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13.10.07 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-07 vom 13. Oktober 2007

Fortentwickeln \ Warum Politiker alles so oft sagen müssen und warum man trotzdem ganz genau hinhören muß. Wie Geld herrenlos wird und man damit Geschenke macht.
Der Wochenrückblick
mit Klaus J. Groth

Also, eigentlich rechnen die politischen Wortführer nicht damit, daß ihnen irgendjemand zuhört. Das können sie auch nicht erwarten. Schließlich sind sie überwiegend nicht dumm, und so kann es selbst ihnen nicht entgehen, daß sie immer wieder das selbe - manchmal in Variationen abgewandelt das gleiche - sagen. Sie hören’s halt so gerne.

 Andererseits: Wir Leute von der Art, die die Politiker so gerne auflesen - sie sagen dann: „Man muß die Menschen mitnehmen“, als ob sie Außerirdischen gleich, wenn nicht gar göttlicher Natur, sich über uns Erdengewürm erbarmten - also, wir Menschen von dieser Art, sind den Wiederholungen deutlich zugeneigt. Will sagen: Erst wenn ein Satz häufig genug wiederholt wurde, nehmen wir ihn überhaupt zur Kenntnis. Die Werbung hat das herausgefunden und hämmert uns darum konsequent jeden Tag den gleichen Unsinn bis zur Bewußtlosigkeit ein.

 Erfolgreiche Politiker machen es ebenso - darum sind sie ja erfolgreich. Und darum haben sie kein Problem damit, einen Einfall so lange zu wiederholen, bis 1) niemand mehr an dessen Sinn zweifelt (mal abgesehen von der Opposition, aber die zweifelt schließlich aus Prinzip) und 2) niemand mehr etwas von der Sache hören möchte. Wenn es so weit gekommen ist - sagen erfolgreiche Politiker - ist eine Sache endlich „beschlußreif“.

Kurt Beck ist noch meilenweit davon entfernt, seine Abkehr von der sogenannten Agenda 2010 beschlußreif zu haben. Ohnehin weist er eine solche Absicht weit von sich. Nur an einer klitzekleinen Kleinigkeit solle ein wenig nachjustiert werden, versichert Kurt Beck treuherzig, nur eine klitzekleine Gerechtigkeitslücke möchte er schließen. Und sein Sprachrohr Hubertus Heil, vom Amts wegen Generalsekretär der SPD, beschwört geradezu, die Partei stehe unerschütterlich hinter der Agenda 2010, niemandem falle etwas anderes ein, nur an einem (klitzekleinen) Punkt möchte man sie fortentwickeln. So jedenfalls stand es zu lesen. Und da lohnt es sich dann doch, ab und zu genauer auf das zu hören, was Politiker so sagen. Dann nämlich muß man sich nicht wundern, wenn eines Tages von der gepriesenen Agenda 2010 nichts mehr geblieben ist, weil sie gründlich fortentwickelt wurde. Nichts anders hat Hubertus Heil schließlich gesagt: Man wolle die Agenda 2010 fortentwickeln. Und wenn sie genügend weit fortentwickelt wurde, dann - oh Wunder - ist plötzlich nichts mehr von ihr zu sehen. Fort ist sie. Niemand sollte dann noch sagen. Politiker stünden nicht zu ihrem Wort. Man muß nur genau hinhören.Also, beschlußreif ist diese Sache noch lange nicht. Aber wetten, daß wir Menschen von der Art, die von den Politikern mitgenommen werden müssen, am Ende ein Geschenk bekommen? Pausenlos bekommen wir Geschenke - und sind doch undankbar. Wenn uns gegen unseren - teilweise heftigen - Protest etwas fortgenommen wird (das ist die zeitlich geraffte Form von fortentwickeln), und wir nach einer Weile ein Teil davon mit großzügiger Geste zurück erhalten, dann spricht man politisch von einem Geschenk. Bekanntlich werden solche Gaben zu Wahlzeiten besonders gerne vergeben, aber versprochen werden sie schon viel früher. Zum Beispiel die Sache mit dem Soli. Immer, wenn sich der Tag der Deutschen Einheit jährt, rumort jemand, es sei an der Zeit, den Solidaritätsbeitrag, auch Soli genannt, abzuschaffen oder zumindest zu senken. Das macht sich gut und kostet nichts, denn spätestens wenn die Festtagsreden zur Einheit geredet worden sind, redet über den Soli niemand mehr. So war es auch in diesem Jahr, so wird es im nächsten sein - und vor dem nächsten Wahljahr brauchen wir erst gar nicht hinhören bei diesem Thema.

