29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.11.07 / Dem Zauber Leipzigs verfallen / Rom, Venedig und Paris in einer Stadt vereint oder Wenn Lebensart und Lebensstil den Besucher in ihren Bann ziehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-07 vom 03. November 2007

Dem Zauber Leipzigs verfallen
Rom, Venedig und Paris in einer Stadt vereint oder Wenn Lebensart und Lebensstil den Besucher in ihren Bann ziehen
von Cornelia Höhling

Mit einem kühnen Schwung ist er oben. Der Kellermeister sitzt rittlings auf dem übermannshohen Faß, in das 18 sächsische Eimer, rund 1200 Liter, Wein passen. Volker Maaß ist keine 20 mehr. Aber das läßt er sich nicht nehmen. Wenn er schon von Fausts Faßritt berichtet, dann soll es anschaulich sein. Die Szene in „Auerbachs Keller“ aus Goethes Nationaldrama hat das Lokal in Leipzig weltweit bekannt gemacht. Was wäre ein Besuch in Europas wohl schönster Messestadt ohne Einkehr an dem historischen Ort, wo seit fast 500 Jahren Wein ausgeschenkt wird. Viele Persönlichkeiten waren hier, gehört die Grimmaische Straße mit der Mädler-Passage doch zu den ältesten bebauten Teilen der Stadt, die 1165 Stadtrecht und 1497 das kaiserliche Messe-Privileg für drei bereits bestehende Märkte erhielt. Im gleichen Jahr kam Heinrich Stromer an die 1409 gegründete Universität, nach Heidelberg die zweitälteste in Deutschland, erzählt Maaß. Er heiratete die  Tochter des Ratsherrn und setzte dessen Weinausschank fort. „Stromers Hof“ konnte dieser nicht heißen. „Wer kehrt schon bei einem ,Landstreicher‘ ein“, fragt der Kellermeister in die Runde. Stromer besann sich auf seinen Heimatort Auerbach in der Oberpfalz, „Auerbachs Keller“ entstand.

Außer Martin Luther und August dem Starken zechte hier auch der junge Student Johann Wolfgang Goethe. Er war nicht nur seiner ersten großen Liebe und dem Wein, sondern auch der mondänen Stadt verfallen, der er als Klein-Paris in der Literatur ein Denkmal setzte. Die weltoffene und leicht frivole französische Lebensart sowie die am Pariser Vorbild orientierte Architektur der Boulevards hatten Leipzig lange vor Goethe den Beinamen eingebracht.

Den Ursprung Leipzigs, des slawischen „Ortes bei den Linden“, umschließt ein grüner Promenadenring. Knapp ein Drittel der Stadt wird von Wäldern, Parks und Kleingärten durchzogen. Das Zentrum prägt ein einzigartiges System von Passagen und Durchhöfen. Zu den architektonischen Kleinodien gehören alte Messehäuser wie Barthels Hof, Specks Hof und die Mädler-Passage oder das Alte Rathaus, ein Renaissancebau. Beeindruckend auch der barocke „Coffe Baum“ von 1694, eines der ältesten Kaffeehäuser Europas.

Mit knapp 16000 Kulturdenkmälern, darunter 80 Prozent Gründerzeithäuser, gilt Leipzig als Deutschlands Denkmalhauptstadt. Besonders das nach seiner größten Straße benannte sehenswerte Waldstraßenviertel mit Stadtvillen und herrschaftlichen Wohnhäusern in Historismus und Jugendstil zeugt vom Repräsentationsbedürfnis der wohlhabenden Bürger und ist das Ergebnis des Wachstums der Stadt zwischen 1871 und 1914, bei dem sich die Einwohnerzahl von rund 100000 auf 625000 mehr als versechsfachte.

Auch Leitbauten wie das Neue Rathaus, das ehemalige Reichsgericht und Europas größter Kopfbahnhof entstanden während des Baubooms. Für die Aussicht auf die Stadt bleibt die Qual der Wahl zwischen dem 91 Meter hohen Völkerschlachtdenkmal und dem City-Hochhaus am Augustusplatz, wo man auf 142 Meter Höhe den Blick bei einem Gläschen Sekt genießen kann.

Die Aussicht dagegen, venezianische Impressionen in Leipzig zu erhaschen, halten viele eher für einen Marketinggag. Doch schnell wird der Besucher eines Besseren belehrt. Flüsse von über 200 Kilometer Länge schlängeln sich durch das Stadtgebiet. Ein außergewöhnliches Kanalsystem lädt heute wieder zum Bootfahren ein. So kann man Leipzig auch von der Wasserperspektive her erkunden und entlang sanierter alter Industrie- und Wohnviertel mit dem Boot auf dem Karl-Heine-Kanal und der Weißen Elster ins Grüne gelangen.

Da ein findiger italienischer Wirt im Stadtteil Plagwitz mit echten venezianischen Gondeln einen romantischen Hauch Venedig importierte, spricht man wohl nicht zu Unrecht von Klein-Venedig.

Der ehemalige Gasspeicher der Leipziger Stadtwerke hingegen entführt zu einem faszinierenden Ausflug ins antike Rom. Vom Kapitols-Hügel nimmt der Besucher bei wechselnden Lichtverhältnissen am triumphalen Einzug Kaiser Konstantins ins Rom des Jahres 312 teil. Diese mit Computersimulation in der Pleiße-Stadt gezeigte Neuinterpretation eines verschollenen Riesenrundbilds aus dem 19. Jahrhundert ist mit über 30 mal 100 Metern derzeit das größte Panoramabild der Welt. – „Mein Leipzig lob ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute“, läßt Goethe „Frosch“ in Auerbachs Keller ausrufen, und der Geheimrat behält bis in unsere Tage Recht.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren