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13.10.07 / Ost-Deutsch (36): / … macht frei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-07 vom 13. Oktober 2007

Ost-Deutsch (36):
… macht frei
von Wolf Oschlies

Lorenz Diefenbach (1806-1883) war ein deutscher Sprachforscher von höchstem Rang, auch Autor moralischer Romane, darunter der mit dem Titel „Arbeit macht frei“ von 1872: Das Leben eines Spielers und Betrügers, der durch ehrliche Arbeit auf den Pfad der Tugend zurückfindet. Damals war der Titel nichts besonderes, ein Stück jener Kette, die vom biblischen „Die Wahrheit macht euch frei“ über das mittelalterliche „Stadtluft macht frei“ bis zur Bitte des Arztes „machen Sie sich frei“ führt. Anders wurde es nach 1933, als „Arbeit macht frei“ über den Toren von einigen Konzentrationslagern stand.

Überwiegend im KZ-Kontext hat „Arbeit macht frei“ in ganz Osteuropa sprachliche „Karriere“ gemacht. Der Ausdruck war aus Kriegsfilmen bekannt, wurde in neuen Wörterbüchern erläutert und dient bei jungen Internet-Nutzern aus Rußland und der Ukraine häufig sogar als Name oder für ukrainische Reime wie „ajn, zwaj, draj - arbajt macht fraj“. In russischen Medien hat sich der Satz in einer Weise vervielfältigt, die erschrecken mag, sprachlich aber hochkarätig ist: „Gastarbajt macht fraj“ überschrieb (in kyrillischer Schrift, aber ganz deutsch) eine Moskauer Wochenzeitung 2005 einen harschen Report über das Schicksal illegaler Arbeitskräfte in Rußland. Der polnische „Wprost“ erläuterte schon 2003, daß die KZ-Inschrift „parodiowalo niemiecka dewize wolnosci miejskiej“, das heißt die deutsche Devise von städtischer Freiheit parodierte. Die Prager Wochenzeitung „Tyden“ beschrieb 2001 das Elend von Drogensüchtigen unter der Überschrift: „Trava (Gras) macht nicht frei“.

Ähnlich „spielerisch“ ist es bei Südslawen. 1998 fand im bosnischen Sarajewo schon zum vierten Mal die Ausstellung „Kunst macht frei“ statt, die ob ihres provokativen Titels sogar in russischen Blättern gewürdigt wurde. Zum Standardrepertoire gehört der Satz bei der im kroatischen Split erscheinenden „Feral Tribune“, ein Blatt, das in Recherche und Tonfall keine Gnade kennt: „Partei macht frei“ (über kroatische Parteien), „Urlaub macht frei“ (über die Flucht des Generals Gotovina vor dem Haager Tribunal), „Asfalt macht frei“ (über kroatische Autobahnpläne), „Zimmer macht frei“ (über kroatischen Tourismus) und schließlich „Feral macht frei“ als Graffito auf Spliter Straßen.


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