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10.11.07 / Den selbstgestecken Zielen treu geblieben / Lagebericht des Sprechers der LO, Wilhelm v. Gottberg, zur Sitzung der Ostpreußischen Landesvertretung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

Den selbstgestecken Zielen treu geblieben
Lagebericht des Sprechers der LO, Wilhelm v. Gottberg, zur Sitzung der Ostpreußischen Landesvertretung
von Wilhelm v. Gottberg

Im Februar kommenden Jahres wird es eine einschneidende Veränderung bei der LO geben. Wir werden unser bisheriges Domizil in Hamburg aufgeben. 52 Jahre war das Ostpreußenhaus in Hamburg in der Parkallee die Kommandozentrale unseres Verbandes. Von der Parkallee wurden Verbindungen zu Landsleuten in Dutzende Länder der Welt geknüpft, und nach der Wende wurde die Adresse LO, Parkallee 84,  20144 Hamburg zu einer Hoffnungsadresse, gerade auch für die heimatverbliebenen Landsleute.

Die Überlegungen zum Verkauf der beiden Häuser hat die OLV angemessen begleitet. Das kann auch nicht anders sein, denn damit wurde eine gravierende Umschichtung des Vermögens der Landsmannschaft vorgenommen. Dies ist der OLV vorbehalten.

Bei der Sitzung der OLV im November 2006 und bei zwei weiteren außerordentlichen Sitzungen im März und im September sind die Würfel für den Verkauf gefallen. Der Vertrag über den Verkauf ist rechtsverbindlich unterzeichnet.

Die Suche nach einem geeigneten Nachfolgedomizil ist intensiv und für den Bundesgeschäftsführer zeitaufwendig.

Neben den intensiven Planungen für das Deutschlandtreffen 2008, für den Verkauf und den Umzug der Bundesgeschäftsstelle und der Redaktion wurde das Jahresprogramm ohne Abstriche realisiert. Tagungen der Kreisvertreter und der Landesgruppenvorsitzenden fanden ebenso wie in den vorangegangenen Jahren statt. Das Sommerfest des Dachverbandes in Hohenstein, in diesem Jahr durchgeführt in der Verantwortung der Landsleute in Ostpreußen, mit der Ansprache des Sprechers war gelungen. Das obligatorische Angebot an Seminaren wurde vom Bundesvorstand beziehungsweise der Bundesgeschäftsstelle ohne Abstriche durchgeführt. Einzelheiten sind aus den übersandten Tagungsunterlagen ersichtlich.

Darüber hinaus gab es eine besondere Veranstaltung, gewissermaßen eine Premiere. Aufgrund meiner Verbindungen zum Freibund, der eine bundesweit organisierte Pfadfindergemeinschaft ist, hat diese Organisation ein zwölftätiges Zeltlager in Ostpreußen durchgeführt. Gut 80 junge Menschen im Alter von acht bis 22 Jahren machten ihre sogenannte große Sommerfahrt zu Paul Gollan an den Dadai-See. In dieser Form und in diesem Umfang hat es so etwas nach der Wende meines Wissens noch nicht gegeben. Die jungen Freibünder haben in Ostpreußen einen alten Friedhof wieder hergerichtet und zerbrochene Eisenkreuze repariert. In einer Feierstunde wurde der Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht.

Die LO hat diese Veranstaltung mit 1000 Euro alimentiert. Der BJO war eingebunden und hat bei der Programmgestaltung durch Jochen Zauner mitgewirkt. Kaplan Schmeier und Alexander Baumann gilt mein besonderer Dank für die geleistete Betreuungsarbeit vor Ort.

