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17.11.07 / Alarmisten auf den Leim gegangen / Novellierung des Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung: Staat kann keineswegs mithören

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-07 vom 17. November 2007

Alarmisten auf den Leim gegangen
Novellierung des Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung: Staat kann keineswegs mithören
von Hans Heckel

Nach Ton und Ausmaß der Proteste zu urteilen, hat die Große Koalition am 9. November das Fernmeldegeheimnis so gut wie außer Kraft gesetzt. In der Novellierung des Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung erblickt die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einen „Paradigmenwechsel beim Datenschutz“. Der vergangenes Wochenende aus dem Amt geschiedene, langjährige Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank-Ulrich Montgomery, sieht uns gar einer Jahrtausendkatastrophe gegenüber: Der Eid des Hippokrates, der das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient garantiere, sei seit seinem 2500jährigen Bestehen nun erstmals bedroht. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Michael Konken, ruft Szenen ins Gedächtnis, wie wir sie aus Diktaturen gewohnt waren: „Wo werden sich künftig noch Informanten finden, die sich mit Journalisten unterhalten, damit die Journalisten investigativ arbeiten können? Das geht dann eigentlich nur noch auf der Parkbank.“ An zahlreichen Orten haben Demonstranten unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ gegen die „Totalprotokollierung der Telekommunikation“ protestiert.

Nur Wichtigtuerei? Bundesjustizministerin Brigitte Zypries versuchte, die Wogen zu glätten, der Sturm der Erregung ging über alle sachlichen Einwände der SPD-Politikerin hinweg. Beim Blick in den Gesetzestext erscheint die Aufregung indes schwer verständlich. Was wird sich ändern?

Telekommunikationsfirmen wie etwa die Telekom können bislang die Verbindungsdaten ihrer Kunden ohnehin schon drei bis sechs Monate lang speichern. „Verbindungsdaten“ heißt: Nur, wer von welcher Nummer welche Nummer wann angerufen hat, darf gespeichert werden, nicht der Inhalt des Gesprächs. Das gleiche gilt fürs Internet und für den E-Mail-Verkehr: Wer war wann im Internet oder wer hat wem wann eine E-Mail geschickt, darf gespeichert werden. Daran soll sich nach dem neuen Gesetz auch künftig nichts ändern: Nicht gespeichert werden soll weiterhin, welche Internet-Seiten aufgerufen wurden oder welchen Inhalts eine E-Mail war.

Die Telekommunikations-Unternehmen speichern die Daten bislang für geschäftliche Zwecke. So können sie bei Unstimmigkeiten über eine Telefonrechnung herangezogen werden.

Die neue Gesetzesregelung soll gewährleisten, daß elektronische Verbindungen krimineller Netzwerke oder Absprachen zu Straftaten später rekonstruiert werden können. Die neue, vom scharfen Widerstand begleitete Regelung sieht lediglich vor, daß die Telekommunikationsfirmen die Verbindungsdaten künftig sechs Monate speichern müssen, statt wie bislang drei bis sechs Monate bevorraten dürfen.

Daß hierdurch der „Überwachungsstaat“ per Gesetzesnovelle von der Leine gelassen würde, weisen die Autoren der Reform strickt zurück. Der Zugriff auf die Daten durch Polizei oder Staatsanwaltschaft werde sogar noch strenger als bisher reglementiert. Erst aufgrund eines richterlichen Beschlusses dürften die Sicherheitsorgane – wie bisher auch – die gespeicherten Verbindungsdaten eines Verdächtigen bei dem Telekommunikationsunternehmen einholen, wenn der Verdacht auf eine Straftat besteht.

Etwaige richterliche Abhörgenehmigungen würden von der Gesetzesreform sogar erschwert, weil sie nur noch bei dringendem Verdacht auf schwere Verbrechen erteilt werden dürften, die „grundsätzlich mit mindestens fünf Jahren Höchststrafe bedroht sind“, wie es in der Erklärung des Bundesjustizministeriums heißt. Der Schutz von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Rechtsanwälten und Journalisten werde verbessert, weil nicht mehr nur das Zeugnisverweigerungsrecht bei Vernehmungen gelte, sondern etwa der Journalist künftig bei allen Ermittlungsaktionen geschützt sei.

Eine Möglichkeit, das Telefongespräch etwa eines Journalisten abzuhören, bildet wie bisher die „Verstrickungsregelung“, das heißt, der Verdacht, daß ein Journalist nicht bloß Kenntnis von einem Vergehen hat, sondern selbst darin verwickelt ist. Eine Abhörgenehmigung können die Behörden nur noch erlangen, wenn sie den Verstrickungsverdacht mit Tatsachen belegen können. Der begründete Verdacht, der bisher dafür ausreichte, genüge künftig nicht mehr.

Fest steht: Weder dürfen Polizei oder Staatsanwaltschaft nach der Neuregelung die Verbindungsdaten von Ärzten oder Journalisten nach Belieben abfragen, noch gar Berufsgeheimnisträger wie die genannten nach eigenem Ermessen abhören. Das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten (Quellenschutz) wie die ärztliche Schweigepflicht bleiben von der Novelle unberührt. Inwiefern also der hippokratische Eid von der Gesetzesreform beschädigt werden soll, das bleibt das Geheimnis von Frank-Ulrich Montgomery. Denn vom Abhören von Patientengesprächen mit ihrem Arzt ist keine Rede.

In der deutschen Öffentlichkeit haben die Alarmisten wie er nur für überflüssige Verwirrung gesorgt. Für eine kritische Begleitung der Regierungspolitik bietet die Große Koalition wahrlich genug Anlaß, dies war der falsche.


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