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06.10.07 / Übers Ohr gehauen / Kunstfälschern auf der Spur oder Wie falsche Chodowiecki-Zeichnungen entlarvt wurden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Übers Ohr gehauen
Kunstfälschern auf der Spur oder Wie falsche Chodowiecki-Zeichnungen entlarvt wurden
von Rüdiger Ruhnau

Vor einem halben Jahrhundert fand in Paris ein „Salon des Faux“, ein Salon der Fälschungen, statt. Unter vielen anderen „getürkten“ Bildern befanden sich allein 63 „Mona Lisas“. Das berühmteste Gemälde der Welt, die echte „Mona Lisa“, ist der Stolz des Pariser Louvre. Gerüchte, daß es sich um eine Kopie handelt, traten nach Presseberichten 1911 auf. Damals wurde das echte Gemälde gestohlen. Um den Verlust zu vertuschen, soll es gegen eine Kopie ausgetauscht worden sein. Tatsächlich ist eine Fälschung der „Frau Lisa“, Gattin des Francesco Giocondo, von Leonardo da Vinci 1505 gemalt, für einen geschickten Kopisten kein Problem. Doch die vielen Besucher des Louvre, die zuerst zu der ständig umlagerten „Mona Lisa“ laufen, können wohl beruhigt sein.

Seit altersher ist versucht worden, die Bilder bekannter Künstler nachzumalen. Das muß nicht unbedingt in betrügerischer Absicht erfolgen. Eine Fälschung liegt aber dann vor, wenn der Kopist die Signatur des Bildes nachmacht, es also nicht als sein eigenes Werk ausgibt. Der niederländische Maler Rembrandt van Rijn ist schon schwieriger zu fälschen. Der frühere Berliner Museumsdirektor Wilhelm von Bode sagte einmal: „Rembrandt hat 700 Bilder gemalt, von denen 3000 erhalten sind.“

Rembrandt van Rijn hat manche seiner wunderbaren Selbstbildnisse von Schülern malen lassen, und diese Bilder sind gewiß nicht als Fälschungen zu bezeichnen. Auch Schülerarbeiten können wahre Meisterwerke sein. Von einst 162 Rembrandt-Zeichnungen des Berliner Kupferstichkabinetts gelten nach neuestem Stand nur noch 55 als eigenhändige Werke Rembrandts.

Mit den großen unsterblichen Meistern ist Daniel Chodowiecki nicht auf eine Stufe zu stellen. Doch der Danziger Peintre-Graveur war der authentische Sittenschilderer seiner Zeit, der Bildchronist preußischer Geschichte, ein Meister des kleinen Formats, von dem zirka 3000 Radierungen und nicht viel weniger Zeichnungen erhalten geblieben sind. Während aber das Gesamtwerk seiner Radierungen genauestens beschrieben ist (W. Engelmann „Daniel Chodowieckis sämtliche Kupferstiche“, Leipzig 1857), geht die Zahl seiner Ölgemälde über vermutlich zwei Dutzend Stück kaum hinaus. Sie sind verstreut in wenigen Museen oder im Privatbesitz. Die Ungewißheit ihres Verbleibs hat eine wissenschaftliche Aufarbeitung bisher verhindert.

Großes Aufsehen erregte das erste öffentliche Bekanntwerden gefälschter Handzeichnungen Chodowieckis im Rahmen einer Ausstellung des Berlin-Museums im Sommer 1969. Das Museum bezog damals ein neues Domizil im ehemaligen Kammergerichtsgebäude. Die Neueröffnung in dem prächtigen Haus, eines der seltenen noch erhaltenen Bauwerke des Berliner Barock, wurde gekrönt durch die erstmalige Zurschaustellung einer Serie von 47 kolorierten Handzeichnungen des aus Danzig stammenden Daniel Chodowiecki (1726-1801). Der bekannte Zeitungsverleger Axel Springer hatte die wertvollen Blätter leihweise aus seiner Sammlung zur Verfügung gestellt, mit Darstellungen aus dem Leben Friedrichs des Großen, Portraits des Preußenkönigs und Abbildungen berühmter Zeitgenossen. Die Leiterin des Museums, Irmgard Wirth, hatte zu dem von Springer spendierten Sonderkatalog eine kunsthistorische Einführung geschrieben, dort heißt es unter anderem: „Die hohe Kunst der genauen, niemals kleinlichen Erfassung und Wiedergabe menschlicher Physiognomien offenbart sich innerhalb dieser Sammlung auch in den Portraits bekannter Persönlichkeiten aus Chodowieckis Zeit. Sie alle sind mit dem gelegentlich fast eleganten Strich seiner Feder knapp und sicher aufs Papier gebracht, wirkungsvoll in ihrer schlichten Wahrhaftigkeit. Sie ist das letzte Geheimnis seiner Kunst.“

