25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.11.07 / Als ob wir die Welt alleine retten könnten / Klimawandel und Energiepolitik: Notwendige Klarstellungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

Als ob wir die Welt alleine retten könnten
Klimawandel und Energiepolitik: Notwendige Klarstellungen
von Lienhard Schmidt

Globale und regionale Gipfeltreffen, ein Cocktail wissenschaftlich-politischer Hypothesen, ehrgeizige, wohlmeinende Absichtserklärungen, Konzepte mit fast utopisch anmutenden Erfolgserwartungen, viel guter Wille, die Welt vor dem Tod durch Klimawandel zu retten, all das kann den Blick nicht verstellen vor der Vernachlässigung naheliegender und zügiger Behandlung bedürftiger Schwerpunkte. Wie die Versorgungssicherheit mit sauberem, trinkbaren Wasser herzustellen für die Millionen Menschen, die in Ballungszentren der Schwellen- und der Entwicklungsländer Seuchen und Mangelerscheinungen vielfältigster Art ausgesetzt sind, weil eben diese Versorgung nicht existiert. Hier sind ja nicht nur Probleme technischer, sanitärer und hygienischer Art angesprochen, auch der Zugang zu den

Frischwasserressourcen kann aus machtpolitischen Erwägungen derer, die an den Quellen „sitzen“, zu Konflikten führen, deren Ausmaß noch unterschätzt wird. Hier liegen Fakten seit langem auf dem Tisch, ein Umweltschutzproblem mit gewaltigen Dimensionen harrt der Lösung, die nur in globaler Kooperation gefunden werden kann.

Doch für die Weltklimarettung hat sauberes Wasser wohl keine Priorität. Saubere Luft, zumindest C02-frei, steht zwar auf allen Klimarettungsprogrammen obenan, aber gerade dort, wo die C02-Emissionen durch den industriellen Aufbau am allerstärksten angestiegen sind (1990–2003, Quelle IWF / UN), nämlich in Indonesien (97,7 Prozent), Südkorea (89 Prozent), Indien (87,9 Prozent) und China (72,8 Prozent), zeigen große Schwellenländer wie China, Indien und andere vorerst keine Bereitschaft, über erste Verpflichtungen zur Senkung ihrer Emissionen auch nur zu verhandeln. So der letzte Stand auf der Berliner Konferenz der Wirtschafts- und Umweltminister der größten Wirtschaftsnationen. Umweltminister Gabriel betont zwar das Ziel, diese Haltung bis zu den Uno-Klimaverhandlungen im Dezember in Indonesien zu verändern. Wegen des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums in den Schwellenländern werden deren Emissionen aber schon in naher Zukunft den Ausstoß der Industrieländer überholen. Deutschland hatte übrigens im Zeitraum 1990 bis 2003 seinen C02-Ausstoß um 14,7 Prozent verringert. Die Bundesregierung scheint entschlossen, in jedem Falle, was auch andere Länder tun oder nicht tun, unsere hochgesteckten Klimaschutzziele im Rahmen der EU-Ziele und darüber hinaus auf nationaler Ebene durchzuziehen.

Ob die Hoffnung berechtigt ist, daß andere Länder dem deutschen Beispiel folgen, ist absolut offen. Schließlich denken unsere Nachbarn, hierin den Schwellenländern nicht unähnlich, zunächst an die Folgen für die nationale Wirtschaft. Frankreich wird sich seinen hohen Kernkraftanteil an der Energieerzeugung als voll gültigen Beitrag zur Einschränkung der C02-Emissionen anrechnen lassen. Damit wird Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit (im Weltvergleich niedrige Energie(Strom)preise) gesichert. Eine innereuropäische Solidarität, das heißt konkrete gegenseitige Unterstützung, um optimale Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung für alle EU-Mitglieder sicherzustellen, ist nicht erkennbar. Jedes Mitglied wird auf seine Weise die unter der deutschen Präsidentschaft vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen suchen. Das nationale deutsche Programm zur Erfüllung beziehungsweise Übersollerfüllung, so wie es derzeit steht, enthält Ziele, deren Erfüllung der deutschen Wirtschaft und den Energieverbrauchern insgesamt sehr hohe Kosten bringen, die beispielsweise in Frankreich nicht anfallen.

