29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.11.07 / Chili, Teufelsdreck und Safran / Eine Ausstellung im Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch zeigt Exponate zur Kulturgeschichte der Gewürze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-07 vom 03. November 2007

Chili, Teufelsdreck und Safran
Eine Ausstellung im Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch zeigt Exponate zur Kulturgeschichte der Gewürze

Gewürze sind so alt wie die Menschheit. Bereits die Menschen der frühesten Hochkulturen nutzen Pflanzen und Pflanzenteile in Kult und Religion, für medizinische und kulinarische Zwecke. Weil nicht überall alles wächst, erstreckten sich schon im 2. Jahrtausend v. Chr. weite Handelsnetze zwischen Ostasien und dem Mittelmeerraum. Gewürze spielten im Europa des Mittelalters und der frühen Neuzeit eine ebenso bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle wie heute das Erd-öl. Sie waren extrem wertvoll, weil sie nicht nur zum Würzen benötigt wurden, sondern auch als Konservierungsstoffe und Grundlage für Arzneimittel. Auf die Heilkraft von Gewürzen wies schon im 12. Jahrhundert die „erste deutsche Ärztin“ Hildegard von Bingen in richtungsweisenden Abhandlungen hin. Die teuersten Gewürze heute sind: Safran, gefolgt von Vanille und Kardamom. Früher war Pfeffer so wertvoll, daß er mit Gold aufgewogen wurde.

So interdisziplinär wie der Gegenstand „Gewürze“ an sich schon ist, ist auch eine Ausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg. Ihr Einsatz zum Beispiel in der Volksmedizin, im Alltag sowie ihre Bedeutung innerhalb des Kulturaustausches wird ebenso berücksichtigt wie die Paläobotanik oder ihre Rolle als Triebfeder kolonialer Ambitionen. Nicht zuletzt sind es archäologische und kulturhistorische Objekte – wie ein Nelkenschiff aus dem 19. Jahrhundert –, welche diese internationale Sonderausstellung zu einem besonderen visuellen und „geschmacklich“ wertvollen Erlebnis werden lassen.

Fernreisen sind heute erschwinglich – und viele Reiseländer sind nicht zuletzt ihrer kulinarischen Errungenschaften wegen bereisenswert. Heimgekehrte Urlauber können fremdländische Tafelfreuden in deutschen Großstädten meist unaufwendig wiederholen; und das dank des Booms der authentischen Küchen in den 1990er Jahren. Heute sind – zumindest in deutschen Großstädten – die Ingredienzien ausländischer Küchen gut verfügbar.

Die Würztraditionen sind dabei tief ins kulinarische Gedächtnis der Kulturkreise eingeschrieben und oft unverwechselbar. So assoziieren wir mit Kreuzkümmel, Bockshornklee und Koriander Indien, mit Knoblauch, Olivenöl und Petersilie Italien, mit Koriandergrün und Minze Vietnam, mit Zimt, Nelken und Piment den Orient, mit Sesam und Wasabi Japan.

Die Ausstellung „Chili, Teufelsdreck und Safran“ gliedert das Thema Gewürze in sechs geographisch unterschiedene Bereiche. Dabei werden die verschiedenen Gewürzregionen wie in einem Basar für den Besucher begehbar gemacht. Im mittleren Bereich der Ausstellungsfläche werden die Pflanzen konzentriert, deren Herkunft, Anbau oder Verwendung heute nicht mehr klar zugeordnet werden können. Beispiele sind hier etwa Knoblauch, Ingwer, Pfeffer, Muskat, Senf und Zimt.

Der indische Subkontinent gilt vielen als das Gewürzparadies schlechthin. Zusätzlich zum einheimischen Pfeffer, der jahrtausendelang das gefragteste Gewürz der Welt war, verwendet die indische Küche noch viele edle Aromen südostasiatischer Herkunft, die erst durch indische Vermittlung nach Europa kamen. Seit dem Hellenismus bereichern aber auch mediterrane Gewürze wie Koriander und Kreuzkümmel das indische Würzrepertoire.