Kaum war die Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, erschien im Berliner „Tagesspiegel“ ein Artikel von Heinrich Brauer, ehemaliger Direktor der Berliner Nationalgalerie, in welchem er behauptete, die 47 Zeichnungen von Chodowiecki, die das Berlin-Museum zur Zeit ausstellt, seien allesamt Fälschungen. Der Kunsthistoriker Brauer lieferte auch gleich den Beweis, indem er feststellte, die als echt gepriesenen Handzeichnungen seien nach dem populären Album „Der Alte Fritz in 50 Bildern für Jung und Alt“ von Knötel / Röchling aus dem Jahre 1895, angefertigt worden.

Die Museumsleiterin, aufgeschreckt infolge der angeblichen Fälschungen, stellte umgehend Nachforschungen an. Allein durch bloßen Augenschein waren die Fälschungen als solche nicht nachzuweisen. Fachleute und Museumsexperten hatten die ausgestellten kolorierten Blätter schon als kleine Sensation auf dem Kunstmarkt gefeiert, ja als „Entdeckung einer völlig neuen Seite im Schaffen Chodowieckis“ bezeichnet. Auch hatten mehrere Fachleute ihr „In Ordnung“ gegeben, als Axel Springer die Serie seinerzeit für 80000 DM erwarb.

Die beanstandeten aquarellierten Zeichnungen sind auf altem, aus der Zeit stammenden, handgeschöpftem Papier gezeichnet. Ihre Beschriftung beziehungsweise Signatur ist völlig identisch mit anderen Schriftproben Chodowieckis. Die Blätter, sämtlich datiert zwischen 1769 und 1801 (Todesjahr Chodowieckis), tragen ein Lacksiegel des „Kön. Pr. Kriegsministerium, Militär Oecon: Depart. III“. Es mußten also chemische und physikalische Untersuchungen vorgenommen werden, um die Echtheit zu prüfen.

Irmgard Wirth ließ nun dem Doerner-Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, das für derartige Untersuchungen prädestiniert ist, mit Genehmigung des Verlegers Springer, fünf der kolorierten Zeichnungen zur Prüfung übersenden. Das Ergebnis der naturwissenschaftlichen Untersuchungen lautete: Alle Blätter sind falsch, darunter auch jene zwei, die sich schon vorher im Besitz des Museums befanden. Spektralanalyse, mikroskopische und chemische Untersuchungen ergaben: Das in der Kolorierung enthaltene Titanweiß ist ein anorganisches Weißpigment, welches aus einem Jahr nach 1920 stammt. Das in der Malerei begehrte Titanweiß, chemisch gesehen ist es ein Titandioxid Ti02 existiert in drei kristallinen Modifikationen: Rutil, Anatas und Brookit. Das verhältnismäßig teure Weißpigment wird in reinweißer Form auf chemischem Wege gewonnen und daher in der Malerei erst seit 1920 eingesetzt. Die untersuchten kolorierten Handzeichnungen sind demnach erst in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg entstanden.

Eine andere Methode der Echtheitsbestimmung ist die kunsthistorische Stilanalyse. Anders als die bekannten Rötelzeichnungen des Danziger Künstlers, zeigen die von Springer ausgeliehenen farbigen Exponate den Preußenkönig in Darstellungen von so brillanter Machart, in ausgeklügelter Technik, daß manche Kunstexperten von einer ganz unbekannten Malweise Chodowieckis ausgingen. Man wird wohl jedes einzelne Blatt unter die Lupe nehmen müssen, um eine Entscheidung treffen zu können. Tatsache ist aber, daß auch Jahre nach dem Ausstellungseklat Kunsthändlern und Museumsleuten immer wieder einmal Chodowiecki-Zeichnungen angeboten werden, deren Authentizität in jedem Fall überprüft werden müßte.

Falscher Chodowiecki: Porträt Friedrichs des Großen Foto: Danzig-Archiv


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