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06.10.07 / Test für den Angriff auf den Iran? / Ein israelisch-syrischer Luftzwischenfall gibt Rätsel auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Test für den Angriff auf den Iran?
Ein israelisch-syrischer Luftzwischenfall gibt Rätsel auf
von R. G. Kerschhofer

Der „Zwischenfall“ vom 6. September, in den offenbar nicht nur Israel und Syrien verwickelt sind, sorgt weiter für Spekulationen. Fest steht, daß israelische Kampfbomber noch vor Morgengrauen von Norden, also über die Türkei, in den syrischen Luftraum eindrangen. Syrien meldete dies erst am Nachmittag: Die syrische Luftabwehr habe die Flugzeuge „vertrieben“, die auf der Flucht „Munition abgeworfen“ hätten. Und auf türkischem Gebiet wurden abgeworfene Langstrecken-Zusatztanks gefunden.

Das offizielle Israel lehnt jeden Kommentar ab. Doch bestätigt wurde die „Operation Obstgarten“ - so der durchgesickerte Deckname - von amerikanischer und britischer Seite. Und am 19. September prahlte der Oppositionspolitiker und Likud-Chef Netanjahu, daß er den Angriff „mitbeschlossen“ habe. Die israelischen Medien dürfen wegen der Militär-Zensur nicht mitteilen, was sie (mit Sicherheit) wissen. Aber sie dürfen ausländische Medien zitieren - und die zitieren israelische Quellen, die man „nicht namentlich erwähnen“ dürfe. So ist zugleich auch der gezielten Desinformation Tür und Tor geöffnet.

Kurz zur Vorgeschichte: Noch in der Amtszeit von Bill Clinton kam es zu geheimen syrisch-israelischen Friedensverhandlungen, die schon sehr weit gediehen waren. Dabei ging es primär um die Rückgabe der 1967 von Israel besetzten und 1981 annektierten Golan-Höhen. Doch 2001, mit Amtsantritt von George Bush und Ariel Scharon, brachen die Gespräche ab. Während der Libanon-Invasion 2006 forderten Kreise um US-Vizepräsident Cheney Israel sogar auf, auch Syrien anzugreifen („Christian Science Monitor“ vom 6. August 2006).

Die israelischen Verstärkungen und Großmanöver im Grenzgebiet im Sommer 2007 veranlaßten auch Syrien zu Truppenverstärkungen. Am 14. August warnte Ministerpräsident Olmert die israelischen Militärs davor, daß Syrien die israelischen Absichten mißverstehen könnte, was zum Krieg führen könnte. Und am 30. August zitierte die „Jerusalem Post“ General Amos Gilad, der Rußland beschuldigte, die Spannungen zwischen den beiden Ländern zu schüren. Vielleicht eine Schlüsselaussage.

Im britischen „Guardian“ vom 16. September wird unter Berufung auf türkische Quellen berichtet, daß an der Operation acht Maschinen vom Typ F-15i und F-16i beteiligt waren, in großer Höhe begleitet von einem Aufklärer. Der weite Umweg über die Türkei ist „logisch“, denn die syrische Abwehr ist im Westen konzentriert, und Flüge nördlich der Grenze sind wegen der nahen US-Basis Incirlik für syrisches Radar unverdächtige Routine. Bemerkenswert, daß die Türkei von Israel zunächst „Aufklärung“ forderte, bald aber davon abkam. Ein Indiz dafür, daß die türkische Armee, nicht aber die Regierung informiert war.

Was aber war der Zweck der Aktion? Laut einer von US-Medien verbreiteten These habe der Angriff syrischen „Nuklear-Einrichtungen“ gegolten. Schon im Frühjahr habe sich der Geheimdienst „besorgt“ gezeigt, und kürzlich sei nordkoreanisches Nuklear-Material an Syrien geliefert worden. Nur warum sollte das wirtschaftlich schwache und exponierte Syrien ein Nuklear-Programm riskieren? Erinnert allzusehr an die Lügen vor dem Irak-Krieg.

Eine zweite These lautet, der Angriff habe syrischen Fabriken für Raketen oder für „nicht-konventionelle“ Waffen gegolten. Beweise dafür werden keine erbracht.

Plausibler scheint die dritte These: Israel habe den Nachschub von iranischen oder nordkoreanischen Raketen für die libanesische Hisbollah treffen wollen. Dem widerspricht, daß der Ort, wo Syrien auf die Flugzeuge schoß, nahe der Türkei etwa in der Mitte der über 600 Kilometer langen Grenze liegt. Und der Ort, den die Israelis angeblich angriffen, liegt noch weiter östlich am Euphrat. Warum sollte Material, das nur vom Mittelmeer nach Syrien gelangen kann, über einen so weiten Umweg in den Libanon geschickt werden?

Eine vierte These hat mit Rußland zu tun, das den Syrern die neueste Version des Abwehrsystems Panzir („Harnisch“) verkaufte. Davon soll ein Teil weiter an den Iran geliefert werden - was die Beteiligten bestreiten. Israel könnte die Effektivität des Systems getestet haben, mit dem gegebenenfalls auch die USA rechnen müßten. Dem steht entgegen, daß das System wahrscheinlich noch gar nicht einsatzbereit ist.

Eine fünfte These, welche die vierte einschließt, spricht von einem Test für einen israelischen „Präventivschlag“ gegen den Iran, dessen Westgrenze vom östlichsten Zipfel Syriens nur 200 Kilometer entfernt ist. Das würde zum „Cheney-Plan“ passen, über den „Newsweek“ vor zwei Wochen unter Berufung auf David Wurmser berichtete, den im August aus dem Amt geschiedenen Nahost-Berater des Vizepräsidenten: Demnach solle Israel den Iran durch einen Angriff zu einem Vergeltungsschlag gegen US-Einrichtungen provozieren, was den USA endlich einen echten Grund für einen Angriff liefern würde.

Auffällig ist, daß Syrien zwar bei der Uno protestierte, aber nicht den Sicherheitsrat anrief. Auch die Reaktion der Arabischen Liga fiel einigermaßen verhalten aus. Beides sehen Vertreter der ersten drei Thesen als Bestätigung: Syrien habe ein schlechtes Gewissen. Syrien und Rußland haben allerdings auch höchstes Interesse daran, Aussagen zu vermeiden, die Rückschlüsse auf das Panzir-System zulassen. Und die anderen Araber sind auf Syrien wegen seiner Anlehnung an den Iran nicht gut zu sprechen.


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