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10.11.07 / »Gold gab ich für Eisen« / Das Stadtmuseum Berlin zeigt zwei Ausstellungen zum Thema Eisenguß in Preußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

»Gold gab ich für Eisen«
Das Stadtmuseum Berlin zeigt zwei Ausstellungen zum Thema Eisenguß in Preußen
von Silke Osman

Eisen, ein Material, das eher den Ingenieur als den Künstler fasziniert. Eisen, das ist „unedel“, „armselig“. Und doch fanden sich immer wieder Bildhauer, die sich mit diesem Werkstoff einließen und aus Eisen ganz besondere Werke schufen. Schon zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wies Martin Sperlich, der aus dem ostpreußischen Darkehmen stammende und im Sommer 2003 verstorbene langjährige Herr über die Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin, auf die Bedeutung des Eisenkunstgusses in der zeitgenössischen Kunst hin: „Dieses Material entzieht sich den Zeitstilen und Moden und fordert die ,Bildhauerfaust‘ heraus, nicht anders, als wäre in Stein und Holz zu hauen, dieses Material läßt keine Phrase zu.“

In Berlin sind derzeit zwei Ausstellungen zu sehen, die sich mit dem Thema Eisen beschäftigen. Unter dem Titel „Eiserne Zeiten“ wird im Stadtmuseum Berlin, Ephraim-Palais, ein Kapitel der Berliner Industriegeschichte aufgeschlagen. Fast 1000 Objekte geben Einblicke in die Kunst des Eisengießens. „Dampfmaschine, Küchenkram – Kinderkarren, Eisenbahn“ sind als kleine selbständige Ausstellung zu sehen, die Blechspielzeug aus dem 19. und 20. Jahrhundert zeigt. Vom Tretauto bis zum Puppenstubenbesteck ist alles zu sehen, was nicht nur das Kinderherz erfreut.

So mancher mag in der musealen Hinwendung zum Eisenguß auch eine Reverenz, eine Verbeugung vor dem „Fer de Berlin“ sehen, dem „Berliner Eisen“, das einst als kunsthandwerklich einzigartiger Beitrag im 19. Jahrhundert Weltgeltung erlangte. Aus Eisen schufen Künstler Gebrauchs- und Ziergegenstände, ja sogar Schmuck; sie schufen gußeiserne Bauteile, Brücken, Denkmäler, die das Stadtbild Berlins bis heute prägen.

Gut 200 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit in Berlin in einem bereits vorhandenen Werkstattgebäude an der Invalidenstraße die Gußeisenproduktion aufgenommen wurde. Schon 1796 war in Gleiwitz der erste Kokshochofen in Europa in Betrieb genommen worden; 1798 nahm man dort die ersten Kunstgüsse vor. In Berlin griff man zunächst auf die Erfahrungen zurück, die man bei der Errichtung der schlesischen Gießereien gemacht hatte, und erst im Oktober 1809 galt die Eisengießerei-Anlage in Berlin als nahezu vollendet. „Diese Anstalt ist eins der wichtigsten, nützlichsten und sehenwerthesten Etablissements der Stadt Berlin“, lobte Heinrich Weber in seinem „Wegweiser durch die wichtigsten technischen Werkstätten der Residenz Berlin“ (1820) die Einrichtung. „Sie ist diejenige Werkstatt, woraus die kunstreichsten Gebilde zur Erhaltung des Andenkens berühmter Mitbürger, die bestimmt sind, der Ewigkeit zu trotzen, hervorgehen, und woraus zugleich die lieblichsten Gegenstände zur Zierde und zum Schmuck des schönen Geschlechts geliefert werden, welches deren Gebrauch, ungeachtet des geringen Werts ihres Materials, nicht verschmäht, weil die darauf verwandte Kunst, und die ihm ertheilte gefällige Form denselben unendlich erhöhet.“

Einen besonderen Aufschwung erlebte die Gießerei der Königlich Preußischen Eisengießerei Berlin (KPEG) nach 1813, als mit dem Ende der napoleonischen Besatzung das Bauwesen neuen Auftrieb bekam. Ein herber Rückschlag war dann allerdings ein Brand in der Revolutionsnacht vom 18. zum 19. März 1848, der Modelle, Formen, Unterlagen und sogar einen Teil der Gebäude vernichtete. Nach dem Wiederaufbau konnte man sich nicht so recht erholen, der Zenit in der Eisengießerei war überschritten; auch hatte sich durch den Bronze- und Zinkguß sowie durch Metallegierungen ernstzunehmende Konkurrenz eingestellt. Am 5. Januar 1874 erfolgte der letzte Guß in der Invalidenstraße.

Unvergängliche Kunstwerke aber künden noch heute von der Meisterschaft, die Bildhauer, Modelleure und Ziseleure erreichten. Namen wie Erdmann Theodor Kalide, Carl Eduard August Kiss, Christian Daniel Rauch, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Friedrich August Stüler oder Christian Friedrich Tieck sind auch mit Kunstwerken in Eisen verbunden. So gilt das Monument auf dem Kreuzberg von Schinkel als Symbol für die gotisierende Gußeisenarchitektur im 19. Jahrhundert. Das Nationaldenkmal für die Befreiungskriege 1813 bis 1815 ist das Hauptwerk und die bedeutendste in Berlin erhaltene Arbeit der KPEG.

Gußeiserne Reproduktionen der im Berliner Stadtbild aufgestellten Denkmäler fanden regen Zuspruch und gelangten so in private Haushalte, aber auch Grabkreuze und Grabmale im gotisierenden Stil waren sehr gefragt.

Selbst Möbel für den Garten waren beliebt wegen ihrer Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse. Entwürfe lieferte kein Geringerer als Schinkel. Vollständig aus Eisen bestehende Möbel wurden für Schinkel zu einer besonderen Herausforderung, denn hierbei ging es nicht um eine identische Übertragung der Formen der Holzmöbel in Metall, sondern um eine Anpassung der Gesamtform an die Gußform. Den Ausgangspunkt für seine Möbelentwürfe sah Schinkel stets in den Möglichkeiten, die das Eisen und die Technik des Gießens ihm vorgaben.

Ein besonderer „Renner“ aber waren Schmuckstücke aus Eisen; sie machten das „Fer de Berlin“ erst berühmt. Die filigranen Schöpfungen entstanden aus besonders dünnflüssigem Eisen, das bis heute unerreicht ist. Ihre schlichte Ausstrahlung und die schwarze Farbe eigneten sich gut als Trauerschmuck. Als Königin Luise 1810 starb, trugen denn auch die Damen, die etwas auf sich hielten, Eisenschmuck aus der KPEG.

Bald aber galt er als passende Ergänzung zur klassischen schlichten Kleidermode der damaligen Zeit. Dem Aufruf der preußischen Prinzessin Marianne, jede wertvolle Kleinigkeit zum Wohl des Vaterlandes zu opfern, waren 1813 viele Frauen gefolgt und hatten ihre goldenen Eheringe und anderen Schmuck abgegeben, um die Staatskasse für den Krieg gegen Napoleon zu füllen.

„Gold gab ich für Eisen“ ist noch heute ein bekannter Ausspruch. Das Tragen von Eisenschmuck war so zu einem patriotischen Bekenntnis geworden. Heute sind dies begehrte Sammlerstücke.

Die Ausstellungen „Eiserne Zeiten“ (bis 2. März) und „Dampfmaschine, Küchenkram – Kinderkarren, Eisenbahn“ (bis 6. Januar) sind im Stadtmuseum Berlin, Ephraim-Palais, Poststraße 16, 10178 Berlin, Dienstag, Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch von 12 bis 20 Uhr zu sehen, Eintritt 5 / 3 Euro.

Foto: Karl Friedrich Schinkel: Der Baumeister schuf auch kunstvolle Stühle aus Eisen.


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