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13.10.07 / Eine unschickliche Verbindung / Berühmte Liebespaare: Herzog Albrecht III. von Bayern und Agnes Bernauer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-07 vom 13. Oktober 2007

Eine unschickliche Verbindung
Berühmte Liebespaare: Herzog Albrecht III. von Bayern und Agnes Bernauer
von E. Knorr-Anders

 Außen Wasser, innen Wein, laßt uns alle fröhlich sein.“ Jeder Gast eines mittelalterlichen „Badhauses“ kannte diesen Gassenhauerreim. Seit Beginn aller Bädergeschichte wurden Badeeinrichtungen in unmittelbarer Nähe von Heilquellen erbaut und dienten nicht nur der körperlichen Erfrischung, sondern vornehmlich der Lebensfreude. Badhäuser standen im Ruf „öffentliche Luststuben“ zu sein - was sie auch waren. Im Mittelalter, das gemeinhin als erotikfeindlich in Verruf steht, hätte kein Mensch gemeinschaftlich badende Männer und Frauen mit mißbilligenden Blicken bedacht. In aller Öffentlichkeit stattfindende Geselligkeitsbäder waren üblich. In den Bassins tafelte man an schwimmenden Tabletts, Blüten glitten aus den festlich geschmück-ten Locken, fielen ins Wasser, gesellten sich zu Wein- und Speiseresten.

  In solchem Ambiente lernte Herzog Albrecht III. von Bayern (1401-1460) die Augsburgerin Agnes Bernauer kennen: Zierlich, vornehm, eine Fremde in ihrer Umwelt. Er sah sie durch den Flur des Badhauses gehen und eilte ihr nach. „Warum so eilig?“ rief er ihr zu. Sie wandte sich um, antwortete zornig: „Wie könnt Ihr es wagen, mich anzusprechen! Ihr seid unschicklich bekleidet.“ Verdattert schlang er das Badetuch fester um den Leib. Die Schöne entschwand seinem Blick. Albrecht trat in den Baderaum zurück, zog eine Bedienerin zur Seite: „Wer war das Maderl, das ich draußen sah?“

  Die „Badhur“ grinste: „Agnes heißt sie und ist des Badmeisters Tochter. Sie darf nie zu uns kommen. Ihr Vater will, daß man sie für ’ne Ehrbare hält. Aber das nützt nichts. Ihr wißt doch ...“

 Albrecht wußte. Die Badmeisterei zählte zu den „verfemten Berufen“. Wer sie ausübte, fiel der Ächtung anheim. Jeder Kontakt wurde vermieden, man wechselte die Straßenseite, wenn man den „Verpönten“ begegnete. Das hing mit magischen, aus vorchristlichen Kulturen übernommenen Glaubensinhalten zusammen. Man fürchtete, mit diabolischen Geistern in Berührung zu geraten.

  Doch Albrecht suchte die Wiederbegegnung mit Agnes. Alljährlich fand im Februar ein Faschingsturnier in Augsburg statt. So auch 1428. Albrecht erkundschaftete, daß Agnes unter den Zuschauern sein werde. Im pelzverbrämten Mantel stand sie in der Schar Neugieriger am Eingang des Turnierplatzes. Er trat auf sie zu, berührte leicht ihren Handschuh. Die Umstehenden erkannten ihn, man machte Platz. So entstand eine Lücke um beide. Auch Agnes erkannte ihn. Er strahlte sie an: „Hochverehrtes Fräulein, wollt Ihr mich heute eines Blickes würdigen? Bin ich schicklich gekleidet?“ Unwillkürlich mußte sie lachen. „Wunderschön“, bestätigte sie. Er bot ihr den Arm. „Erlaubt, daß ich Euch zu Eurem Platz führe.“ Sie erblaßte. „Ich habe keinen Platz“, flüsterte sie. Gut hörbar für Lauscher antwortete er: „Aber ich.“ Er geleitete sie zu seinem Sitz. „Auf dem Herzogsstuhl hat sie gesessen!“ raunte es durch Augsburg. Eine sieben Jahre dauernde Liebe begann. Ihr Ende geriet zur Herzenstragödie. Daß Albrecht sein „Herzlieb“ mit nach Schloß Vohburg nahm und dort mit Agnes residierte, rief helle Begeisterung bei den Bürgern hervor, nicht jedoch beim Adel. Vorerst tröstete dieser sich: Das Baderstocher-Spektakel würde vorübergehen, wie so vieles im Leben vorübergeht. Doch es kam anders.

 Albrecht wollte Agnes heiraten - und tat es zum Jahreswechsel 1432/33. Die Ehe wurde heimlich geschlossen, war aber theologisch gültig. Schlimmer konnte es nicht kommen. Diese, den Hof in Entsetzen stürzende „Winkelehe“ stellte eine Schmähung des fürstlichen Hauses Wittelsbach dar und wurde als Gefahr für die Zukunft des Herzogtums bewertet: Nachkommen einer unstandesgemäßen Verbindung waren von der Thronfolge ausgeschlossen. Albrechts Vater, Herzog Ernst I. griff ein. Er hatte Anna von Braunschweig als Gemahlin seines Sohnes auserkoren; die Reputation Bayerns war ihm wichtiger als - aus seiner Sicht - irgendeine „Feuerliebe“, von der ohnehin niemand wußte, wie lange sie Loderkraft behielt. Bei Hof wurden Pläne geschmiedet, wie der Skandal zu beenden sei. Albrecht, Regent im niederbayerischen Landesteil des Herzogtums Bayern-München, bezog mit Agnes das Schloß in Straubing. In dieser friedvollen Region mit ihren dem Paar wohlgesonnenen Bürgern hofften sie unbehelligt leben zu können. Das war ein Trugschluß. Während einer Abwesenheit Albrechts schickte Herzog Ernst seine Schergen nach Straubing. Es war späte Nacht, als sie kamen. Die Wachen waren der Übermacht ausgeliefert. Ein Schurkenstück trieb dem Finale entgegen. Herzog Ernst ließ Agnes wegen „Schadenszauberei“ als Hexe erklären und am 12. Oktober 1435 in der Donau ertränken. Ihre Leiche wurde am Ufer gefunden ... 

 Auf kaiserlichen Rat versöhnten sich Vater und Sohn. Der Weg zur Heirat mit Anna von Braunschweig war frei. Frei war aber auch der Weg zur Legende der „Bernauerin“. Über ihrer Grabstätte ließ Herzog Ernst eine Kapelle errichten, die seitdem den Namen der Ertränkten trägt. Es mag ein Sühneakt gewesen sein; näher liegt die Annahme, die empörten Bayern zu beschwichtigen, einen drohenden Bürgerkrieg zu verhindern. Nicht lange, und die Kapelle wurde zur Pilgerkapelle. Namenszüge von Besuchern geben davon Kunde. Mit den alle vier Jahre zelebrierten „Agnes-Bernauer-Festspielen“ erweckt Straubing die Tote wieder zum Leben.


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