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27.10.07 / Auf »heiligen Spuren« durch die Mitte Deutschlands / Elisabeths Lebensgeschichte verbindet Thüringen mit Hessen und Sachsen-Anhalt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Auf »heiligen Spuren« durch die Mitte Deutschlands
Elisabeths Lebensgeschichte verbindet Thüringen mit Hessen und Sachsen-Anhalt
von Cornelia Höhling

Skandal auf der Neuenburg. Übermächtig thront das Schloß hoch über dem Winzerstädtchen Freyburg an der Unstrut. „Hier hat die ungarische Königstochter Elisabeth (1207–1231) einen Bettler, krank und aussätzig, ins landgräfliche Bett gelegt“, erzählt Jörg Peukert. Die Schwiegermutter habe dies entsetzt ihrem Sohn hinterbracht. Aber Ludwig IV. (1200-1227) erkannte in dem Bettler auf seinem Ehelager den Gekreuzigten. „Die Legende gehört zu den im Verfahren der Heiligsprechung Elisabeths von Thüringen bezeugten und beeideten Wundern“, erklärt der Museumsleiter. Er ist stolz, daß die weniger bekannte, aber dreimal so große Schwesterburg der Wartburg zu den historischen Lebensstationen der Heiligen zählt.

Wer sich in diesem Jahr auf den Weg in die Mitte Deutschlands macht, kommt nicht umhin, sich mit dieser bedeutenden Frauenpersönlichkeit zu beschäftigen. Der vor 800 Jahren Geborenen sind diverse Ausstellungen und Veranstaltungen gewidmet. Mit über 400 Exponaten und Leihgaben aus 17 Ländern ist die Landesausstellung in der Wartburg die bedeutendste. Hier hatte Elisabeth im Alter von vier Jahren als Verlobte des künftigen Thüringer Landesherren Einzug gehalten.

Ihr kurzes provokantes Leben an der Spitze eines der angesehensten und mächtigsten Fürstenhöfe des damaligen deutschen Reiches liest sich gleichermaßen wie ein Krimi und ein Liebesdrama. Neben authentischen Lebensorten gibt es zahlreiche Kultstätten ihrer Verehrung, die alle eine Reise wert sind. Man begegnet ihr in der Pracht der Burgen und im Elend von Hospitälern. Sie verbirgt sich auf Kirchenfenstern, beeindruckt als Statue und Wandgemälde oder nähert sich gar mit zarten Melodien – zumindest denen, die das ihr gewidmete Musical im Theater von Eisenach am Fuße der Wartburg besuchen.

Elisabeths Spuren verbinden die lieblichen Landschaften von drei heutigen Bundesländern. Denn das Herrschaftsgebiet der Thüringer Landgrafen reichte vom hessischen Marburg über das waldreiche Lahntal im Westen bis ins heutige Sachsen-Anhalt. „Für 1224 und 1225 ist Elisabeths Anwesenheit auf der Neuenburg, die als östlichster Vorposten Thüringens galt, urkundlich belegt“, sagt Peukert.

Authentisch sei die romanische Doppelkapelle von 1170, in der die tief religiöse Landgräfin gebetet haben muß. Der Blick aus dem Fenster der Oberkapelle, die schon im 15. Jahrhundert St. Elisabeth geweiht war, trifft heute wie damals auf idyllische Weinberge. Daß Elisabeth bereits unmittelbar nach ihrer Heiligsprechung verehrt wurde, zeigt die um 1240 geschaffene Skulptur im rund zehn Kilometer entfernten Naumburger Dom an der „Straße der Romanik“.

Beim Rundgang durch die Neuenburg darf der „Sprachkammer“ genannte und seinerzeit supermoderne Latrinenerker am romanischen Wohnturm nicht fehlen. Peukert erinnert an den „Sängerkrieg auf der Wartburg“, nicht, ohne eine Passage des Eneasromans im Original zu rezitieren.

Der Minnesänger Heinrich von Veldeke hatte diesen ersten höfisch-ritterlichen Versepos in mittelhochdeutscher Sprache auf der Neuenburg vollendet. Der Thüringer Hof förderte die Kunst der Minne.

Holzpferde und Ritterrüstungen in der „Kinderkemenate“ begeistern indes die jungen Besucher und stellen den Bezug zur Jetztzeit her.

Die Elisabethkemenate ist im Turmhaus der zwölf Kilometer von der Wartburg entfernten Creuzburg zu besichtigen. Hier brachte sie ihren Sohn Hermann II. (1222–1241) zur Welt, der die Burg später zu seiner Residenz erwählte. Die steinerne Brücke, die mit sieben Bögen die Werra überspannt, ließ Ludwig IV. errichten, um schneller an dem beliebten Rückzugsort der jungen Familie zu sein. Sie gilt heute als die älteste Natursteinbrücke nördlich des Mains, während der Fluß bei Aktivurlaubern als Wasserwanderstraße beliebt ist. Die Wände der 1499 erbauten Liboriuskapelle zieren Szenen aus Elisabeths Leben.

In Schmalkalden, der südlichsten Besitzung der Thüringer Landgrafen, fand nachweislich der herzzerreißende Abschied Elisabeths von ihrem Gemahl statt. Er brach 1227 zu einem Kreuzzug auf, von dem er nicht zurückkehren sollte. Das Gewölbe ihres dortigen Vogtsitzes hatten sie mit der Darstellung des Heldenepos vom Artusritter Iwein ausschmücken lassen, das Hartmann von Aue um 1200 als „Bestseller“ der Minneverehrung geschrieben hatte. Eine 3-D-Animation bereitet Besucher auf die Besichtigung der 1:1-Kopie dieser im deutschsprachigen Raum ältesten erhaltenen profanen Wandmalerei nördlich der Alpen in der Wilhelmsburg vor. Es ist nicht das einzige Kleinod, das die mittelalterliche Stadt birgt.

Vor Schmerz und nicht zuletzt unter dem Druck ihres zwielichtigen Beichtvaters, des Kreuzzugspredigers, erbarmungslosen Inquisitors und Hexenrichters Konrad von Marburg, entsagte die junge Witwe allem Weltlichen, auch ihren drei Kindern. Sie widmete sich in dem von ihr gegründeten Hospital in Marburg den Kranken und Armen, bis sie vor körperlicher Erschöpfung erst 24jährig selbst den Tod fand.

Gelegentlich hatte Elisabeth Wallfahrten nach Erfurt unternommen. Von Westen kommend, muß sie dabei das Brühler Tor passiert haben und auf der Via Reggia die Marktstraße entlanggegangen sein – ein Weg, der sich nachvollziehen läßt. 1235 fand im Marien-Dom der Stadt die Proklamation der nur vier Jahre nach ihrem Tod erfolgten Heiligsprechung statt. Das Duplikat der Urkunde ist ausgestellt. Wandmalereien mit Szenen aus ihrem Leben sind im Nikolaiturm der Landeshauptstadt Thüringens erhalten.

Auch im wahrsten Sinne des Wortes läßt es sich heute auf Elisabeths Spuren wandeln. 2007 wurde ein neuer Elisabethpfad über 185 Kilometer von Eisenach nach Marburg zu Elisabeths Grabeskirche, der ältesten gotischen Kirche auf deutschem Boden, eingeweiht.


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