Auch in den EU-Ländern, die klar zu erkennen geben, daß erneuerbare Energien die Kernkraft nicht ersetzen können, werden hier schon mittelfristig Wettbewerbsvorteile gegenüber der Bundesrepublik Deutschland wirksam, die unser Land um so empfindsamer treffen werden, als unser energiepolitisches Programm in der Sicherung der Grundlast (täglicher Strombedarf der Wirtschaft und der privaten Haushalte) durch den stufenweisen Ausstieg aus der Kernkraft und die geplante Verstärkung des Windkraftanteils, der wetterabhängig ist, Risiken schafft, deren Ausmaß noch steigt, wenn die Modernisierung und / oder der Neubau von Kohle / Braunkohlekraftwerken selbst mit C02-Reduktionsanlagen auf Widerstand der Bevölkerung stößt und wenn die forcierte Verwendung von Biomasse, insbesondere die der Ernährung entzogenen Pflanzen, weltweit wachsende Kritik erzeugt. Letzteres nicht nur wegen der preistreibenden Wirkung auf Grundnahrungsmittel (global), sondern auch, wie aktuelle Analysen der OECD zeigen, wegen der C02-Emissionen in Verbindung mit der Zubereitung von Biomasse zur Produktion von Treibstoff für Kraftfahrzeuge und wegen der damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Kosten. Gerade der Kostengesichtspunkt ist eine der Achillesfersen der deutschen Energie- und Klimapolitik. Deren gesamtes Maßnahmenpaket, so vernünftig einzelne Punkte auch sein mögen, zieht Aufwendungen nach sich, Kosten, die letzten Endes die Endverbraucher zu tragen haben. Wer hat die Frage sachgerecht und sorgfältig geprüft, was hier auf die deutsche Wirtschaft im Zeichen immer härter werdender Konkurrenz im Weltmarkt und auf die in Deutschland lebenden Menschen an Kosten zukommt durch den deutschen Sonderweg in Sachen Klimaschutz und Energiepolitik?

Der Bundeswirtschaftsminister hat auf eine Kosten-Nutzenanalyse in Bezug auf alle klima- und energiepolitischen Maßnahmen gedrungen, Schätzungen deuteten in die Richtung von 70, andere von 40 Milliarden Euro (pro Jahr?). Man sollte in diesem Zusammenhang daran denken, daß der Anteil der Pensionäre und Rentner jährlich wächst, wobei deren Einkommen seit langem so gut wie stagniert. Arbeitslose und die unteren Lohn- und Gehaltsklassen dürften ähnlich den Rentnern über keine Reserven für kräftig anziehende Preise bei Strom, Gas und Heizung sowie durch Wärmedämmung steigende Miete etc. verfügen.

Unser Land liegt im Umweltschutz gut im Rennen, es muß nicht weiter galoppieren, wenn der Rest der Welt die Dinge gelassener sieht als wir. „Die Welt“ brachte kürzlich im Forum in einem Leitartikel zur Debatte über die Kernkraft ein Zitat, das auch generell für die Thematik Klimawandel-Energiepolitik und Umweltschutz Sinn macht: „Die Öffentlichkeit allgemein und in endzeitperspektivischen Fragestellungen die deutsche ganz speziell, bemächtigt sich beliebiger Themen zunehmend in Gestalt von Affektschüben, unter weitgehendem Verzicht auf abwägende Rationalität.“

Können wir noch darauf vertrauen, daß der gesunde Menschenverstand in abwägender Rationalität, das heißt ja auch unter Verzicht auf ideologische Vorgaben, die Weichen für die Zukunft richtig stellt, soweit Menschenwerk überhaupt Zukunft bestimmen kann?


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren