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17.11.07 / Wenn der Nebel alles in einen Schleier hüllt / Gedanken zum November, einem Monat mit so unterschiedlichen Gesichtern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-07 vom 17. November 2007

Wenn der Nebel alles in einen Schleier hüllt
Gedanken zum November, einem Monat mit so unterschiedlichen Gesichtern
von H. Rauschenbach

November“ so heißt der elfte Kalendermonat des Jahres im Lateinischen, in unserer altdeutschen Sprache wird er „Nebelung“ genannt. Unsere Altväter müssen den Jahresablauf wohl sehr genau beobachtet haben, um jedem Monat einen Namen zu geben, der seine besondere Charakteristik hervorhebt. So hieß der Januar „Hartung“ (harter Frost), der Februar „Hornung“ (Hornblasen der Jäger), dann ging es weiter mit „Lenzing“, „Ostermond“ und „Wonnemond“. Mit „Bracht“, „Heuet“ und „Ernting“ wurden Feldarbeiten bezeichnet. Im „Scheiding“ scheidet der Sommer, der „Gilbhard“ bringt gelbes Laub, der „Nebelung“ den Nebel, und der „Julmond“ schließt das Jahr mit der alten Bezeichnung für die Wintersonnenwende ab. Ich erinnere mich, die altdeutschen Namen in der Schule noch gelernt zu haben, jetzt aber mußte der Duden nachhelfen.

Wie treffend der Name „Nebelung“ für den November ist, beweist in jedem Jahr der oft einsetzende Nebel, der bei Windstille mehrere Tage herrschen kann und Behinderungen im Flug- und Autoverkehr verursacht. Ganze Landstriche vermag dieses Naturschauspiel unseren Blicken zu entziehen und bietet uns wiederum einen Blick auf unser Umfeld, das in einen zarten Schleier gehüllt scheint. So kann ein Spaziergang bei Nebelwetter durchaus eine erfreuliche Abwechslung sein und Damen eine teure Sitzung im Kosmetik-Salon ersparen: Sie erhalten eine verjüngend wirkende Gesichtspackung gratis.

Der November zeigt uns auch gern sein anderes Gesicht: Sturmböen jagen über das Land, treiben dunkle Wolkengebilde vor sich her, aus denen der Regen niederprasselt und gegen die Fensterscheiben peitscht, oder, wenn man unterwegs ist, gegen die Beine. Wenn sich dann der aufgespannte, schützende Schirm auskehrt und vom Sturm aus der Hand gerissen wird, das nasse, an den Schuhsohlen klebende Laub uns ausrutschen und auf die Nase fallen läßt, dann war es ein „erlebnisreicher“ Tag. Dank unserer fortgeschrittenen Zivilisation können wir uns in unseren Regionen gegen fast alle Wetter-Kapriolen wehren. Die einfallsreiche Kleidungsindustrie bietet wasser- und winddichte Kleidung, mit Daunen gefüllte Jacken ersetzen den verpönten Pelz, und die Füße schützen Stiefel mit wärmendem Innenfutter vor Kälte. Kommen wir trotzdem noch „verhubbert“ nach Hause, erwartet uns eine zentralbeheizte Wohnung und ein heißes Duschbad.

Doch – die Erinnerung ist immer präsent – wie erlebten wir, die wir auf dem Lande lebten, den November mit seinen neblig-trüben und kurzen Tagen? Bis in den Vormittag hinein brannte damals die Petroleumlampe in der Küche und wurde bereits um die Kaffeezeit wieder angesteckt. Auch das Vieh mußte im Stall bei Laternenlicht versorgt werden. Und wie waren wir damals gekleidet, wie schützten wir uns gegen Kälte? Als erstes fallen mir dabei die langen, fast ständig kratzenden Strümpfe ein, die, mit einem Knopf versehen, mit einem breiten Wirk-Gummiband an ein Leibchen aus Barchend geknöpft waren. „Wistchen“ nannten wir das Leibchen. Eine andere Unterwäsche für kalte Tage war der Unterzug, eine Kombination aus lang- oder kurzärmeligem Hemd und langer Unterhose aus etwas angerauhtem Trikot, vorne zu knöpfen. Für besondere Bedürfnisse gab es am hinteren Hosenteil eine abknöpfbare Klappe und für die Jungs zusätzlich vorne einen Schlitz. Wie praktisch wäre es gewesen, nun über den Unterzug eine lange Hose zu ziehen, aber die gab es damals einfach nicht; weder für Jungs, noch für Mädchen oder Frauen. So blieb uns Kindern als Schutz gegen das Novemberwetter nur die Pudelmütze, der von Oma gestrickte Schal, das Mäntelchen und die halbhohen Schnürschuhe. Aber halt – da gab es noch etwas: Die Überschuhe! Deren Material bestand aus kräftigem schwarzen Gummi mit einer blanken Oberfläche, sie waren seitlich mit großen Druckknöpfen zu schließen. Man schlupfte mit den Schuhen hinein und behielt bei Matschwetter trockene Füße.

Natürlich bedeckte der Nebel im Herbst auch bei uns das weite Land, Stürme heulten und pfiffen um den Schornstein, brachten prasselnden Regen mit sich, der aber im November oftmals schon in Schnee überging; immerhin lebten wir in Ostpreußen auf dem 55. Breitengrad.

Verbunden mit diesem Wetter bleibt in mir ein Bild gefestigt: Mein Vater kommt vom abendlichen Beschicken (Versorgen des Viehs) in die Küche, hält die Hände über den bullernden Herd und sagt: „Herrjeih, das ist draußen mal wieder e Wetterche, mecht’s nich dem Hund rausjagen.“ Dann zog er seine Joppe aus, steckte sich ein Pfeifchen an und setzte sich im Wohnzimmer auf die Ofenbank.

Foto: Waldweg im Herbst: Die leuchtenden Farben, unter den Füßen raschelndes Laub und die besondere Stimmung laden zu einem Spaziergang ein.


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