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06.10.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

vor einigen Monaten erwähnte ich kurz den ältesten Ostpreußen, der seinerzeit auch der älteste Deutsche war: Friedrich Sadowski aus Neidenburg, der das damals kaum vorstellbare Alter von 111 Jahren erreichte. Wie alt wäre er bei seiner Konstitution wohl heute geworden! Nun bekam ich eine E-Mail von Herrn Stefan Jamin aus Neustadt an der Weinstraße, der im Internet auf diese Veröffentlichung gestoßen ist und sehr erstaunt darüber war, daß Sadowski aus Neidenburg stammte, denn im Guiness-Buch der Rekorde wird er in Ausgaben der Jahre 1981 und 1982 als Heidelberger bezeichnet. Da bin ich nun verblüfft. Herr Jamin interessiert sich aus wissenschaftlichen Gründen für den steinalt gewordenen Masuren, da er sich an einem privaten gerontologischen Projekt beteiligt, in dem versucht wird, so viele Personen wie möglich aus Deutschland, der Schweiz und Österreich ausfindig zu machen, die das 105. Lebensjahr vollendet haben. Dabei wurden schon viele Daten gesammelt und noch einige ungeklärte Fälle wie Sadowski. Na, über den masurischen Methusalem wird er wohl ausführlich Auskunft bekommen, denn ich bitte hiermit unsere Leserinnen und Leser, die über authentisches Material über den Neidenburger verfügen, dieses Herrn Jamin zu übermitteln. Vielleicht melden sich ja auch Angehörige der Sippe Sadowski, das wäre natürlich ein toller Erfolg. Aber auch über andere 105jährige - und noch Ältere - wird es Unterlagen geben, und ich bitte, diese ebenfalls dem Gerontologen zuzustellen. Ich bin wirklich neugierig, was da zusammenkommt. Auf das Ergebnis freue ich mich heute schon! (Stefan Jamin, Marktstraße 2 in 67433 Neustadt an der Weinstraße, Telefon 0 63 21 / 89 90 45, E-Mail: stefan.jamin@gmx.de)

Manche Briefe sind für mich wie ein Heimspiel auf dem Feld der Erinnerungen. Und so wird es anderen Leserinnen und Lesern auch ergehen, vor allem wenn sie aus Königsberg und dem Samland stammen. Frau Ruth Henke, Kind der Pregelstadt wie ich, gibt mir mit ihrem Schreiben eine Steilpaßvorlage, wie ich sie mir besser nicht wünschen kann, für bewahrte Erinnerungen an unsern geliebten Königsberger Tiergarten. Auslöser war für sie eine aktuelle Broschüre: „100 Jahre Hagenbecks Tierpark“. Da gingen ihre Gedanken natürlich zurück zu dem Tierparadies auf den Hufen. Sie hatte als Kind eine Jahreskarte und war somit Dauergast. Aber nach den Bombenangriffen wurde die Familie in das Ermland evakuiert, und als sie nach Königsberg zurückkehrte, begann das letzte Kapitel ihrer Königsberger Kindheit, das dann mit der Flucht im Februar 1945 seinen Abschluß fand. Ein Besuch im winterlichen Tierpark hat es nicht mehr gegeben. Und nun, da die Hagenbeck-Broschüre die Erinnerungen wieder geweckt hat, fragt Ruth Henke: „Wer hat den Tierpark noch nach den Bombenangriffen aufgesucht und weiß, wie viele und welche Tiere überlebt haben?“

Letzte Frage könnte ich auch kurz beantworten - es waren fünf: Flußpferd, Elefant, Dachs, Esel und Damhirsch -, aber damit würde uns ein Thema entgleiten, das einmal nicht schicksalsschwer ist und unsere Kolumne wohltuend aufhellt. Denn es sind die heiteren Stunden in unsern Königsberger Tagen, in die wir zurückgeführt werden und die beweisen: Wie schön war einmal unsere Stadt, welche Fülle an Erlebenswertem bot sie, wie stark war die Bindung der Menschen zum Tier, zur Natur, zur Heimat! Der Königsberger Tiergarten schrieb sich mit einem wichtigen kulturhistorischen Kapitel in die Geschichte der ostpreußischen Metropole ein. Denn er war weit über die Grenzen unserer Heimat bekannt, galt als einer der schönsten und besten Zoologischen Gärten Deutschlands, und das nicht erst, seit er nach dem Vorbild Hagenbeck als einer der ersten viele Tiere aus ihren Käfigen befreit hatte. Aber Zoo - nein, so sagte niemand.

Schon damals nicht, als die Pferdeeisenbahn die Besucher in das „draußen vor dem Steindammer Tor“ gelegene 17 Hektar große, malerisch vom Hufenbach durchzogene Areal brachte, das 1896 nach der darauf veranstalteten Gewerbeausstellung in ein Freizeitgelände umgewandelt worden war, das Tierschau und Park harmonisch verband und die vorhandenen Holzgebäude zu künstlerischen Veranstaltungen und gastronomischen Zwecken nutzte. 1910 apostrophierte es ein Reiseführer als „Erste Sehenswürdigkeit der Stadt und der Provinz“. Da hatte es bereits einen Bestand von 2126 Tieren, bot täglich Konzerte, ein Kurprogramm mit Molke und Mineralbrunnen, die einzige deutsche Rollschulbahn unter freiem Himmel und vieles mehr. Und als dann in der Hufenbachschlucht das erste Freilichtmuseum Deutschlands eingerichtet wurde - zum Sinnbild wurde der Elch, der dort ein weiträumiges Erlenrevier fand -, war der Königsberger Tiergarten zu einer international bekannten Zooanlage mit Vorbildfunktion geworden, in dem auch Hagenbeck mit seinen Völkerschauen zu Gast war.

Und da setzt meine Erinnerung ein - und die ist nicht gerade angenehm. Auf der Indien-Schau wurde für Kinder Elefantenreiten veranstaltet, und ich fünfjähriges Gnaschelchen mußte rauf, ob ich wollte oder nicht. Ich schaukelte da oben ganz vorn auf dem riesigen Dickhäuter, die großen Ohren klatschten auf meine bloßen Beinchen, ich saß ohne Decke direkt auf der Lederhaut, die harten Borsten pieksten, und ich rutschte, rutschte, rutschte - bis mein großer Bruder mich gnädig auffing. Geblieben ist bis heute eine Elefantenphobie! Da ich in Hamburg in der Nähe von Hagenbecks Tierpark wohne, kann ich sie bei jedem Besuch bestätigen. Aus Distanz!

Dies nur als kleine Kostprobe für die Erinnerungen, die nun diejenigen in unserm ostpreußischen Familienrund überfallen werden, die als kleine Genossen oder schon als erwachsene Besucher unsern Königsberger Tiergarten erlebten. Und sicher wird Frau Henke die erwünschten Informationen über die letzten Tage dieses deutschen Zoologischen Garten erhalten, ehe er in Schutt und Trümmern versank. 1947 wurde er mit 50 Tieren von den Russen wieder eröffnet. Heute leben dort 900 Tiere, zum Teil unter traurigen Verhältnissen. Doch das ist ein anderes Kapitel. (Zuschriften an Ruth Henke, Bülowstraße 22 in 24105 Kiel, Telefon 04 31 / 33 44 34.)