So ähnlich ist das auch mit der „Gerechtigkeitslücke“, die der Kurt Beck schließen möchte, indem er die Agenda 2010 fortentwickelt. Der Mann will doch nur Gutes! Er denkt darüber nach, wie er uns etwas schenken kann, was uns sein Genosse Schröder zuvor fort nahm. Darum möchte Beck eine Veränderung der Arbeitslosenversicherung, die zwar Versicherung heißt, aber in Wirklichkeit gar keine ist. Wir Deppen wußten das nur nicht. Wir dachten in unserer Einfalt, wenn wir nur lange genug einzahlen, dann sammelt sich genug an, um im Schadensfall auch eine längere Zeit für eine Auszahlung zu reichen. Das sei so ähnlich wie bei der Rente, dachten wir - und übersahen dabei, daß ja auch das schon seit einer Weile nicht mehr richtig funktioniert. Auf jeden Fall dürfen wir uns wohl demnächst auf ein Geschenk freuen …Egal, Geschenke sind immer willkommen. Auch wenn es eigentlich nur eine Rückschenkung ist. Alles wird teurer, nach Milch, Brot und Strom nun auch noch die Bußgelder für Autofahrer. Aber offenbar haben wir uns schon so sehr daran gewöhnt, daß uns ständig tiefer in die Tasche gefaßt wird, daß es auch dieses Mal ohne lautes Protestmurren abging. Die Gefahr, beim Drängeln auf der Autobahn erwischt zu werden, wird offenbar als äußerst gering eingeschätzt. Wer nicht erwischt wird, muß auch nicht zahlen. In Schleswig-Holstein beispielsweise ist der Polizei der Sprit ausgegangen, weil man sich im Innenministerium bei der Kalkulation des entsprechenden Haushaltsposten schlicht verrechnete: Man hatte die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht berechnet - ganz zu schweigen von der Steigerung der Spritpreise. Und da die Polizei überall gleich teuer tanken muß, ist es doch nicht verwunderlich, wenn sie sieht, daß sie zu mehr Geld kommt. Oder?

Wer nun meint, der Sprit für den Streifenwagen werde nicht aus dem Portemonnaie bezahlt, in das die Bußgelder wandern, der hat selbstverständlich vollkommen recht. Und übersieht doch gleichzeitig das Prinzip der kommunizierenden Röhren. Denn letztendlich kommt alles aus dem Portemonnaie des Steuerzahlers und Verbrauchers. Nur macht das Geld bei seiner Wanderung durch die einzelnen Haushalte und Etats eine seltsame Wandlung durch. Es wird offenbar zum anonymen, herrenlosen Gut, von niemandem erarbeitet, von niemandem erwirtschaftet, niemandem aus der Tasche gezogen. Oder wie darf man sich folgende Berechnung anders erklären? Der Flensburger Brauerei bewilligte das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium einen Zuschuß von 1,5 Millionen Euro, damit der Verschluß der „Beugelbuddel“ fortentwickelt werden kann. Als diese öffentliche Finanzierung dieser Fortentwicklung in die Kritik geriet, wies das Ministerium sie weit von sich: Das Geld stamme ausschließlich aus einem Förderprogramm der Europäischen Union. Na, wenn das so ist! Vorzugsweise von der EU kommt eben solch Geld, das von niemandem erarbeitet, von niemandem erwirtschaftet und offenbar niemandem aus der Tasche gezogen wurde. Ein Sprecher des Ministeriums: „Bund und Land müssen gar nichts dazuzahlen.“ Ja, wenn das so ist! Das ist eben das Fielmann-Förderprinzip: Und keinen Pfennig (heute Cent) dazubezahlt!

Blöd daran ist nur: Niemand zahlt so viel in die unergründlichen Töpfe der EU wie Deutschland. Und das nicht mit anonymem, herrenlosem Geld. Es wurde uns aus der Tasche gezogen, Cent für Cent, Euro für Euro. Gewissermaßen fortentwickelt wurde es, bis angeblich niemand mehr weiß, aus welcher Tasche es stammt. Aber es ist immer noch besser, unser gutes Geld sickert durch verschiedene Kanäle, als daß es einfach im Nichts verschwindet. 2,5 Prozent sind gegenwärtig pro Jahr futsch, einfach aufgelöst in der so genannten Teuerungsrate. Jedenfalls weist das die offizielle Statistik aus. Das zuständige Bundesamt errechnet diesen Wert, indem es prüft, was allerlei nützliche Dinge und auch allerlei Unnützes kostet. Auf eine mehr als doppelt so hohe Teuerungsrate, nämlich 5,2 Prozent, kamen Berechnungen, als all die unnützen Dinge, die kein Mensch täglich braucht, unberücksichtigt blieben. Wer regelmäßig einkaufen geht, der hat es längst geahnt: Die „gefühlte Inflation“ ist höher und liegt näher an der Wahrheit als die statistisch ermittelte.Und wenn sich nun noch die Lokführer zum Erfolg streiken, dann wird der jüngsten Fahrpreiserhöhung bald die nächste folgen. Übrigens: Manchmal ziehen auch wortgewaltige Politiker es vor, gar nichts zu sagen. Das spricht dann auch Bände. Allen fällt zu allem was ein, nur zum Streik der Lokführer nicht. Da nehmen uns die Politiker nicht mit, weil sie sich nicht einmischen dürften. Wegen der Tarifautonomie und so. Ja, ist denn die Deutsche Bahn schon privatisiert? Haben wir da etwas nicht mitbekommen? Offenbar ist die DB bereits weit fortentwickelt.(Hans Heckel hat eine Auszeit genommen, deswegen übernimmt Klaus J. Groth vertretungsweise den Wochenrückblick.)


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