25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.11.07 / Zwischen Glaube und Staatsräson / Eine umstrittene Seligsprechung in Linz spaltet Österreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-07 vom 03. November 2007

Zwischen Glaube und Staatsräson
Eine umstrittene Seligsprechung in Linz spaltet Österreich
von R. G. Kerschhofer

Zu Seligsprechungen mag jeder stehen, wie er will. Hellhörig werden müßte man aber auf jeden Fall, wenn eine Seligsprechung von Leuten und Gruppierungen Applaus bekommt, die sonst der Kirche distanziert bis feindselig gegenüberstehen. Die Seligsprechung von Franz Jägerstätter fällt in diese Kategorie.

Jägerstätter wurde am 9. August 1943 in Brandenburg hingerichtet, weil er den Dienst in der Wehrmacht verweigert hatte. Wenig überraschend, daß er heute selbst für seriöse Medien ein „von den Nazis Ermordeter“ und ein „Märtyrer“ ist. Denn längst hat sich auch die „Literatur“ des Falles angenommen, die wie stets darauf zählen kann, daß sich kaum jemand den Mühen und Anfeindungen aussetzt, die mit einer nüchternen Darstellung verbunden sind.

Doch es gibt solche Leute – nicht nur „Ewiggestrige“, sondern gänzlich Unverdächtige, sogar innerhalb der Kirche. Sie verweisen darauf, daß Jägerstätter nicht in einem Willkürakt, sondern nach einem monatelangen Verfahren exekutiert wurde. Und daß er nicht von einem „Nazi-Gericht“ verurteilt wurde, sondern vom Reichskriegsgericht, dessen Auftrag es war, die Wehrdisziplin aufrechtzuerhalten. Auf „Wehrkraftzersetzung“ stand damals bei allen Kriegsparteien die Todesstrafe, und deren Vollzug heißt nun einmal Hinrichtung, nicht „Mord“. Selbst wenn hier und heute andere Gesetze gelten.

Niemand wird bezweifeln, daß der oberösterreichische Landwirt Jägerstätter ein gläubiger Christ war, und niemand kann ihm zum Vorwurf machen, daß er den Nationalsozialismus kategorisch ablehnte. Er war allerdings kein Widerstandskämpfer, sondern er lehnte nach eigenem Bekunden die „Teilnahme an einem Angriffskrieg“ ab.

Dazu wird angemerkt, daß er bereits seit Oktober 1940 der Wehrmacht angehörte, doch im April 1941 auf Ansuchen der Heimatgemeinde zur Bewirtschaftung seines Hofes freigestellt wurde. Einer neuerlichen Einberufung im Februar 1943 entzog er sich zunächst. Auf Drängen der Familie und des Ortspfarrers stellte er sich zwar Tage später, verweigerte aber den Wehrdienst. Nach intensiven, doch vergeblichen Bemühungen der Familie, der Geistlichkeit und sogar des Gerichts, ihn von seiner Haltung abzubringen, wurde das Urteil im Juli 1943 bestätigt und Wochen später vollstreckt. Soweit die rechtliche Seite.

Manche mögen sich fragen, ob Jägerstätter dem Christentum und seiner Familie nicht auf andere Weise besser gedient hätte. Daß er den sicheren Tod dem möglichen Überleben in Uniform vorzog, bleibt für viele unverständlich – laut Umfrage eines Lokalblattes sogar in seiner näheren Heimat. Tatsächlich befanden sich unter jenen „Ostmärkern“, die aus religiösen Gründen den  Wehrdienst verweigerten, nur ganz wenige Katholiken – die meisten Verweigerer waren „Zeugen Jehovas“.

Die kirchlichen Aspekte sind ebenfalls nicht eindeutig. So hatte etwa 1943 der Bischof und spätere Kardinal Graf von Galen, ein deklarierter NS-Gegner, in einem Hirtenbrief vom „göttlichen Gebot der Vaterlandsliebe“ gesprochen und Thomas von Aquin zitiert, der den Soldatentod in treuer Pflichterfüllung in die Nähe des Märtyrertods aus Glaubensgründen stellte. Auch die mit der Seligsprechung befaßte Kommission kam zu keinem einstimmigen Spruch. Denn laut kanonischem Recht setzt eine Seligsprechung entweder zwei Wunder voraus – oder den Märtyrertod aus Glaubensgründen. Letzteres mag für die soeben seliggesprochenen Priester und Ordensleute gelten, die im spanischen Bürgerkrieg bestialisch abgeschlachtet worden waren. Jägerstätter aber starb nicht wegen seiner Religionszugehörigkeit. Militärsuperior Siegfried Lochner, der auf diesen Umstand hinzuweisen wagte, liegt seither im Trommelfeuer der politisch Korrekten.

Die politische Dimension von Jägerstätters feierlicher Seligsprechung im Linzer Dom wird dadurch noch augenfälliger, daß sie ausgerechnet am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, erfolgte. Fast zeitgleich fand auf dem Wiener Heldenplatz, dem äußeren Burghof, die am Nationalfeiertag übliche Angelobung von Jungmännern des Bundesheeres statt. Dieses gewollte zeitliche Zusammentreffen ist den Rekruten nicht entgangen – und kaum etwas hätte ihnen deutlicher bewußt machen können, daß Wehrdienstverweigerung heute nicht nur risikolos ist, sondern sogar die beste Überlebensgarantie im Ernstfall darstellt. Mußte sich die Kirche dafür instrumentalisieren lassen?


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren