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27.10.07 / Die Angst vor der Verantwortung / Wie die Lust an Gemeinsamkeit verlorengeht / Das bleibt in der Familie (Folge I)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Die Angst vor der Verantwortung
Wie die Lust an Gemeinsamkeit verlorengeht / Das bleibt in der Familie (Folge I)
von Klaus Groth

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ So steht es schlicht und eindeutig in Artikel 6 des Grundgesetzes. Die Verfasser des Grundgesetzes machten keine Ausnahme. Wozu auch. Als das Grundgesetz verabschiedet wurde, da war die Familie eine ziemlich eindeutige Sache: Mutter und Vater verheiratet, mehrere Kinder. Heute ist unter dem Begriff „Familie“ so viel Platz wie niemals zuvor. Patchwork-Familie? Die Väter des Grundgesetzes hätten verständnislos mit den Achseln gezuckt. Homo-Ehe – mit Adoptionswunsch?

Seit das Grundgesetz im Mai 1949 erlassen wurde, hat sich die Welt gründlich geändert. Auch in Sachen Familie scheint inzwischen zu gelten: Nichts ist unmöglich. Jeder soll nach seiner Façon selig werden – war das so gemeint?

Doch wozu die Aufregung? Der Zeitgeist kommt, der Zeitgeist geht. Und hinterher kann niemand so recht begreifen, warum das alles so gewesen ist. Mit der Familie wird das nicht anders sein.

Gegenwärtig hat die Familie einen schweren Stand. Jedenfalls die traditionelle Familie. Jede Menge alternativer Modelle der Partnerschaft und Kinderbetreuung werden getestet und gepriesen, dagegen scheint das herkömmliche Familienmodell ein alter, abgetragener Hut.

Doch Vorsicht, nicht immer paßt zusammen, was gesagt wird und was gedacht wird. Keiner Institution bringen die Deutschen so viel Vertrauen entgegen wie der Familie. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid gaben nahezu 100 Prozent der Interviewten an, sie vertrauten niemandem so sehr wie der Familie. An zweiter Stelle rangierten die Freunde, und ganz am Ende der 17 Positionen umfassenden Skala standen die Bundesregierung, Großunternehmen und, wen wundert es, Fremde.

Andererseits ist das Bild der Familie, dieses Horts des Vertrauens, in der öffentlichen Wahrnehmung diffus geworden. Der Begriff der Familie bröckelt nicht nur an den Rändern, sondern scheint im Kern morsch geworden zu sein. Jedenfalls, wenn man die klassische Zuordnung der Aufgaben innerhalb der Familie zu Grunde legt. Als das Institut für Demoskopie Allensbach im März dieses Jahres eine Untersuchung zum Thema „Zeitgeist“ vorlegte, mußte zur Kenntnis genommen werden, wie viel Mut offenbar mittlerweile dazu gehört, sich zur Familie im herkömmlichen Sinne zu bekennen. Ins Vokabular der gesellschaftlichen Sprachregelung gehört sie augenscheinlich nicht.

Allensbach hatte die Frage gestellt: „Unabhängig davon, welche Meinung man selbst hat, gibt es ja Aussagen, die sollte niemand öffentlich sagen, und es gibt Aussagen, die sollte jeder äußern können, der diese Meinung hat. Wenn Sie die Aussage hören ‚Mütter gehören nach Hause zu ihren Kindern und nicht in den Beruf‘, finden Sie es in Ordnung, wenn jemand so etwas sagt, oder darf man das nicht sagen?“ Die Frage war also nicht, ob man diese Ansicht teile oder nicht, ob diese Ansicht berechtigt oder unberechtigt sei. Gefragt war allein, ob jemand diese Ansicht äußern dürfe.

Im Sinne einer offenen Diskussion hätte eine eindeutige Bejahung erwartet werden dürfen. Der Zeitgeist aber gibt etwas anderes vor. Lediglich 25 Prozent vertraten die Ansicht, einen derartigen Standpunkt zu vertreten müsse erlaubt sein. 56 Prozent hingegen waren der Ansicht: „Das darf man nicht sagen.“

Eine freie Diskussion ist nicht möglich, wenn der Zeitgeist bestimmte Themen mit Tabus belegt. Im Sinne der Politischen Korrektheit fallen immer mehr Begriffe unter ein derartiges Tabu. In dem gleichen Maße, in dem der Begriff der Familie zunehmend in die Diskussion gerät, werden diese Tabus von den Gesinnungspolizisten eingefordert.

Das Phänomen der durch den Zeitgeist beschränkten öffentlichen Diskussion ist keineswegs neu oder eine Folge der wabernden Politischen Korrektheit. Bereits Johann Wolfgang von Goethe hat sich mit diesem Übel auseinandergesetzt. Seine Erkenntnis formulierte er so: „Wenn eine Seite nun besonders hervortritt, sich der Menge bemächtigt und in dem Grade triumphiert, daß die entgegengesetzte sich in die Enge zurückziehen und für den Augenblick im Stillen verbergen muß, so nennt man jenes Übergewicht den Zeitgeist, der dann auch eine Zeitlang sein Wesen treibt.“

Das Phänomen ist gleich geblieben. Gewechselt haben die Themen, derer sich der Zeitgeist bemächtigt. Augenblicklich hat er die Familie mächtig am Scharwickel. Seit den frühen 60er Jahren befindet sich das traditionelle Familienbild in Deutschland im permanenten Sinkflug, verkam es für manchen zum Zerrbild. Viele haben daran mitgearbeitet. Die Gründe dafür sind so unterschiedlich wie vielfältig. Ideologische Kampagnen und egoistische Motive vereinten sich zum Niedergang der Familie.

• Die Einführung der Antibabypille machte es den Frauen möglich, die Zahl ihrer Kinder bewußt zu planen und zu bestimmen.

• Wachsende soziale Ansprüche führten zur Auflösung des Ein-Verdiener-Haushalts.

• Die zunehmende berufliche Qualifizierung junger Frauen weckte den Wunsch nach einer alternativen Lebensplanung.

• Die feministische Bewegung nutzte diese berechtigten Wünsche für ihre Ziele.

• Abtreibungskampagnen unter dem Schlachtruf „Mein Bauch gehört mir“ machten die ungewollte Schwangerschaft für alles Elend der Frauen verantwortlich. Das Töten des ungeborenen Lebens wurde gesellschaftsfähig, spätestens nachdem die Zeitschrift „Stern“ eine Titelseite mit den Porträts prominenter Frauen füllen konnte, die bekannten: „Ich habe abgetrieben“.

• Die Anhänger einer Multikulti-Gesellschaft, denen ohnehin jeder traditionelle Verbund als verdächtig gilt, förderten die Auflösung der Familie nach Kräften, frei nach dem Motto: Wenn keine Kinder geboren werden, löst sich das Volk ohnehin endlich auf.

Sie sind ihrem Ziel schon ziemlich nahe gekommen. Nach einer Faustformel der Bevölkerungswissenschaftler sind pro Paar 2,2 bis 2,3 Kinder notwendig, um den Bestand des Volkes zu sichern. Gegenwärtig erreicht kein europäisches Land diesen Wert, nicht einmal die Franzosen, die die höchste Geburtenrate in Europa aufweisen können. In Deutschland errechnet die Statistik 1,34 Kinder pro Frau, also rechnerisch ein Kind zu wenig.

Macht nichts, trösten die Multikulti-Jünger, das füllen wir mit Migranten auf. Und das klappt bereits auf bemerkenswerte Weise. 19 Prozent der Bevölkerung Deutschlands sind gegenwärtig Migranten und Ausländer. Auf diese 19 Prozent kamen 2005 bemerkenswerte 35 Prozent der Geburten. Bleibt es bei diesem Verhältnis, dann kommen schon 2025 auf 100 Geburten 65 Babys, deren Eltern einen „Migrationshintergrund“ haben oder Ausländer sind. Bereits heute läßt sich ausrechnen, wann die Deutschen ausgestorben sein werden. Da tröstet es wenig, daß es bei den europäischen Nachbarn kaum besser aussieht.

Für die Endphase einer jeden Hochkultur gibt es bisher ein gemeinsames Anzeichen: das „Carpe Diem“ – Genieße den Tag. Wenn das Ich über die Verpflichtung für die Gemeinschaft gestellt wird, beginnt sich die Gemeinschaft aufzulösen.

„Ich und meine Familie“ hieß eine Zeitschrift, die vor etlichen Jahren auf den Kassen eines jeden Supermarktes angeboten wurde. Sie ist von den Kassen verschwunden. Der Titel ist offenbar nicht mehr zeitgemäß. Vielleicht hätte das Blatt mehr Aussichten auf Erfolg, wenn es nur noch schlicht „Ich“ hieße.

Eine Familie zu gründen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. In erster Linie den Kindern gegenüber, aber auch gegenüber der Gemeinschaft.

Doch die Familie als kleinste Gemeinschaft der großen Gemeinschaft, dieser Gedanke ist verlorengegangen. Er scheint ebenso wenig zeitgemäß wie der Gedanke, mit der Gründung einer Familie Verantwortung für andere zu übernehmen.

Diese Verantwortung scheinen Männer noch mehr zu scheuen als die Frauen, um die sich die gegenwärtige politische Diskussion vordergründig dreht. Denn es sind weniger die Frauen als vielmehr die Männer, denen der Wunsch nach Kindern abhanden kam. Nach einer Untersuchung möchte jeder zweite Mann unter 40 kein Kind zeugen, bei den Frauen in der gleichen Altersgruppe sind es 25 Prozent. Das sind auch nicht wenige, aber immerhin nur die Hälfte der männlichen Verweigerer.

Eine Familie zu gründen erfordert Lebensmut und Vertrauen in die Zukunft. Beides scheint den Männern in erheblichem Maße abhanden gekommen zu sein.

In der nächsten Folge lesen Sie: Vorzeige-Familie oder Auslaufmodell? / Solistin mit Kind

 

Familienmenschen

Johann Heinrich Pestalozzi (* 12. Januar 1746 in Zürich; † 17. Februar 1827 in Brugg). Pestalozzi sah es als seine Aufgabe an, „den Menschen zu stärken“, um ihn in die Lage zu versetzen, „sich selbst helfen zu können“. Gegen den Willen seiner Schwiegereltern heiratete Pestalozzi im September 1769 Anna Schulthess. Zwei Jahre später nahm das Paar 1771 auf dem Landgut Neuhof 40 Kinder in seine Obhut. Dort verbanden die Pestlozzis industrielle Tätigkeit (Spinnen und Weben) mit Schulunterricht und sittlicher Erziehung. Der Pädagoge wußte, daß es trotz größter Anstrengung nicht möglich sein würde, die Eltern zu ersetzen: „Wenn die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gelingen soll, so müssen ihm  seine Eltern Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit schenken.“

Clara Josephine Schumann (* 13. September 1819 in Leipzig; † 20. Mai 1896 in Frankfurt am Main; geborene Wieck), Pianistin und Komponistin. Verheiratet mit Robert Schumann. Ihren späteren Ehemann lernte sie bereits kennen, als sie noch ein Kind war. Da der mittellose Schumann als Schwiegersohn unerwünscht war und sich Claras Vater gegen die Verbindung sträubte, reichten Robert und Clara im September 1839 beim Gericht in Leipzig Klage ein mit dem Antrag, entweder Vater Wieck zu verpflichten, der geplanten Ehe zuzustimmen, oder die Zustimmung von Amts wegen zu erteilen. Letzteres geschah am 1. August 1840. Bereits am

12. September heiratete das Paar. Der eheliche Alltag bedeutete für Clara Schumann bald Einschränkung. Auf Bitte ihres Mannes reduzierte sie ihre Klavierübungen – damit sich Robert auf das Komponieren konzentrieren konnte. Zudem drängte Robert Schumann seine Frau, mit dem gleichen Ausdruck zu komponieren wie er. Bei einem 1841 gemeinsam veröffentlichten Liederzyklus konnten selbst Fachleute nicht mehr unterscheiden, welcher Beitrag von ihr und welcher von ihm stammte. Zwischen 1841 und 1854 brachte Clara Schumann sieben Kinder zur Welt. Zwar halfen Ammen und Kindermädchen, aber an Konzertreisen war nicht mehr zu denken. Nach dem Tod Robert Schumanns 1856 nahm sie ihre Tätigkeit wieder auf. Fünf ihrer Kinder gab sie außer Haus, nur die jüngsten, Eugenie (1851 geboren) und Felix (1854 geboren), blieben schließlich bei ihr.

Konrad Hermann Joseph Adenauer

(* 5. Januar 1876 in Köln; † 19. April 1967 in Rhöndorf) zählte zu den 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rates, der 1948 das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, beschloß. Als Präsident des Rates unterzeichnete er am 23. Mai 1949 das Grundgesetz. In 146 Artikeln legt es die rechtmäßigen Grundlagen für die Bundesrepublik Deutschland fest. Kennzeichnend für das Denken der Mütter und Väter des Grundgesetzes ist die Tatsache, daß die Grundlagen für den Schutz der Familie bereits in Artikel 6 festgelegt wurden – nachdem zuvor allgemeine Menschenrechte angesprochen worden waren. Der Schutz der Familie war folglich vorrangiges Anliegen des Staates. Im Grundgesetz bereits werden unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zuerkannt wie ehelichen Kindern.

Foto: Bäuerliche Großfamilie 1937 beim Abendbrot: Heute hat die Durchschnittsfamilie höchstens zwei Kinder.


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