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06.10.07 / Der letzte Versuch / Bekommt München den Transrapid? - Die Vergangenheit läßt Zweifel aufkommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Der letzte Versuch
Bekommt München den Transrapid? - Die Vergangenheit läßt Zweifel aufkommen
von H.-J. Mahlitz

Verspätung neun Minuten, Verspätung 20 Minuten, Verspätung 16 Minuten, Verspätung sechs Minuten - die Ausbeute eines Reise-Wochenendes mit der Deutschen Bahn. Oder auch: der ganz normale Wahnsinn der DB-Fahrplangestaltung. Ausgesprochen ärgerlich für die Betroffenen, aber nichts im Vergleich zu der Verspätung, die Bahn, Politik und Wirtschaft jetzt gemeinsam auf die Schiene gesetzt haben: In München wollen sie, massiven Widerständen zum Trotz, den weit draußen vor der Stadt angesiedelten Flughafen mit einer Magnetschwebebahn an das Zentrum anbinden.

Das wäre dann, so der Transrapid tatsächlich gebaut wird, in Deutschland die erste kommerzielle Präferenzstrecke für diese neuartige Fortbewegungs-Technologie - für deren weltweite Vermarktung eine wichtige Voraussetzung. Leider käme sie gut zwei Jahrzehnte zu spät. So lange nämlich ist die Magnetschwebetechnik ausgereift und einsatzbereit. Müßte die Bahn den für München prognostizierten jährlich acht Millionen Fahrgästen Verspätungsentschädigungen nach den derzeit geltenden Regularien zahlen, würden die mutmaßlichen Transrapid-Baukosten um ein Mehrtausendfaches übersteigen. Zugegeben, eine „Milchmädchenrechnung“, die aber doch ein Gefühl dafür vermittelt, um welche finanziellen Dimensionen es hier langfristig geht.

Das Patent für die radlose Fahrtechnik ist bereits 73 Jahre alt; es wurde am 14. August 1934 dem deutschen Ingenieur Hermann Kemper erteilt. Doch bald geriet die Neuerung in Vergessenheit, bis der sozialdemokratische Verkehrsminister Georg Leber 1969 sie wiederentdeckte und eine erste Machbarkeitsstudie in Auftrag gab. Schon zwei Jahre später präsentierte MBB in Ottobrunn bei München ein Versuchsfahrzeug auf einer 660 Meter kurzen Strecke. 1980 wurde im Emsland mit dem Bau einer knapp 32 Kilometer langen Versuchsstrecke begonnen. Nach vier Jahren schwebte der erste von insgesamt drei Versuchszügen (TR06) über die auf Stelzen aufgeständerte Betonpiste. Die Spitzengeschwindigkeit wurde bis an die 500-Stundenkilometer-Marke hochgeschraubt.

Schon damals wurde Interesse an dieser deutschen Hochtechnologie bekundet. In den USA zum Beispiel waren Verbindungen zwischen Las Vegas und Los Angeles beziehungsweise San Francisco sowie zwischen Washington und New York im Gespräch. Anfragen gab es auch von reichen arabischen Ölstaaten. Stets aber waren sie mit dem Hinweis verbunden: Baut erst mal eine Präferenzstrecke in Deutschland, dann sehen wir weiter.

Konkret geplant wurde zunächst eine Verbindung der Flughäfen Düsseldorf und Köln / Bonn, dann, nach der Wiedervereinigung, zwischen Berlin und Hamburg. Diese Strecke bot sich schon deshalb an, weil hier ohnehin eine völlig neue Schnellverkehrsverbindung gebaut werden mußte, aber auch, weil sie größtenteils durch die Neuen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg führte, wo zu dieser Zeit Großprojekte noch zügig und ohne die im Westen längst übliche Dauerprozessiererei um jeden Grashalm und jeden quakenden Frosch durchgezogen werden konnten.

Dennoch scheiterte das Projekt, weil sich im vereinigten Deutschland inzwischen unter Politikern und Meinungsmachern eine prinzipielle Technologiefeindlichkeit breitgemacht hatte, die ihre traurigen Höhepunkte in der Politik der rot-grünen Koalition unter Schröder und Fischer erlebte. Alle weiteren Versuche, das zum prestige- und gewinnträchtigen Exportschlager geeignete Projekt doch noch zu retten, waren eher halbherzig. Wie zum Beispiel der sogenannte Metrorapid, der als „Denkmal“ zum Ruhme der vormaligen NRW-Ministerpräsidenten Rau und Clement an Rhein und Ruhr schweben sollte, von deren Nachfolger Steinbrück aber gnadenlos aufs Abstellgleis geschoben wurde.

Derweilen bescherte der Bau der weltweit einzigen kommerziellen Magnetschwebebahn, der Flughafenanbindung in Shanghai, dem Transrapid allenfalls ein Zwischenhoch. Andere Interessenten, in Nahost, Australien oder Amerika, wunderten sich weiterhin, warum diese Deutschen ihre eigene Hochtechnologie partout nicht im eigenen Lande haben wollen. Ein Vertreter des Transrapid-Firmenkonsortiums ThyssenKrupp / Siemens brachte es auf den Punkt: „Wenn die Autos von Mercedes oder Audi in Deutschland nicht für den Verkehr zugelassen würden, wäre es wohl auch schwierig, sie in USA zu verkaufen.“

Nun soll der letzte Versuch starten. In den letzten Amtstagen verkündete der unfreiwillig in den Ruhestand entschwebende Stoiber, die Finanzierung der 38 Kilometer langen Schwebestrecke vom Münchner Hauptbahnhof zum FJS-Flughafen im Erdinger Moos sei gesichert; schon 2008 könne man mit dem Bau beginnen. Stoibers kunstvolle Formulierungen, die manchen Kabarettisten vor Neid erblassen ließen, nährten den Verdacht, hier solle wieder einmal einem verdienten Landesvater ein teures Denkmal (an die zwei Milliarden Euro!) errichtet werden. Spötter unkten bereits, dann könne man im „Stoiber“ zum „Strauß“ fahren.

Ob es jemals dazu kommt, ist fraglich. Auch wenn der weißblaue Transrapid mit dem NRW-Metrorapid nicht vergleichbar ist - so konkret wie heute waren die Finanz- und sonstigen Planungen damals bei weitem nicht - die prozeßerprobten Gegner dieser Hochtechnologie rüsten bereits zum Kampf durch alle Instanzen. Wodurch, so die Erfahrung mit vielen ähnlichen Projekten, die Kosten dermaßen in die Höhe getrieben werden, daß allein dadurch dem Transrapid das widerfährt, was eigentlich technisch nicht möglich ist: daß er entgleist. Am Ende bliebe ein trauriges und teures Beispiel einer verfehlten und unfähigen Industriepolitik - statt radlos leider nur ratlos.


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