Nachfassen - das ist schon manchmal nötig, wenn keine Resonanz auf einen veröffentlichten Wunsch erfolgte, aber mitunter auch mit viel Mühe verbunden, wenn die Betreffenden nicht unsere Zeitung lesen. Das muß im Fall von Herrn Hansgeorg Litty aus Georgsmarienhöhe der Fall sein, der höflich anfragt, ob wir noch in seinem Fall am Ball sind. Waren wir längst, lieber Landsmann, denn wir haben Ihren Suchwunsch bereits vor einem Jahr veröffentlicht - PAZ / Das Ostpreußenblatt Nr. 37 vom 16. September 2006 -, aber es war wohl ein Fehlschuß, denn anscheinend hat sich niemand bei Ihnen gemeldet. Bringen wir also Herrn Littys Wunsch noch einmal, vielleicht gibt es diesmal eine Resonanz. Es geht um seine väterliche Linie, die nach Nordenburg führt, wo die Familie bis zur Vertreibung lebte. Sein Vater Hans Georg Litty, * 18. Januar 1907 in Nordenburg, fand auch in der Heimatstadt seine berufliche Existenz, unter anderem als Leiter der Stadtverwaltung. Die Familie muß also sehr bekannt in Nordenburg gewesen sein, zumal Hans Georg Litty der Sohn des Schuhmachermeisters Johann Julius Litty aus Nordenburg war - über den sein Enkel nun leider so gut wie nichts weiß. Es fehlen sämtliche Daten, auch von seiner Großmutter ist nur bekannt, daß sie eine geborene Domnick war und aus Nordenburg stammte. Wahrscheinlich ist Johann Julius Litty auch in Nordenburg oder Umgebung geboren, aber wo, wann, wer waren seine Eltern? Auch das Sterbedatum fehlt, mit Sicherheit starb der Schuhmachermeister noch vor der Vertreibung. Vielleicht kommen wir jetzt bei dieser erneuten Suche voran. Hansgeorg Litty wäre sehr dankbar, wenn sich Spuren finden ließen. (Hansgeorg Litty, Eichendorffweg 18 in 49124 Georgsmarienhütte.)

Was wäre unsere Familie ohne die vielen Mitdenker, Mithelfer, Mittelsleute, die alle nur erdenklichen Wege abtasten, um eine Lösung zu finden. Das wurde mir wieder einmal so bewußt, als ich den Brief von Herrn Wolfgang Wever öffnete, der schon durch seinen Umfang verriet, daß sich der geborene Bartensteiner - wie schon so oft - um eine Familienangelegenheit intensiv bemüht hat. Ich hatte mich nicht geirrt, allerdings mußte ich zuerst einmal Gedächtnis und Archiv bemühen, denn die Sache liegt etwas länger zurück. In der PAZ / Das Ostpreußenblatt Nr. 1/2006 hatten wir eine wunderschöne Brosche abgebildet, einen Engelskopf im Flügelkranz aus Elfenbein. Das Schmuckstück hatte einst der Pfarrersfrau Marie Hundsdörfer gehört, sie hatte es der jetzigen Besitzerin als Dank für deren Tätigkeit in ihrem Haushalt geschenkt, als sie - wie in dem übermittelten Suchwunsch angegeben - für die Herrnhuter Gemeinde nach Afrika ging. Es zeichneten sich schon bald nach der Veröffentlichung einige Unstimmigkeiten ab, die jetzt durch die von Herrn Wever zugesandten Unterlagen bestätigt wurden. Danach ist Maria Hundsdörfer, die erst nach dem Krieg den verwitweten Pfarrer Johannes Hundsdörfer heiratete - sie hatte als Gemeindehelferin mit dessen erster Ehefrau Hannah die Gemeinde Schönbruch, Kreis Bartenstein betreut und sie bis zu deren Typhustod 1945 begleitet -, nicht in Afrika gewesen, sondern war mit ihrem Mann auch nach dessen Pensionierung von Niedersachsen - ihrer Geburtsheimat - aus unermüdlich für die Mitglieder ihrer alten ostpreußischen Gemeinde tätig. Sie verstarb am 22. April 2005 im Alter von 85 Jahren, tief betrauert von vielen Vertriebenen aus dem Kreis Bartenstein, wie die Nachrufe beweisen. Die Suche galt also leider einer Verstorbenen. Auch nach dem namentlich erwähnten Sohn Ulrich des Pfarrers Hundsdörfer kam die Suche zu spät: Der einstige Klassenkamerad von Herrn Wever aus der Bartensteiner Oberschule verstarb schon 1988. Herr Wever legt noch einen von Ulrich Hundsdörfer handgeschriebenen Brief den vielen Unterlagen bei, die zeigen, wie sehr sich Herr Wever bemüht hat, die Suchfrage zu lösen. Dafür möchte ich ihm danken! Die Schlußworte seines Briefes gelten leider für so manche ungelöst gebliebenen Vorgänge in unserer Familienarbeit: „Die Zeit läuft schneller, als es uns lieb ist!“ Drum, lewe Landslied: Nich so lang wachte, beeter schriewe!

Eure

Ruth Geede


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