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20.10.07 / Immer noch ein Rätsel / Ausrottung der Endometriose durch Prävention

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-07 vom 20. Oktober 2007

Immer noch ein Rätsel
Ausrottung der Endometriose durch Prävention
von Rosemarie Kappler

Drei Wochen im Monat lebte die junge Frau beschwerdefrei, die vierte Woche wurde für sie zur Hölle. Unterleibsschmerzen bis hin zur Ohnmacht machten ihr das Leben zur Qual. In seiner Ratlosigkeit entschloß sich der Wiener Mediziner Carl Freiherr von Rokitansky zur Operation. Was er fand, beschrieb er 1860: Der gesamte Bauchraum der Frau hatte sich in eine große Gebärmutterhöhle verwandelt. Die Schleimhaut, die normalerweise nur in der Gebärmutter vorhanden ist, ummantelte die Blase, den Darm und das Bauchfell. Diese Schleimhaut machte auch jene Zyklusschwankungen mit, die sich bei gesunden Frauen nur in der Gebärmutter abspielen.

Rund 150 Jahre später gibt die sogenannte Endometriose Medizinern immer noch Rätsel auf. Sie ist eine der häufigsten gynäkologischen Krankheiten, und es wird geschätzt, daß allein deutschlandweit 1,5 bis 2 Millionen Frauen betroffen sind. „Die Endometriose stellt nicht nur ein immenses menschliches, sondern auch gravierendes volkswirtschaftliches Problem dar, das im modernen Europa aufgrund des tradierten Frauenbildes in seiner Tragweite unterschätzt wird“, sagt Prof. Andreas Ebert, Leiter des Endometriose-Zentrums am Berliner Vivantes Humboldt-Klinikum. Beschwerden beginnen oft mit Bauchkrämpfen während der Regel. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie chronische Unterbauchschmerzen sind nicht ungewöhnlich. Auch kann Endometriose zu Unfruchtbarkeit führen, ohne daß Schmerzen auftreten. Obwohl die Erkrankung im weiblichen Beckenraum beginnt, weitet sie sich letztlich auch auf die Psyche aus. Der entstehende Leidensdruck beeinträchtigt viele Lebensbereiche. Häufige Krankschreibungen, anhaltende Arbeitsausfälle sowie starke Beeinträchtigungen der Lebensqualität insgesamt sind an der Tagesordnung. Weil die Symptome zu lange als Regelschmerzen mißgedeutet werden, vergehen oft viele Jahre, bis die Diagnose per Bauchspiegelung gestellt wird. Das hat Konsequenzen, denn: „Die Gefährdung entsteht in erster Linie aus der Verzögerung der Diagnosestellung und der inkonsequenten Behandlung der betroffenen Frauen. Es ist bekannt, daß ein langes Intervall zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose liegt. Daher entsteht häufig ein sehr hoher Leidensdruck“, weiß Doreen Jackisch, Leiterin der Beratungsstelle der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.

Durch den chronischen Verlauf der Erkrankung kommt es in vielen Fällen zu mehrfachen Operationen und in allen Fällen zu starken Schmerzen. Die Behandlung richtet sich nach dem Beschwerdebild und kombiniert in der Regel mehrere Maßnahmen. Die Schmerzbehandlung ist eine der Säulen, die schonende Entfernung des verstreuten wild wuchernden Gewebes die zweite. Da die Entstehung und das Wachstum der Endometriose hormonabhängig ist, wird zum Dritten versucht, durch Absenken und Entzug von Östrogenen das Gewebe „auszutrocknen“. Patientinnen werden dazu vorübergehend in einen Zustand künstlicher Wechseljahre versetzt. Die Endometriose zählt zwar zu den gutartigen Krankheiten. „Man geht aber davon aus, daß sie eine Erkrankung mit invasiven und metastasierenden Eigenschaften ist, die normalerweise nur bösartige Tumoren zeigen“, sagt Ebert. Seine Forderung: „Es muß klar werden, daß das Problem Endometriose ein gesamtgesellschaftliches ist, an dem alle Beteiligten als Partner auf das eine Ziel hinarbeiten sollten – die Ausrottung der Krankheit durch Prävention.“ Dazu müßten Politik und Krankenkassen alle vorhandenen Kräfte bündeln. Das bedeutet auch, Betroffenen den Zugang zu spezialisierten gynäkologischen Rehabilitationsmaßnahmen zu erleichtern, „möglichst zu einem früheren Zeitpunkt im Krankheitsgeschehen, um Fehlverarbeitung und Chronifizierung vorzubeugen“, meint Dr. Christiane Niehues, Chefärztin des Median Klinikum für Rahabilitation Bad Salzuflen.


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