19.04.2024

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03.11.07 / Ost-Deutsch (39): Schwenk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-07 vom 03. November 2007

Ost-Deutsch (39):
Schwenk
von Wolf Oschlies

Ljubischa Georgievski, mazedonischer Parlamentspräsident, war Ende August hörbar genervt: Wichtige Gesetze standen zur Abstimmung an, aber neun Zehntel der Abgeordneten fehlten. Da erinnerte sich der Präsident, daß er im Zivilberuf Regisseur ist, und riet den Journalisten: „Svenkuvajte (schwenken Sie) mit Ihren Kameras mal über die leeren Reihen.“ Die taten das, und tags drauf meckerte die ganze Presse über parlamentarische Drückeberger. Nur der Präsident war zufrieden.

In Mazedonien liegen die Ursprünge der balkanischen Cinematographie, gelegt von den Brüdern Milton (1882–1964) und Janaki Manaki (1878–1960), denen wir praktisch alle historischen Filme vom Balkan verdanken, etwa die weltbekannten Aufnahmen vom Besuch Sultan Mehmeds in Bitola und Thessaloniki 1911. Inzwischen werden immer neue Filme von den beiden gefunden, in denen mit geruhsamem „svenk“ (plural „svenkovi“) balkanischer Alltag abgebildet ist, egal ob mit „svenk na levo ili na desno“ (Schwenk nach links oder rechts). Und moderne Filmteams halten es in der Sache und der Sprache genau so.

Dasselbe tun die benachbarten Bulgaren. Wer dort eine Filmkamera zur Hand nimmt, ist Schüler des genialen Medienpädagogen Mladen Mladenov (1928–2000). 1979 veröffentlichte der sein legendäres Lehrbuch „TV-Journalistik und ihre Grundbegriffe“, das für Leser wie mich ein einziges Vergnügen ist: Mladenov hatte nach 1961 in Wien studiert, dort auch promoviert, was später seiner hochgerühmten Lehrmethode sprachlich deutschen „Schliff“ gab: fart (Fahrt), forspan (Vorspann), klapa (Klappe), mispult (Mischpult), nachsinchron (Nachsynchonisierung), snit (Schnitt), umkerfilm (Umkehrfilm) und zahlreiche Termini mehr, auch der „svenk“, den Mladenov so beschrieb: „Eine kurze Bewegung der Kamera um die eigene Achse, wobei der Zuschauer meint, er selber bewege sich und schaue umher.“

Diese Terminologie lebt bis heute in Osteuropa, zum Beispiel bei Tschechen: „Svenk – pohyb kamery prenásející pohled z jednoho bodu na druh“ (Kamerabewegung, die den Blick von einem Punkt auf den anderen richtet). Und von dieser sprachlichen Tradition wird gewiß niemand abschwenken!


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