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17.11.07 / Augen zu und durch / EU und Rußland werden auch in Zukunft wirtschaftlich eng miteinander verbunden sein / Von M. Rosenthal-Kappi

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-07 vom 17. November 2007

Augen zu und durch
EU und Rußland werden auch in Zukunft wirtschaftlich eng miteinander verbunden sein
Von M. Rosenthal-Kappi

Am Ende seiner Amtszeit scheint sich der russische Präsident Wladimir Putin auf Konfrontationskurs gegenüber der Europäischen Union zu befinden. Rußland wirft der EU Arroganz im Umgang mit seinen Interessen sowie eine Nichtanerkennung seiner wiedererlangten Stärke, vor allem hinsichtlich seiner Bedeutung als politischer und wirtschaftlicher Partner, vor. Die EU äußert im Gegenzug Besorgnis über Putins rücksichtslose Außenpolitik, die härtere Politik und Rhetorik im Innern.

Dessen ungeachtet ist man sich einig über die enge Verflechtung beider Wirtschaftsmächte und die Notwendigkeit weiterer vertrauensvoller Zusammenarbeit. Heute kommen etwa 70 Prozent der Direktinvestitionen in Rußland aus der EU, und auch Rußland investiert immer mehr in EU-Unternehmen.

Mit dem ersten Abkommen über Partnerschaft und Kooperation zwischen Rußland und der EU vor zehn Jahren wurden die Grundlagen für die wirtschaftliche Beziehung beider Mächte geschaffen. Berücksichtigt man, daß seitdem die EU zum wichtigsten Handelspartner für Rußland geworden ist und viele Investitions-Möglichkeiten geschaffen wurden, ist die Bilanz so schlecht nicht. 60 Prozent der Vereinbarungen der letzten Dekade trugen wirtschaftlichen Charakter. Auf politischer Ebene kam es zur fruchtbaren Zusammenarbeit in Organisationen und Foren. Jährlich finden zwei EU-Rußland-Gipfel statt, zehn bis zwölf Expertengruppen treffen sich, um über internationale und regionale Fragen zu beraten. Es entstand ein gewisses Maß an Vertrauen in die Außenpolitik Rußlands.

Offensichtlicher tritt die gegenseitige Abhängigkeit im Energiebereich zutage. Es ist zugleich der wichtigste wie auch der heikelste Punkt der gegenwärtigen Beziehungen. Rußland liefert allein 24 Prozent des in der EU benötigten Gases. Seit dem Jahr 2000 wuchs Rußlands Ölexport in Rekordhöhe. Laut EU-Prognosen wird deren Abhängigkeit von ausländischen Gasversorgern bis 2030 auf 81 Prozent steigen, bei Öl auf 93 Prozent. Aufgrund des rigiden Vorgehens russischer Energieerzeuger gegen die Ukraine und immer wieder auftretender Konflikte mit ehemaligen Partnern muß Rußland sich dem Vorwurf der EU aussetzen, seinen Energiereichtum als Erpressungs-Instrument gegen Widersacher zu nutzen. Eine Diskussion hierüber lehnen die Russen als zu „emotional“ geführte Gespräche ab. Aus russischer Sicht ist die EU aber nicht nur ein Partner, sondern auch ein Konkurrent, dem gegenüber das Land seine Konkurrenzfähigkeit unter Beweis stellen möchte. An einer Konfrontation ist laut Jurij Schafranitz, Chef des Verbands der Öl- und Gasproduzenten Rußlands, niemand interessiert. Es gehe lediglich darum, daß Rußland sich die Anfang der 90er Jahre verlorenen Positionen zurückhole.

Auf dem Energiesektor sind Rußland und die EU unausweichlich miteinander verbunden. Die EU ist auf eine verläßliche Belieferung mit Energie angewiesen, Rußland auf eine stetige Nachfrage. Das Land rechnet damit, in den kommenden 25 Jahren eines der wichtigsten Energiepotentiale Eurasiens zu stellen. Um der steigenden Nachfrage gerecht werden zu können, sind gewaltige Investitionen notwendig, die Rußland ohne Hilfe der EU nicht leisten kann. Allein für die Erschließung der Halbinsel Jamal müssen in den nächsten Jahren 25 Milliarden Dollar aufgebracht werden.

Genau hier liegt jedoch neues Konfliktpotential in der Luft. Rußland verwehrt ausländischen Investoren den freien Zugang zu Öl- oder Gasreservaten, da man ihm den Zugang zu den europäischen Energiemärkten bislang versagt.

Als Grundlage für eine vertrauensvolle und vorhersagbare Partnerschaft sieht Rußland neben dem Zugang russischer Waren zu europäischen Märkten auf lange Sicht auch die Einführung der Visafreiheit. Für die derzeitigen Spannungen machen russische Experten die EU-Osterweiterung verantwortlich, vor allem das Verhalten des ehemaligen Bündnispartners Polen. Dies seien „Wachstumskrankheiten“, die man abwarten könne, so ein Kommentar.

Auf lange Sicht werden beide Mächte sich aufeinander zubewegen müssen, sonst könnten sie am Ende noch hinter wachstumsstarke Staaten aus Südamerika oder Südostasien zurückfallen.

Foto: Nicht so autark, wie er gerne wäre: Putin trifft die EU-Vertreter Barroso (l.) und Socrates.


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