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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-07 vom 20. Oktober 2007
Wie reimt sich Al Gore auf Frieden und Nobelpreis?
Unverständliche Entscheidung aus Oslo – Zwei deutsche Forscher vom »alten Schlag
der Wissenschaft« ausgezeichnet
von Klaus Apfelbaum
Wie sich die Buchstaben IPCC und der Name Al Gore auf Frieden und Nobelpreis
reimen, bleibt die große Preisfrage. Jedenfalls hat sich das Nobelpreis-Komitee
jetzt ganz dem politischen Wunschdenken verschrieben. IPCC und Gore haben je zur
Hälfte die meistbeachtete Auszeichnung der Welt erhalten – aber warum?
IPCC ist der Weltklimarat der Vereinten Nationen (Intergovernmental Panel on
Climate Change). Ein Gremium aus Wissenschaftlern wäre wie geschaffen, die
großen Fragen nach der Gefährdung der Erde durch den Menschen korrekt zu
beantworten. Aber diese Wissenschaftler sind gezielt für dieses „Panel“
ausgesucht worden, und die Schlußfolgerungen, die Klimaberichte an die Vereinten
Nationen also, werden von Politikern und Diplomaten formuliert. Das IPCC wird
also letztlich von jenen kontrolliert, die mit den Ängsten vor einem Klimawandel
Politik oder Geschäfte machen.
Dick im Geschäft ist Al Gore. Als Vizepräsident unter Bill Clinton war er noch
ein ausgewiesener Umweltpolitiker. Jetzt ist er als Bestseller-Autor mit Buch
und Film über „Eine unbequeme Wahrheit“ weltweit unterwegs. Sachkenner schätzen
seine Rednerhonorare als „sechstellig“ ein, egal ob Dollar oder Euro. Jetzt kann
Al Gore sich nach „Oscar“ und „Emmy“ auch noch mit dem Friedensnobelpreis
schmücken.
Man muß schon durch ganze Jahrzehnte blättern, um auf Friedensnobelpreisträger
zu stoßen, die die Auszeichnung ohne Wenn und Aber verdient hatten: Menschen,
die weltweit Vorbild durch ihre politischen Ideale oder ihren unbedingten
humanitären Einsatz waren: Nelson Mandela (1993) etwa, Mutter Teresa natürlich
(1979), Anwar el Sadat (1978), Martin Luther King (1964), Albert Schweitzer
(1952), der Arzt von Lambarene, und Henri Dunant (1901), der Gründer des Roten
Kreuzes.
Überwiegend hatte das Nobel-Komitee aber der Versuchung nicht widerstehen
können, mit Ehren- und Geldvergabe in den Lauf der Weltpolitik einzugreifen. Die
Zeichen, die das vom Parlament in Oslo bestimmte Fünfer-Gremium setzte, gelangen
selten – 1983 stärkte der Friedensnobelpreis an Lech Walesa die Gewerkschaft
„Solidarität“ und damit den Weg Polens in die demokratische Gesellschaft. Doch
die Fehlgriffe überwogen – das nahm seinen Anfang 1906 mit Theodore Roosevelt
und erreichte 1994 mit Jassir Arafat den bisherigen Tiefpunkt.
Früher hatte das Nobel-Komitee wenigstens den Mut, den Preis nicht zu vergeben,
wenn sich in einem Jahr kein preiswürdiger Kopf finden ließ. Jetzt, so scheint
es, sind internationale Organisationen auf das Preisgeld abonniert: 2005 traf es
die Internationale Atomenergie-Agentur unter Mohamed El Baradei – aber selbst
zwei vergangene Jahre haben nicht gereicht, um die Frage zu klären, warum der
Preis an ihn ausgereicht worden war. Dem IPCC und Al Gore wird es kaum anders
ergehen.
Für die Deutschen war die diesjährige Nobelpreis-Session eine erfreuliche aber
auch eine ernüchternde Erfahrung. Mit dem Chemiker Gerhard Ertl (71) und dem
Physiker Peter Grünberg (68), als Siebenjähriger aus Pilsen vertrieben, kam die
Wissenschaft aus Deutschland zu unerwarteter Anerkennung. Daß Politiker aller
Parteien sich selbst und ihren Einsatz für den Wissenschaftsstandort sofort nach
vorne lobten, darf nicht täuschen. Die Leistungen dieser Wissenschaftler liegen
ein Forscherleben zurück; sie waren zu einer Zeit im Wissenschaftssystem
großgeworden, als Spitzenleistungen an deutschen Hochschulen noch
selbstverständlich waren. Heute brauchen die Universitäten Nachhilfe durch
„Exzellenz-Initiativen“, wenn nicht schon zuvor die jungen Wissenschaftstalente
wegen der allmächtigen Forschungsbürokratie an weniger politisch reglementierte
Auslandshochschulen vertrieben worden sind.
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