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27.10.07 / Die Wende in Warschau / Kann Donald Tusk die Erwartungen erfüllen? – Viele offene Fragen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Die Wende in Warschau
Kann Donald Tusk die Erwartungen erfüllen? – Viele offene Fragen
von Klaus D. Voss

Es war die beste Wahl für Polen: Mit deutlichem Vorsprung hat Donald Tusk mit seiner liberalen Wählerplattform PO die Parlamentswahlen für sich entschieden. Damit sind die Tage der noch amtierenden Regierung unter Jaroslaw Kaczynski gezählt – dessen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) wurde deklassiert.

Die erste spannende Frage in Warschau ist, wie der Zwillingsbruder des bisherigen Ministerpräsidenten, Staatschef Lech Kaczynski, mit Tusk kooperieren wird. Der Staatschef muß den ersten Auftrag zur Regierungsbildung erteilen und könnte die Regierungsarbeit mit seinem Vetorecht behindern. Lech Kaczynski ist bis 2010 gewählt.

Außer Donald Tusk hat niemand eine realistische Chance, die Regierungsmehrheit zusammenzubringen. Der PO-Fraktion fehlt nur eine Handvoll Sitze zur absoluten Mehrheit, vermutlich wird Tusk mit der Bauernpartei PSL eine Koalition vereinbaren. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, daß Überläufer aus der PiS-Fraktion die Reihen der Bürgerplattform auffüllen können.

In den masurischen Wahlkreisen hat die PO überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Die deutsche Bevölkerungsgruppe wird nur noch von einem Abgeordneten im Sejm vertreten, durch Ryszard Galla aus Oppeln. (Eine genaue Auswertung der Wahlen Seite 7.)

Große Erwartungen verbinden sich mit dem künftigen Kurs einer Tusk-Regierung – zu Recht? Der 50jährige Danziger gilt als umgänglich, weltoffen und läßt erkennen, daß ihm an einem unbelasteten  Verhältnis zum Nachbarn Deutschland gelegen ist.

Tusk nimmt Maß an Spanien und vor allem an Irland, das mit seinem Wirtschaftswachstum in Europa die anderen Staaten überflügelt. Eines wird aber übersehen: In diesen Staaten treffen Investoren ganz überwiegend auf rechtlich klare Verhältnisse. In Polen verweigerten Regierung und Behörden bisher die Mitwirkung an der Klärung von offenen Rechtsfragen – vor allem was die Eigentumsansprüche aus Deutschland angeht. Es ist kaum anzunehmen, daß eine Regierung unter Tusk hier eine Abkehr von der bisherigen politischen Linie Polens einleiten wird. Die Lehre aus der deutschen Wiedervereinigung ist aber, daß offene Vermögensfragen eines der größten Hemmnisse für nachhaltige Investitionen sind.

Zugleich muß Tusk beachten, daß die Gefolgschaft der PiS nicht kleiner geworden ist. Die Kaczynski-Partei, nicht zuletzt mobilisiert durch antideutsche Parolen, kann sich auf ein stabiles Stimmenfundament stützen. Der Wahlerfolg der Bürgerplattform PO ist auf eine spontane Wählerreaktion in den Städten zurückzuführen, ablesbar an der für Polen unerwartet hohen Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent. Ob die PO sich damit eine stabile Basis gesichert hat, ist eher unwahrscheinlich.

Realisten erwarten, daß Tusk gerade seine Wählerschaft mit sehr unpopulären Einschnitten konfrontieren muß. Auch wird er das Versprechen, die extremen Unterschiede bei den Einkommen auszugleichen, nicht einhalten können.

Die Wahl in Polen ist übrigens eine Niederlage für die Demoskopen, die diesen Wahlausgang nicht erkannt hatten. Weder die Wahlbereitschaft noch die Stimmung im Land hatten die Meinungsforscher auch nur annähernd richtig erfaßt.


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