In Polen wurde am 21. Oktober ein neues Parlament gewählt. Nur zwei Jahre hatte die Koalition der radikalen Kaczynski-Partei PiS mit den extremistischen Parteien Samoobrona – einer Landvolkpartei – und der Partei Liga der polnischen Familien gehalten. In der Politik dieser Koalition war die antideutsche Agitation fester Bestandteil. Als ein Allensteiner Gericht einer deutschen Spätaussiedlerin ihren zurückgelassenen Hof zusprach, forderte Ministerpräsident Kaczynski die Judikative Polens auf, in allen Restitutions- beziehungsweise Entschädigungsverfahren die Staatsräson Polens zu beachten und patriotische Urteile zu erlassen. Im Klartext: Der Regierungschef eines EU-Landes fordert den Rechtsbruch, wenn es um berechtigte Anliegen Deutscher geht.

Nicht nur die Ostpreußen, sondern auch die überwältigende Mehrheit der gesamten politischen Klasse im EU-Europa wird über die Wahlniederlage der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Genugtuung empfinden. Die bisherigen Koalitionsparteien der Kaczynski-Regierung Samoobrona (Lepper) und die Liga der polnischen Familien sind wegen Verfehlung der Fünf-Prozent Hürde nicht mehr im Parlament vertreten.

Seit 15 Jahren verhandelt Deutschland mit Polen über die Rückführung Berliner Kulturgüter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die kriegsbedingt von Berlin nach Schlesien ausgelagert wurden. Seit zwei Jahren verweigert Polen weitere Gespräche dazu.

Am 7. August gab das polnische Außenministerium dazu folgende Erklärung heraus. „Kunstwerke, Bibliotheks- und Archivmaterial sowie auch alle anderen derartigen Objekte deutscher Herkunft, die sich im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet Polens befunden haben, wurden auf der Grundlage entsprechender Rechtsakte durch den polnischen Staat in Eigentum übernommen. Sie stellen staatliches Eigentum dar oder gehören zu Rechtssubjekten, die legal zu ihren Eigentümern geworden sind. Diese Regelung war endgültig, und wenn gegenwärtig irgendwelche Forderungen nach Rückgabe dieser Güter erhoben werden, so ist dies völlig unbegründet und kann nicht berücksichtigt werden.

Der Versuch, solche Forderungen zu formulieren, muß angesichts der riesigen Verluste, die dem polnischen kulturellen Erbe durch den deutschen Okkupanten zugefügt wurden, Verwunderung hervorrufen. Die polnische Öffentlichkeit hat die außer Landes gebrachten Kunstwerke, die verbrannten Bibliotheken und Archive, deren Verluste nie wieder gut gemacht worden sind, nicht vergessen, und in diesem Zusammenhang muß das Erheben von Forderungen gegenüber Polen als Wille aufgefaßt werden, die Unterschiede zwischen Täter und Opfer zu verwischen“. Soweit die Erklärung des polnischen Außenministeriums

Meine Damen und Herren, damit klar ist, über was wir sprechen, bei den Kulturgütern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz handelt es sich größtenteils um Originalquellen zur Wissenschafts-, Literatur-, und Musikgeschichte. Unter den 212000 Manuskripten befinden sich Autografen von Luther, Goethe, Herder, Schiller, Rahel von Varnhagen, Alexander von Humboldt und wertvolle Einzelstücke, wie das Lied der Deutschen in der Handschrift des Verfassers Fallersleben.

Über 15 Jahre erfolgloser zwischenstaatlicher Bemühungen um die Rückgabe deutscher Kulturgüter, Sammlungen und Archivalien zeigen, daß Polen trotz aller Verständigungsrhetorik ganz bewußt den Kulturverlust Deutschlands zum Ziel hat. Nun setzte die Kaczynski-Regierung sogar noch eins drauf und fordert 20 Milliarden Dollar Entschädigung für im Krieg zerstörte polnische Kulturgüter von Deutschland.

Wenn diese Forderung schriftlich in Berlin auf den Tisch gelegt wird, dann ist spätestens von deutscher Seite die Erinnerung an Polen fällig, daß mit der Annexion von mehr als einem Viertel deutschen Staatsgebietes durch Polen eine kaum zu beziffernde Menge Kulturgüter und Zeugen deutscher Kultur Polen zugefallen ist. Kirchen, Schlösser, Burgen, Rathäuser, Herrenhäuser, Bibliotheken und private Sammlungen. Das alles könnte man ja auch mit einer nach Billionen Euro zu beziffernden Summe konkretisieren. Den Völkern und Menschen hüben und drüben, und auch dem zusammenwachsenden Europa wäre damit allerdings nicht gedient.