Rezepte zu indischen Festspeisen, besonders Reisgerichten wie Biriyani, erfordern nicht nur eine große Anzahl unterschiedlicher Gewürze, sondern schreiben für manche Gewürze auch spezielle Vorbereitungen vor: So wird Kreuzkümmel oft trocken geröstet, während man Zimtstangen und Nelken in heißem Butterfett brät, bis sich ein betörendes Aroma entwickelt. Erst durch diese Techniken entwickelt sich der typisch indische Geschmack. Im Fernen Osten haben sich neben der eigenständigen chinesischen Küche weitere kulinarische Traditionen etabliert, die oft arabisches, indisches und chinesisches Erbe weiterentwickelt und lokalen Verfügbarkeiten angepaßt haben: thailändische Currys, hocharomatische Schmorgerichte auf der Basis von Kokosmilch, die mit Pasten von frischen Gewürzen wie Ingwer und Galgant und frischen Blättern von Basilikum oder Koriander aromatisiert werden. Die extreme Schärfe vieler Thaispeisen beruht auf den Chilis, die erst seit Columbus’ Fahrten in Asien verfügbar sind.

Dagegen setzen indonesische Köche auf eine ausgewogene Mischung von süßen, salzigen und sauren Tönen. Frische Gewürze wie Ingwer und Zitronengras werden großzügig, getrocknete wie Zimt und Nelken dagegen verhalten eingesetzt. Soja- und Fischwürzen spielen eine große Rolle. „Meze“, die orientalische Form der Antipasti, ist seit ein paar Jahren auch bei uns im Kommen: mit Piment und Paprika gewürzte Karottenscheiben, mit Koriandersamen angebratene grüne Bohnen, Kichererbsenmus mit Sesampaste, Kreuzkümmel und scharfem Paprikapulver.

Der Vordere Orient hat uns mit seinen Grillgerichten ein in Mitteleuropa noch fast unbekanntes Gewürz beschert: Sumach, ein saures, erfrischend schmeckendes Pulver von tiefvioletter Farbe, das über Fleisch und Reis gestreut wird. Aus Nordafrika kennen wir inzwischen Couscousgerichte, die mit Minze und ras-el-hanout zubereitet werden. Letzteres ist eine Mischung aus Muskat, Paradieskörnern, Zimt, Kardamom und verschiedenen Pfeffersorten. Sogar Rosenblüten können darin enthalten sein. Kaum jemand liebt sie nicht: die italienische Küche. Aber auch die spanische kulinarische Kultur wird seit einigen Jahren entdeckt. Tapas gehören auf einmal – ganz wie Antipasti – zum lukullischen Repertoire unserer Tage. Gerade Italien aber hat Appetit auf würziges Grünzeug gemacht.In Deutschland beschränkt sich der Kräutereinsatz im wesentlichen auf krause Petersilie, Dill und Schnittlauch – und überdies ein paar Kräuter, die fast völlig in Vergessenheit geraten sind. Doch Italien hat dafür gesorgt, daß wir heute wie selbstverständlich Basilikum, Salbei und Rosmarin benutzen, Oregano, Thymian und Lorbeerblätter. Ferner waren es wohl hauptsächlich die mediterranen Küchen, die in unseren Breiten den Knoblauch salonfähig gemacht haben.

Aus dem Mittelmeergebiet stammt ebenfalls der Safran, der als teuerstes Gewürz gilt. Daran hat sich seit dem Mittelalter genausowenig geändert wie an den Fälschungsversuchen von Händlern. Amerikanische Küche ist viel mehr als nur Burger und Fast Food: Mittel- und Südamerika können auf eine lange kulinarische Tradition zurückblicken, die in Regionen mit hohem Anteil indigener Bevölkerung noch heute alltäglich ist. Nur ein kleiner Teil der mexikanischen Küche ist in Deutschland bekannt, anderes harrt noch der Entdeckung: etwa die phantastisch komplexen Mole-Saucen aus Oaxaca, die aus 30 oder mehr Zutaten bestehen können, oder in duftenden Pfefferblättern gedämpfter Fisch aus Veracruz oder mit Orangensaft und Chili marinierte Fleischspezialitäten aus Yucatan. Alle nativ amerikanischen Küchen beruhen auf Chilis.

Besonders Mexiko und die Andenländer weisen eine so riesige Vielfalt an lokalen Chilisorten mit unterschiedlichem Aroma und Schärfegrad auf, daß Köche allein durch geschickten Einsatz von Chilis viele unterschiedliche Geschmacksnoten erzeugen können. lnm

Die Ausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch, Damm 38-44, 26135 Oldenburg, ist  dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 17 Uhr zu sehen, Eintritt 4 / 2 Euro, bis 30. Dezember.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren