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10.11.07 / Würfel schlägt Wolke / Für zwei Jahre wird eine provisorische Kunsthalle den Raum für den späteren Berliner Schloß-Neubau füllen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

Würfel schlägt Wolke
Für zwei Jahre wird eine provisorische Kunsthalle den Raum für den späteren Berliner Schloß-Neubau füllen
von Peter Westphal

Nun ist heraus, was mit dem Areal des Berliner Schloßplatzes werden soll, bis mit dem Bau des „Humboldtforums“ in der rekonstruierten Schloßhülle begonnen werden kann: Vergangene Woche entschied sich der Berliner Senat für die provisorische Kunsthalle des Projekts „White Cube Berlin“, die von 2008 bis 2010 ihren Platz  finden soll, wo ab dann die Fassade des Schlosses neu ersteht.

Wenn alles nach Plan läuft, soll die in der Form eines Würfels gehaltene Ausstellungshalle bereits im April nächsten Jahres, parallel zur 5. Berlin-Biennale für zeitgenössische Kunst, eröffnet werden.

Der siegreiche Entwurf stammt von dem Wiener Architekten Adolf Krischanitz, der in der Vergangenheit bereits zwei ähnliche Einrichtungen in der österreichischen Hauptstadt realisiert hat. Verloren hat derweil das exotische Modell „Die Wolke“, welches das Architekturbüro Graft entworfen hatte. Hauptgrund: Das Projekt war den Juroren mit veranschlagten zehn Millionen Euro schlicht zu teuer für eine zweijährige Zwischennutzung. Der „Würfel“ soll bloß 850000 Euro kosten und hat zudem bereits eine Finanzierungszusage der „Stiftung Zukunft Berlin“ vorzuweisen. Da kam das Ergebnis nicht allzu überraschend, eher schon der Zeitpunkt.

Doch der ist gut gewählt. Denn schon am 10. November eröffnet in unmittelbarer Nachbarschaft ein spektakulärer Galeriebau am Kupfergraben, vis-à-vis dem Unesco-Weltkulturerbe Museumsinsel. Der Entwurf für den – im Auftrag des Kurators Heiner Bastian geschaffenen – Neubau, der die dortige Blockrandbebauung abschließt, stammt von dem englischen Stararchitekten David Chipperfield. Der hatte sich 2003 in dem hierzu ausgerichteten privaten Wettbewerb gegen prominente Kollegen wie Gehry, Kollhoff, Radziner und Zumthor durchgesetzt. Bemerkenswerterweise liegt die Stirnseite des Eckbaus gegenüber dem kriegszerstörten Neuen Museum, für das derselbe Architekt gerade moderne Ergänzungen plant – einschließlich der James-Simon-Galerie, dem umstrittenen, brachial-modernistischen zentralen Eingangsbau auf der Insel.

In dem kubistisch verschobenen Bau, den Chipperfield für die moderne Kunst konzipiert hat, ist nicht nur Platz für die Sammlung Bastian, zu deren Beständen Joseph Beuys, Anselm Kiefer oder der Brite Damien Hirst zählen. Es ist zugleich die neue Adresse der  Galerie „Contemporary Fine Arts“ sowie Präsentationsort für die Sammlung der Medienunternehmerin Christiane zu Salm.

Dabei unterstreicht dieser neue Anlaufpunkt in der Galerienszene den europäischen Stellenwert Berlins als führender Standort für zeitgenössische Kunst. So gilt die deutsche Hauptstadt mittlerweile als die weltweit größte Produktionsstätte für Gegenwartskunst. Überdies kann sie mit der höchsten Dichte qualitativ hochwertiger Galerien in Europa aufwarten. Dieser Umstand ist insofern bedeutsam, als sich die Drehscheibe des globalen Kunstmarktes zusehends in den anglo-amerikanischen und in den asiatischen Raum verlagert, was wiederum die einstige Monopolstellung Europas bedroht.

Aktuellen Schätzungen zufolge leben und arbeiten in Berlin 6000 Künstler (Tendenz steigend), bei einer stetig wachsenden Anzahl von Galerien (derzeit etwa 400). Für Aufmerksamkeit in der Kunstszene sorgt seit jüngster Zeit auch das sonst menschenleere Areal der Heidestraße nördlich des Hauptbahnhofs – eine „Prärie“ inmitten der Stadt. Dort, in den alten und verlassenen Fabrikhöfen, haben bis heute sieben Galerien eröffnet.

Ausgangspunkt für die heutige Blüte war die Pionierzeit der 90er Jahre. Das Berlin-Mitte der damaligen Zeit erinnerte viele Auswärtige an das New Yorker SoHo der 60er Jahre. Einen neuen Höhepunkt erlebt die Gegenwartskunst nun mit der geplanten Kunsthalle auf der Schloßfreiheit. Der Vorsitzende der „Stiftung Zukunft Berlin“, der frühere Berliner Kultursenator Volker Hassemer (CDU), begreift das Projekt als Startzeichen, um in der deutschen Kapitale später eine ständige Kunsthalle zu errichten. „Der Reichtum an Bildender Kunst und an Künstlern“, so Hassemer, werde auf der „neuen Bühne im Herzen der Stadt unübersehbar, selbstbewußt und publikumswirksam ausgestellt“. Die Kunst währt lang, das Leben kurz – für einen Moment scheint die Hauptstadt mit ihrem Latein nicht ganz am Ende.


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