Für die deutsche Politik muß es ernüchternd und enttäuschend sein, einem Nachbarland gegenüberzustehen, in dem offen deutsche Ressentiments geschürt werden, um Wahlen zu gewinnen. Das ist ein Beleg für das Scheitern einer falsch angelegten Verständigung, die auf einseitige Vorleistungen angelegt war und nicht das Prinzip von Geben und Nehmen beachtete.

Die jahrelangen Querelen im Dachverband der Deutschen Vereine im südlichen Ostpreußen waren mit dem Abgang des langjährigen Vorsitzenden Eckehard Werner vorbei. Schon im vorigen Jahr habe ich Ihnen berichtet, daß der neue Vorsitzende Heinrich Hoch im Amt an Kompetenz und Autorität gewonnen hat. Er wurde am 17. März dieses Jahres mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Die Deutschen Vereine stehen hinter ihm.

Am 31. März wurde Christine Plocharski als Nachfolgerin von Hans Biernatowski zur neuen Vorsitzenden der AGDM, des Deutschen Vereins in Allenstein, gewählt. Gleichzeitig ist sie neue stellvertretende Vorsitzende des Dachverbandes. In dieser Funktion vertritt sie die deutsche Volksgruppe aus Ostpreußen beim Zentralverband aller Deutschen Vereine in der Republik Polen, der seinen Sitz in Oppeln hat.

Königsberg hat in den letzten drei Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Begonnen hat das alles schon mit den Vorbereitungen zum 750- Stadtjubiläum im Jahre 2005. Damals floß für verschiedene Verschönerungsprojekte auch deutsches Geld nach Königsberg.

Inzwischen boomt die Wirtschaft der Stadt. Es wird überall in der Stadt gebaut. Die Zentralregierung in Moskau gibt der Oblastverwaltung Finanzzuweisung, damit kulturhistorische Bausubstanz erhalten beziehungsweise rekonstruiert werden kann. Rußland ist auf dem Wege, aufgrund seiner Energie- und Waffenexporte der reichste Staat der Welt zu werden. Die Arbeitslosigkeit in Königsberg liegt unter vier Prozent; das bedeutet Vollbeschäftigung. Der wachsende Bedarf an Arbeitskräften kommt nunmehr auch ein wenig der hohen Arbeitslosigkeit auf dem Land zugute. Mit Bussen werden Arbeitslose zum Wochenbeginn von weither nach Königsberg gefahren. Die Menschen übernachten in Wohncontainern und fahren nur zum Wochenende heim. Die Löhne und Einkommen in Königsberg sind deutlich gestiegen. Leider auch die Teuerung. Die Stadt liegt in der Spitze der teuersten Regionen Rußlands.

Der Aufschwung in Königsberg wird sowohl von der Baubranche wie auch von der dort ansässigen Industrie getragen. Jeder zweite Kühlschrank und 75 Prozent der Fernseher für Rußland werden in Königsberg montiert. In der Stadt wird ständig und auf dem Land vermehrt gebaut. Reiche Russen kaufen Grundstücke in guten Lagen und zahlen fast jeden Preis. Die Landwirtschaft liegt nach wie vor fast brach. Der Gegensatz zwischen Arm und Reich ist extrem.

Leider haben sich auch die schon seit langem bekannten negativen Aspekte in der Entwicklung des Königsberger Gebietes verschärft. Die Dichte des Verkehrs in Königsberg erzeugt tagtäglich ein Verkehrschaos. Die Stadt benötigt dringend ein modernes Verkehrsleitsystem. Lorenz Grimoni berichtete mir, daß er bei einer kürzlich durchgeführten Reise erlebt habe, daß Taxifahrer sich geweigert haben ihn vom Hotel Kaliningrad zum Deutsch-Russischen Haus zu fahren. Begründung: Zu Fuß könne man das Ziel schneller erreichen. Der drastischen Umweltverschmutzung hat man noch nicht Einhalt gebieten können; die Umweltzerstörung durch mangelnde Sicherung der Lebensgrundlage verschärft das Problem. Es gibt keine funktionierende Müllentsorgung, aber 160 offene Mülldeponien. Rund eine halbe Million Kaliningrader entsorgen ihr Schmutzwasser direkt ins Frische Haff. Alkoholismus, Aids, Korruption und wie schon gesagt entsetzliche Armut gehören zum sichtbaren Alltag der heutigen russischen Exklave Königsberg.

Inzwischen besteht der Plan, die historische Altstadt Königsbergs mit dem Schloß originalgetreu wieder aufzubauen. „Die Welt“ brachte darüber am 15. August einen umfangreichen Bericht. Die beauftragte russische Architektengruppe hat dazu bereits Detailplanungen konzipiert und diese in Cannes am Mittelmeer im August vorgestellt. Der Abgeordnete der Königsberger Duma Wladimir Bakalin hat gegenüber dem Landesgruppenvorsitzenden von Bremen vor vier Wochen unterstrichen, daß diese Pläne nicht nur vage Vorstellungen sind, sondern sich bereits im Stadium der Konkretisierung befinden.

Den Wiederaufbau des Schlosses hat Stadtarchitekt Baschin zur Chefsache gemacht. Das Schloß – so Baschin – ist schließlich Teil des ostpreußischen Kulturerbes. Für seine Pläne soll der Stadtarchitekt die Rückendeckung von Staatschef Putin haben. Ob aber wirklich die 100 Millionen US- Dollar für den Aufbau des Schlosses von Königsberg bereitgestellt werden, ist noch längs nicht ausgemacht. Für den Aufbau des Domes konnte man noch Geld in Deutschland einwerben, hauptsächlich von den Ostpreußen, auch von der Bundesregierung und von der „Zeit“-Stiftung. Für den Aufbau des Schlosses in Königsberg werden nach meiner Einschätzung die Deutschen ihre Geldbörsen nicht öffnen. Es gibt in unserem Land sehr viele Einzeldenkmale von großer kulturhistorischer Bedeutung, die einer umfassenden Restaurierung bedürfen.

Nur damit nicht der Eindruck entsteht, daß die drei Memellandkreise vergessen werden, will ich sie nennen. Die ADM war beim Ostpreußentag der Landesgruppe MPV in Rostock die größte teilnehmende Gruppe. Unmittelbar vor dem Ostpreußentag hatte die ADM unter Leitung des Kreisvertreters Memelstadt, Herrn Froese, ebenfalls in Rostock, ein Begegnungsseminar durchgeführt. Dabei war, das ist hervorzuheben, zeitweise auch der Litauische Botschafter in Deutschland. Er wurde von den Seminarteilnehmern mit dem Ostpreußenlied begrüßt.

Über meinen Besuch bei den Wolfskindern, diesmal in Kaunas am 25. Juli, habe ich in der PAZ ausführlich berichtet.

Wir werden im Laufe dieser Sitzung über die Mitgliedschaft der LO beim europäischen Vertriebenenverband zu entscheiden haben. Die Satzung – so wie sie in Kraft treten soll – liegt Ihnen vor. Der Mitgliedsbeitrag für jede Organisation beträgt 100 Euro monatlich, also per anno 1200 Euro. Reisekosten, sofern sie anfallen, sind von den jeweiligen nationalen Verbänden zu tragen.

Meine Damen und Herren, der Bundesvorstand hat die Vorbereitungen zur Gründung eines europäischen Vertriebenenverbandes, die sich über ein Jahr erstreckten, konstruktiv begleitet. Ich habe bereits bei der letztjährigen Sitzung der OLV über die Absicht zur Gründung berichtet. Weitere Informationen zu dem Vorhaben haben Sie bei den beiden außerordentlichen Sitzungen der OLV und durch die PAZ bekommen. Die Gründungsversammlung ist für den 1. Dezember in Triest vorgesehen. Aus heutiger Sicht werden von den deutschen Vertriebenenorganisationen in Triest die Sudetendeutsche Landsmannschaft, die Schlesische Landsmannschaft, die Landsmannschaft Pommern, die Landsmannschaft Weichsel-Warte und natürlich die LO unterschreiben. Soweit die Beschlußgremien der einzelnen Verbände noch keine abschließende Entscheidung zum Beitritt getroffen haben, stellt die Unterschrift am 1. Dezember eine Paraphierung oder Willensbekundung dar, die innerhalb der darauf folgenden sechs Monate mit der vorgelegten Zustimmung der Beschlußgremien gültig wird.

Der BdV hat eine ausführliche Erörterung eines Beitritts zum europäischen Vertriebenenverband für Mitte Februar 2008 anberaumt. Grundsätzlich hält das BdV-Präsidium die Gründung eines europäischen Verbandes für wichtig und richtig. Das Präsidium sieht allerdings die Triester Erklärung mit dem Makel behaftet, daß diese auch von Splittergruppen und extremistischen Einzelpersonen unterzeichnet wurde. Frau Steinbach hat aber auch geäußert, daß die Ziele der Triester Erklärung grundsätzlich auch von ihr befürwortet werden. Die Präsidentin will allerdings mit bestimmten Personen nicht in Zusammenhang gebracht werden, die ebenfalls die Triester Erklärung unterzeichnet haben.

Ich will Ihnen nochmals darlegen, warum ich nachdrücklich für eine Mitgliedschaft der Ostpreußen im europäischen Vertriebenenverband eintrete. Wichtige Ziele der Landsmannschaft Ostpreußen, wie zum Beispiel das Recht auf die Heimat, eine zumutbare Regelung der offenen Vermögensfragen, die Einforderung der historischen Wahrheit über Flucht und Vertreibung von den Vertreiberstaaten und anderes. Das sind auch Ziele des europäischen Verbandes. Unsere Forderungen gegenüber der politischen Klasse hier im eigenen Land erhalten ein ganz anders Gewicht, wenn wir darauf verweisen, daß dies nicht nur Forderungen der angeblich nur rückwärtsgewandten deutschen Vertriebenen sind, sondern Forderungen von Vertriebenen aus sieben europäischen Ländern.

Der Bundesvorstand empfiehlt Ihnen, den Beitritt der LO zum europäischen Vertriebenenverband zu beschließen.

In der Satzung ist klar festgehalten, daß der europäische Verband sich nicht in die Belange der nationalen Verbände einmischt. Im Übrigen ist der Austritt aus dem Verband jederzeit möglich.

Meine Damen und Herren, die Landsmannschaft Ostpreußen als Bundesverband gibt es seit 1948. Wir können also im nächsten Jahr den 60. Geburtstag unserer Organisation begehen. Das ist kein Grund zum Feiern. Alle Ostpreußen wären glücklich, wenn es keinen Anlaß gegeben hätte, die Landsmannschaft zu gründen, und das gilt auch für die Landsleute, die im Laufe der Jahrzehnte schon abberufen wurden.

Die LO ist seinerzeit aufgrund der Umstände – Flucht, Deportation, Vertreibung – als Geschädigtenverband gegründet worden. Die LO ist also eine zeitbedingte Erscheinung. Es ist eine gesicherte Erkenntnis, daß zeitbedingte Erscheinungen nichts Bleibendes schaffen. Für ihre Zeit haben sie Bedeutung, und dann geht die Zeit über sie hinweg. Die Landsmannschaft Ostpreußen hat noch Bedeutung als Opferverband, als nationales Gewissen hinsichtlich des kulturellen Erbes und als Lobby für die heimatverbliebenen Landsleute.

Zurück zur Heimat, das war die Losung der Ostpreußen bei der Gründung der Landsmannschaft vor 60 Jahren. Wir meinten damit natürlich die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit, unter Einschluß der Provinz Ostpreußen. Dieses Ziel war auch in den Jahrzehnten nach dem Kriege unstrittig, weil die Ostpreußen – letztlich alle Ostdeutschen – mit sehr sensiblem Rechtsempfinden ausgestattet waren, und die Behandlung der Ostdeutschen und Ostdeutschlands durch die Siegermächte einen Bruch des Naturrechts und des Völkerrechts von bisher nicht für möglich gehaltenem Ausmaß darstellte.

Aber die Zeit ist darüber hinweggegangen. Deutschland hat die Grenzen an Oder und Neiße und im Inneren Ostpreußens anerkannt. Uns ist der Unrechtscharakter dieser Grenzen bewußt. Doch wir dürfen vor der Realität nicht die Augen verschließen. Die ganz überwiegende Mehrzahl der heute lebenden Deutschen hat kein Empfinden mehr für den Unrechtscharakter der heutigen deutschen Ostgrenze. Die von den Siegermächten den Deutschen auferlegte Umerziehung war erfolgreich.

Wir haben unser wichtigstes Ziel, das viele von uns über 45 Jahre mit heißem Herzen angestrebt haben, nämlich die Wiederherstellung Deutschlands unter Einschluß Ostpreußens, nicht erreicht. Gleichwohl sind wir der Devise „zurück zur Heimat“, unter der wir 1948 angetreten sind, 1990 / 1991 gefolgt, wenn auch in einem anderen Sinn als ursprünglich geplant. Dabei konnten wir für die heimatverbliebenen Landsleute einiges bewirken und mithelfen, daß im südlichen Ostpreußen und im Memelgebiet die deutsche Sprache graduell erhalten blieb. Dagegen haben wir auf dem sozialen und kulturellen Sektor Beachtliches erreicht. Ich nenne nur als Stichworte die Lastenausgleichsgesetzgebung und die Einrichtung der ostdeutschen Landesmuseen. Zum letzteren will ich nur anmerken, daß wir am vergangenen Dienstag vor acht Tagen einen beachtlichen Erfolg errungen haben. Vier Jahre harten Widerstandes hat es bedurft, um den Zuwendungsgeber (Bund) von seiner Absicht abzubringen, die Ostpreußische Kulturstiftung zu zerschlagen und das Ostpreußische Landesmuseum umzubenennen. Das war die Absicht des BKM unter der Schröder-Regierung. Was bei diesem vierjährigen Widerstand von Wolf-Dieter Carl, Hubertus Hilgendorff und mir zu leisten war, ist nicht zu beschreiben. Auch Hartmut Gassner ist dabei noch zu nennen.

Liebe Landsleute, die Landsmannschaft Ostpreußen hat sich nicht erledigt. Wir haben auch heute noch wichtige Aufgaben, auf die wir unser Augenmerk und unser Bemühen in den kommenden Jahren richten werden. Ich nenne diese Ziele:

1. Wir wollen für alle, die dies wünschen, insbesondere für die nachgeborene Generation, ein Rückkehrrecht in die Heimat durchsetzen. Das Recht auf die Heimat ist ein Menschenrecht. Das Recht auf die Heimat wird nicht realisiert durch die Freizügigkeit, die innerhalb der Europäischen Union heute möglich ist. Freizügigkeit nach heutigem EU-Recht bedeutet lediglich, daß man in allen EU-Ländern kurzfristig oder auf Dauer seinen Wohnsitz nehmen kann. Das Recht auf die Heimat bedeutet, daß man mit gesicherten Volksgruppenrechten als anerkannte Minderheit im Herkunftsland ohne Diskriminierung leben kann und alle Rechte der Mehrheitsbevölkerung auch für die Minderheit gelten. In diesem Sinne ist das Recht auf die Heimat weder im Königsberger Gebiet noch im heutigen südlichen Ostpreußen realisiert. 2. Wir wollen für alle Betroffenen und Beteiligten eine zumutbare und leistbare Regelung für das zurückgelassene und konfiszierte Eigentum erreichen. Dabei muß der Grundsatz gelten, Restitution kommt vor Entschädigung. Sofern die Bundesregierung bei ihrer Weigerung bleibt, eine Regelung der offenen Vermögensfragen mit Rußland, Polen und Tschechien anzustreben, wird sie wegen Versagung des diplomatischen Schutzes ihrer Bürger entschädigungspflichtig. Nach meinem Empfinden, ist dieser Zustand bereits eingetreten. 3. Wir wollen erreichen, daß weltweit eine Ächtung von Vertreibung und ethnischer Säuberung durchgesetzt wird. Weil dies nach 1945 unterblieben ist, konnten weiterhin Vertreibungen und ethnische Säuberungen auf der Welt praktiziert werden. Um diesen Punkt durchzusetzen, ist für die Bundesrepublik das Zentrum gegen Vertreibungen zu schaffen. 4. Wir fordern von den Vertreiberstaaten die Anerkennung der historischen Wahrheit über Flucht und Vertreibung. 5. Schließlich wollen wir die Einführung eines europaweiten Gedenktages für die weltweiten Opfer von ethnischen Säuerungen und Vertreibungen erreichen. Vertreibungen sind fast immer mit partiellem Völkermord verbunden. Aus Frankreich erreicht uns die Information, daß 180 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung die Einführung eines Gedenktages für die Opfer von Vertreibungen fordern. 6. Die Landsmannschaft Ostpreußen und ihre Mitglieder verstehen sich als Lobby für die heimatverbliebenen Landsleute und deren Nachkommen. Es gibt sonst niemanden, der diese Aufgabe wahrnehmen könnte. Dazu gehört, daß wir in Ostpreußen bei der polnischen Mehrheitsbevölkerung Vorbehalte gegen Deutschland und die deutsche Restbevölkerung versuchen abzubauen. Die Landsmannschaft Ostpreußen fördert den Meinungsaustausch zwischen polnischen Kommunal-Politikern aus Ostpreußen und deutschen Vertretern aus unserer landsmannschaftlichen Organisation. Soweit unsere Aufgaben und Anliegen für die Zukunft.

Hinsichtlich unseres Bemühens einen ständigen Gesprächsfaden mit polnischen Kommunalpolitikern zu knüpfen, will ich auf folgendes hinweisen: Nicht erst seit dem 1. Kommunalpolitischen Kongreß der LO im Jahr 2000 besteht von uns aus Gesprächsbereitschaft mit polnischen Kommunalpolitikern, sondern bereits seit 1992. Die Landsmannschaft Ostpreußen hatte 1992 ein erstes Sommerfest in Osterode unter meiner Leitung durchgeführt und dazu polnische Kommunalpolitiker aus verschiedenen Städten Ostpreußens eingeladen.

Mit der Einrichtung der Sozialstationen haben wir die Kontakte zu polnischen Repräsentanten verstärkt. Es war die massive Forderung des Bundesvorstandes und des Sprechers damals, die Sozialstationen räumlich an die Deutschen Vereine anzukoppeln. Meine Mitgliedschaft in der Preußischen Genossenschaft des Johanniterordens war wahrscheinlich ausschlaggebend, daß wir dies erreichen konnten. Damit war erst die Voraussetzung für die Einberufung des 1. Kommunalpolitischen Kongresses der LO im Jahr 2000 nach Frankfurt / Oder geschaffen.

Die weitere Entwicklung der Kongreßinitiative: 2001 in Elbing, 2003 in Köln, 2004 in Allenstein, 2005 in Dresden. Immer hat der Bundesvorstand dahintergestanden und die erforderlichen, erheblichen Finanzmittel bereitgestellt und dabei Bernd Hinz die Federführung für die Durchführung der Veranstaltungen übertragen.

Den zweiten Teil der Rede Wilhelm v. Gottbergs entnehmen Sie bitter der nächsten Ausgabe der Preußischen Allgemeinen Zeitung / Das Ostpreußenblatt (Folge 46), vom 17. November.


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