänge im historischen Dunkeln liegen oder wenn zuverlässige Quellen fehlen. Äußert man Vermutungen, so werden diese auch als Vermutungen ausgewiesen und nicht als Tatsachen.

Übrigens: Wären da nicht elf Pfund „Lebendgewicht“, könnte man das Klosterbuch als Reiseführer verwenden. Nicht zuletzt die Qualität der Landkarten und Lagepläne ist ausgezeichnet. Anregungen zu Exkursionen und Ausflügen gibt das Buch allemal. Vielleicht nach Brandenburg / Havel, der Wiege von Preußen-Brandenburg, wo dieses  Jahr das 850. Jubiläum der Mark gefeiert wird. Oder nach Stepenitz in der Prignitz, dem einstigen Zisterzienserinnenkloster Marienfließ. Oder zum Kloster Heiligengrabe, wo sich bis heute ein evangelisches Damenstift um christliche Traditionen kümmert. Vielleicht aber bekommt der eine oder andere Lust auf ein Konzert in der erwähnten Klosterruine Chorin zwischen Eberswalde und Angermünde.

Und wie wäre es mit einem Ausflug über den Oder-Strom nach Lagow, dem reizvollen  Ordensritter-Städtchen ins heutige Polen. Oder ins neumärkische Zehden, gleich hinter dem Grenzübergang Hohenwutzen bei Bad Freienwalde. Nach der Reformation diente das uralte Nonnen-Kloster als Jagdschlößchen der Hohenzollern, steht heute als Hotel jedermann offen.

„Brandenburgisches Klosterbuch“, be.bra wissenschafts verlag, Berlin 2007, 1484 Seiten, 128 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren