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03.11.07 / Wer ist das Volk? / Die Linke, SPD und Grüne fordern das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-07 vom 03. November 2007

Wer ist das Volk?
Die Linke, SPD und Grüne fordern das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer
von Paul Holland

Petra Pau will es. Die Grünen wollen es schon lange. Und die SPD will es in ihrem soeben verabschiedeten Hamburger Programm auch: Das Kommunalwahlrecht für Ausländer, die nicht Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, steht in Berlin wieder auf der politischen Tagesordnung. Die Debatte, bei der unter dem Schlagwort „Integration“ handfeste parteipolitische Interessen mitspielen, rührt an das Fundament unserer Demokratie: Wer ist das Volk, wer ist der Souverän dieser Republik?

Konzertierte Vorstöße von links ließen in den vergangenen Wochen den Umriß einer kommenden rot-rot-grünen Koalition erkennen. Am Mittwoch vor dem SPD-Parteitag, auf dem die Delegierten das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer in das neue Grundsatzprogramm aufnahmen, hatte die SED-PDS-„Linkspartei“ einen Antrag in den Bundestag eingebracht, zwei Wochen zuvor die Grünen-Fraktion.

Das kommunale Ausländerwahlrecht sei ein „Beitrag zur Integration“, hatte die stellvertretende Vorsitzende der „Linksfraktion“ Petra Pau der „Berliner Zeitung“ erklärt. Wer ein „langes Aufenthaltsrecht“ habe, solle aktiv und passiv an Wahlen teilnehmen können; zunächst auf kommunaler Ebene, später auch an Landtags- und Bundestagswahlen. Das sei ein weiterer Beitrag zur „Demokratisierung unserer Gesellschaft“, behauptet Pau.

Das Wort hat freilich in der kommunistischen Tradition seinen eigenen Klang; man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß es dabei ganz parteiegoistisch auch um die Erschließung neuer Wählerschichten geht. Die Erinnerung an die rot-grüne Koalition, die zumindest ihre zweite Regierungsperiode vor fünf Jahren nicht zuletzt den zuvor großzügig eingebürgerten türkischen Wählern verdankte, drängt sich geradezu auf.

Der Zeitpunkt für den Vorstoß der Linksextremen war jedenfalls gut gewählt. Pau und Kollegen sehen sich im Einklang mit einem breiten Unterstützer-Umfeld aus Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden der Einwanderungslobby wie dem Deutschen Caritas-Verband, der bereits seit langem das kommunale Wahlrecht für alle Ausländer fordert, die seit fünf Jahren rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland leben. Pau formuliert fast gleichlautend.

Auch Teile von Union und FDP sind dem Vorhaben nicht abgeneigt; bei den Liberalen steht schon seit zehn Jahren etwas schwammig im Grundsatzprogramm, das kommunale Wahlrecht solle an der „Gemeindezugehörigkeit“ statt an der Staatsangehörigkeit ausgerichtet werden. Die „Linke“ kann zudem die prominente CDU-Linkskatholikin Rita Süssmuth aufrufen. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag von 2005 enthält einen „Prüfauftrag“ für ein kommunales Ausländerwahlrecht; man wolle der Regierung „Beine machen“, begründete denn auch die türkische Abgeordnete Sevim Dagdelen den Antrag der „Linken“.

Noch freilich stellt sich die Union gegen diese Bestrebungen. Ohne Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit ist die Wahlrechtsreform nicht zu haben, CDU und CSU haben also eine Sperrminorität. Der Schlagabtausch über den Antrag der Linksextremen im Bundestag nahm Bezug auf den Rechtsstreit von 1990, als das Bundesverfassungsgericht das von Hamburg und Schleswig-Holstein eingeführte kommunale Ausländerwahlrecht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hatte. Die in Art. 28 geregelte Vertretung des Volkes in Kommunal- und Länderparlamenten meine das deutsche Volk als „Staatsvolk“, als „Träger und Subjekt der Staatsgewalt“. Wahlen, bei denen auch Ausländer beteiligt seien, „können demokratische Legitimation nicht vermitteln“. Zwar meinen die Ausländer-Lobbyisten, dieses Urteil sei durch die zwei Jahre später erfolgte Einführung des Wahlrechts für EU-Ausländer überholt; an der „Staatsvolk“-Definition von Art. 20, der unter die „Ewigkeitsgarantie“ von Art. 79 Abs. 2 Grundgesetz fällt, ist aber nur schwer vorbeizukommen, auch wenn manche Verfassungsrechtler die grün-linke Position stützen.

Zweifel sind auch an der Integrationswirkung des Ausländerwahlrechts erlaubt. Schließlich ist Deutschland eben kein klassisches Einwanderungsland, das nur integrierbare Zuwanderer hereinläßt und zügig assimiliert. Insofern ziehen die von links bemühten Vergleiche mit anderen Demokratien nicht. Parteien und Wählergruppierungen würden stärker auf Belange von Einwanderern und Muslimen eingehen und ihnen Quoten auf ihren Listen einräumen, beschrieb der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Michael Hartmann im Bundestag mit deutlichem Seitenblick auf neue Wählerschaften die möglichen Wirkungen des kommunalen Ausländerwahlrechts.

Doch was, wenn die neuen Wähler eigene islamisch-religiöse Parteien und Listen gründen, statt wie bisher mit geringem Eifer bestehende linke Parteien zu unterstützen? Dann könnten strittige Forderungen wie Geschlechtertrennung beim Sport- und Schwimmunterricht oder Frauenbadetage an öffentlichen Bädern in mehrheitlich von Einwanderern geprägten Vierteln auch ohne die deutsche Minderheit entschieden werden.

Statt Einwanderer zu integrieren, würde das Ausländerwahlrecht das Gemeinwesen desintegrieren, und die anvisierte Verfassungsänderung würde zum Ermächtigungsgesetz für integrationsfeindliche Parallelgesellschaften. Die nicht-linken Parteien täten gut daran, dieses heiße Eisen nicht länger auszuklammern.

Foto: Eine Frage des Passes: Bisher dürfen nur Türken mit deutscher Staatsbürgerschaft hier wählen.


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