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13.10.07 / Die Bewahrer der Tradition / Vom Gebrauchtwarenhändler per Internet zum Antiquariat: Alte Bücher haben viele Händler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-07 vom 13. Oktober 2007

Die Bewahrer der Tradition
Vom Gebrauchtwarenhändler per Internet zum Antiquariat: Alte Bücher haben viele Händler
von Björn Biester

Als Michael Ende in den 70er Jahren seine „Unendliche Geschichte“ verfaßte, war in der Antiquariatsbranche noch nichts zu ahnen vom zukünftigen Erfolg der Online-Plattformen für die Vermittlung antiquarischer und gebrauchter Bücher: Sein Romanheld Bastian Balthasar Bux gerät in einem verwunschenen Antiquariat an ein Buch, das ihn in eine märchenhafte Geschichte verwickelt … Auch auf der Frankfurter Antiquariatsmesse, die vom 10. bis 14. Oktober 2007 zum dritten Mal im Rahmen der Frankfurter Buchmesse stattfindet, ist etwas von diesem magischen Flair zu spüren: Pretiosen und Raritäten prägen die Atmosphäre der 1500 Quadratmeter großen Fläche in der Halle 4.0. Hier bieten 95 internationale Aussteller Literatur aus fünf Jahrhunderten in schönen, seltenen und sehr begehrten Ausgaben an, zum Beispiel die amerikanische Erstausgabe des Kinderbuch-Klassikers „Bambi“ von 1928 (675 Euro), einen maschinenschriftlichen Brief mit eigenhändiger Unterschrift von Thomas Mann (1932, 1100 Euro) oder ein Gedichtmanuskript von Wilhelm Busch von 1876 (5200 Euro). Eins der kostbarsten Stücke, die zum Verkauf stehen werden, ist ein Mondatlas von Johannes Hevelius von 1647. Er soll in Frankfurt für 22400 Euro den Besitzer wechseln.

Die Frankfurter Antiquariatsmesse zeigt: Das romantische Image der Antiquariatsbranche lebt weiter. Doch seit einem Jahrzehnt befinden sich sowohl der deutsche als auch der internationale Antiquariatsbuchhandel in einem Umwandlungsprozeß mit bislang nicht absehbarem Ausgang. Zahlreiche Faktoren stellen das Selbstbewußtsein der Branche auf den Prüfstand. Hauptverantwortlich hierfür ist unter anderem der Siegeszug privater Internetnutzung, von dem vor allem Plattform-Betreiber wie zum Beispiel Amazon „Marketplace“, eBay und ZVAB profitieren. Sie haben ganz neue Käuferschichten erschlossen, zahlreichen teilnehmenden Einzel-Antiquaren höhere Umsätze beschert und viel für einen höheren Bekanntheitsgrad der Antiquariatsbranche insgesamt getan.

Doch die Marktdifferenzierung sorgt auch für gesteigerte Unübersichtlichkeit, denn auf vielen Online-Plattformen konkurrieren heute Privatanbieter mit professionellen Händlern. Güte und Zuverlässigkeit der Produktbeschreibungen sind uneinheitlicher denn je. Juristische Unklarheiten etwa bei der AGB-Gestaltung oder der Umsetzung von Verbraucherschutzrichtlinien der Europäischen Union frustrieren besonders kleinere Anbieter, die sich selten aufwendige individuelle Rechtsberatung leisten können. Die glänzenden Wachstumsaussichten des Online-Buchhandels und der einfache Marktzugang für Neueinsteiger haben zudem eine Generation von reinen „Internet-Antiquaren“ entstehen lassen, die früher vorherrschende Geschäftsbräuche des Antiquariats, etwa gedruckte Verkaufskataloge und -listen, nur noch vom Hörensagen kennen. Zwei Antiquariatswelten. Im Internet werden grundsätzlich antiquarische Bücher aller Preiskategorien gehandelt, doch überwiegt hier der Umsatz mit günstigen gebrauchten Büchern. Die Durchschnittspreise liegen im Rahmen von 10 bis 20 Euro, bei Taschenbüchern oder sehr häufig angebotenen Titeln auch darunter. Ein erheblicher Teil des klassischen Antiquariatsbuchhandels, der sich etwa mit wertvollen Handschriften, alten Drucken, Atlanten, Reiseliteratur, buchkünstlerisch hochwertigen Einbänden, historischen naturwissenschaftlichen Ausgaben und Erstausgaben der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigt, findet jedoch nach wie vor außerhalb des Internets statt. „Klassischer Antiquariatsbuchhandel“ meint: oftmals alteingesessene Firmen, teilweise Familienunternehmen, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit mit einer starken kulturell geprägten Identität verbinden: Sie verstehen sich als „Auswähler“ und Bewahrer der Tradition. Es gibt lebendige, oft seit Jahrzehnten eingespielte Netzwerke zwischen Händlern, deutschen und ausländischen Privatsammlern und öffentlichen Bibliotheken. Hier war Internationalität bereits lange vor der Internet-Revolution eine Selbstverständlichkeit. Frankfurter Antiquariatsmesse: Plattform für das klassische Antiquariat. In diesem Sinne präsentiert sich auch der klassische Antiquariatsbuchhandel der Öffentlichkeit immer offensiver als innovativer und leistungsfähiger Branchenzweig. Als Königsweg hierfür betrachten viele Antiquare die deutschen und internationalen Fachmessen, wie zum Beispiel die Frankfurter Antiquariatsmesse. Sie sind das Schaufenster der Branche, zumal in Zeiten, in denen der Betrieb eines Ladenantiquariats in guter Innenstadtlage schwieriger geworden ist.

Die Frankfurter Antiquariatsmesse in der Frankfurter Buchmesse hat sich seit ihrer Premiere 2005 als internationaler Treffpunkt durchgesetzt. Damit steht sie neben der Stuttgarter Antiquariatsmesse, an der aber ausschließlich Mitgliedsfirmen des Verbands Deutscher Antiquare teilnehmen dürfen, und den Antiquariatsmessen in Leipzig, Berlin und Hamburg als herausragende Veranstaltung im Jahreskalender des Antiquariatsbuchhandels. Die Verbindung zur großen Frankfurter Buchmesse mit ihren mehr als 7000 Ausstellern und 286000 Besuchern wirkt dabei besonders anziehend. Wann sonst erreicht das Thema Buch eine so große Aufmerksamkeit in der Medienöffentlichkeit? Wo sonst finden Vertreter der Buchbranche aus dem europäischen Ausland oder aus Übersee so leicht den Weg zu antiquarischen Büchern? Gemeinsame Branchenpolitik statt getrennter Wege. In diesem Jahr steht ein Novum auf dem Programm der Frankfurter Antiquariatsmesse: Unter dem Titel „Vademecum Antiquariat 2008“ wird hier das erste gemeinsame Adressenverzeichnis der klassischen und der Online-Antiquariate vorgestellt. Darin finden Büchersammler, Bibliothekare und sonstige Interessierte die Kontaktdaten und Spezialgebiete von 470 Mitgliedsfirmen: Der überwiegende Teil der professionellen Antiquariate in Deutschland ist so zusammengefaßt.

Das „Vademecum Antiquariat“ ist nicht nur ein Nachschlagewerk, sondern auch branchenpolitisches Statement: Es ist das Ergebnis einer Kooperation der Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ) und des Verbands Deutscher Antiquare und somit ein Ausgangspunkt künftiger enger Kooperation der drei beteiligten Vereinigungen. Der Umbruch des Antiquariatsbuchhandels soll endgültig zum Aufbruch eines Branchenzweigs werden.


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