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27.10.07 / Eine Villa am Baikalsee / Burjatischer Präsident schlägt Grundstücksversteigerung zur privaten Nutzung vor – Sibirien als Touristenmagnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Eine Villa am Baikalsee
Burjatischer Präsident schlägt Grundstücksversteigerung zur privaten Nutzung vor – Sibirien als Touristenmagnet
von Manuela Rosenthal-Kappi

Der Traum von einer Reise an den Baikalsee ist für die meisten Deutschen unerfüllbar, liegt der See in Sibirien doch rund 7500 Kilometer Luftlinie von Deutschland entfernt. Selbst von Moskau beträgt die Entfernung noch 5519 Kilometer. Beinah unmöglich erscheint die Vorstellung, gar ein Haus am Baikalsee zu bauen. Doch genau diese Idee hat kürzlich der burjatische Präsident Wjatscheslaw Nagowizyn seiner Regierung vorgeschlagen. Per Versteigerung plant er Grundstücke am nördlichen Ufer des Baikalsees nebst Nutzungsrechten an private Bieter zu veräußern. Es handelt sich dabei um Grundstücke, die außerhalb der speziell bezeichneten, staatlich geförderten „besonderen Touristenzonen“ liegen. Da jährlich etwa eine Million Touristen den Baikalsee besuchen, sieht der Präsident hier eine zukünftige Einnahmequelle für das dünn besiedelte Land.

Auf dem Territorium der zur Russischen Föderation gehörenden Republik Burjatien erstreckt sich der größte Teil des Sees mit rund 60 Prozent seiner Uferlinie. Burjatien bemüht sich seit Jahren um einen Ausbau des Tourismus, weil hierin die beste Möglichkeit zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes gesehen wird. So entsteht zur Zeit der „Great Baikal Trail“, ein um den Baikalsee führender Fernwanderweg. Da die Wassertemperatur selbst im Juli und August kaum über zehn Grad Celsius steigt, ist der See nicht badetauglich. Von Mitte November bis Anfang Mai ist er komplett zugefroren, so daß er als Straße – und für die zahlreichen Inseln im See oft auch als einzige Verbindung zu den Städten und Dörfern – dient. Neuerdings haben wohlhabende Russen ein aufregendes Freizeitvergnügen entdeckt: Sie lassen sich mit von Autos gezogenen Schlitten über die Eisfläche ziehen.

Die malerische Natur der Landschaft lockt viele Künstler an den Baikalsee, doch auch das Volk der Burjaten mit seiner Kultur, die bedeutende Denkmäler erhalten hat, zieht Touristen an. Daß die burjatische Regierung sich dieses Interesse zunutze machen will, ist verständlich. So hat sie in den vergangenen Jahren gesetzliche Grundlagen geschaffen, um einen großen und modernen touristischen Komplex entstehen zu lassen. Das Land soll in zehn eigenständige Touristenzentren aufgeteilt werden, zu denen der nördliche Baikal sowie die Hauptstadt Ulan Ude und andere Orte zählen. Bis 2010 soll hier der Tourismus boomen.

Doch was des einen Freud, ist des anderen Leid. Schon heute berichtet Greenpeace von Verschmutzungen durch Schiffe, von unkontrolliert eingeleiteten Abwässern durch Industriebetriebe und Siedlungen, die über die Flüsse in den Baikalsee gelangen. Insgesamt leben in Burjatien nur 979400 Einwohner, von denen 60 Prozent in Städten leben. Es herrscht strenges Kontinentalklima mit Durchschnittstemperaturen von Minus 22 Grad Celsius im Winter und 18,5 Grad Celsius im Sommer. Bis in die 1980er Jahre war Burjatien für Ausländer nicht zugänglich. In der Sowjetära entwickelten sich verschiedene Wirtschaftszweige. Es wurden Fabriken für den Flugzeug- und Maschinenbau, für die Energiegewinnung, den Kohleabbau, für die Holzverarbeitung und andere Industriezweige gebaut. Zwar gibt es in Sibirien, das mehr als die Hälfte des russischen Territoriums ausmacht, die meisten Bodenschätze – Öl, Gas, Diamanten –, jedoch ist ihre Ausschöpfung aufgrund der unzugänglichen Landschaft äußerst schwierig.

Durch die Abholzung der Wälder und Zellulosefabriken bei Selenginsk und Baikalsk, durch exzessive Fischerei sowie die Transsibirische Eisenbahn im Süden und die Baikal-Amur-Magistrale im Norden ist das natürliche Gleichgewicht des Baikalsees bedroht. Weitere Probleme entstehen durch die zunehmende Besiedlung mit Datschen der neuen Oligarchen. In Irkutsk und Ulan Ude entstanden wichtige Flugplätze.

Als Maßnahme gegen die Zerstörung der einzigartigen Flora und Fauna wurden vielerorts Naturschutzgebiete und Nationalparks eingerichtet. Zwei Drittel der insgesamt 2500 Tier- und Pflanzenarten in der Baikalregion sind endemisch, das heißt, sie kommen ausschließlich dort vor.

Der Baikalsee, dessen Wasser als das sauberste der Welt gilt, erhält seinen extrem hohen Reinheitsgrad durch winzige Flohkrebse, die alle organischen Abfälle sofort aufnehmen. In dem zwei Millionen Hektar großen Nationalpark sind Luchse, Bären, Hirsche und Wölfe zu Hause.

Der Baikalsee ist der tiefste See der Welt mit 1637 Metern an seiner tiefsten Stelle. Auch heute noch ist er das größte Trinkwasserreservoir der Welt. Sein Wasserspiegel mißt eine Fläche von 31000 Quadratmetern. 1996 wurde der Baikalsee zum Unesco-Weltnaturerbe erklärt. Im vergangenen Jahr mußte der Ölkonzern „Transneft“ auf Druck von Umweltschützern die Route einer im Bau befindlichen Pipeline verlegen, um das geschützte Gewässer nicht einer möglichen Umweltkatastrophe auszusetzen.

Inwieweit die burjatischen Behörden es schaffen werden, einen umweltverträglichen Tourismus mit der Ansiedlung anlagefreudiger Käufer zu vereinbaren, bleibt abzuwarten. Der Welt größter Trinkwasservorrat steht auf dem Spiel.

Foto: Kaltes Naturparadies: Die malerische Landschaft lockt schon jetzt Touristen an.


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