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17.11.07 / So wild ist die Ehe auch nicht / Von »Dinks« und nicht verheirateten Paaren / Das bleibt in der Familie (Folge 4)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-07 vom 17. November 2007

So wild ist die Ehe auch nicht
Von »Dinks« und nicht verheirateten Paaren / Das bleibt in der Familie (Folge 4)
von Klaus J. Groth

Eine Familie ist auch ohne Kinder eine Familie. Und eine Familie kann auch ohne Trauschein der Eltern eine Familie sein. Unter dem Sammelbegriff „Familie“ hat der Gesetzgeber viel Platz geschaffen. Nachdem wir in unserer Bestandsaufnahme, was alles als Familie gelten kann, in den beiden vorausgegangenen Folgen die traditionelle Familie, die Ein-Eltern, die Patchwork- und die Großfamilie vorstellten, heute nun das kinderlose Ehepaar und die wilde Ehe.

Niemand trägt auf einem Schild mit sich die Auskunft herum, ob ihm Kinder versagt geblieben sind oder ob er sie sich versagt hat. Fest steht: Jede dritte Ehe in Deutschland bleibt ohne Kinder. Die Neidgesellschaft prägte dafür den Begriff „Doppelverdiener ohne Kinder“. Die „Dinks“ (double income, no kids) in der Nachbarschaft machen vor, wie famos es sich ohne Kinder leben läßt: Urlaub in der Ferne, nicht auf die Ferienzeiten angewiesen sein und immer über etwas mehr Geld für besondere Anschaffungen verfügen. Das klingt toll – aber ist es das auch? Der Preis wird gezahlt durch den Verzicht auf das Kind. Das ist ein hoher Preis. Menschen, die sich Kinder wünschen, finden, es sei ein zu hoher Preis für ein bißchen zusätzlichen Spaß.

Mit dem zweifelhaften Privileg eines „Dinks“ leben mehr als 22 Millionen Menschen in Deutschland, also 24 Prozent. Über die gescheiterten Versuche, den Wunsch nach Kindern doch noch zu erfüllen, spricht niemand gern. Und so bleiben sie alle in einer Kategorie, diejenigen, deren Wunsch nicht in Erfüllung ging, und diejenigen, die ganz bewußt auf Kinder verzichteten. Denn seit der Einführung der Pille ist es einfach, Spaß am Sex zu haben, ohne befürchten zu müssen, daß „es passiert“.

Auf jeden Fall gehören zu einer Familie immer zwei, drunter ist es wirklich nicht zu machen.

Die Bezeichnung „wilde Ehe“ ist ein Relikt aus jener Zeit, in der man in diesem Zustand des Zusammenlebens etwas Verwerfliches sah, nicht gesellschaftsfähig, aber doch irgendwie aufregender und prickelnder als eine ganz gewöhnliche Ehe. Dabei gibt sich das Aufregende und Prickelnde auch in solchen Verbindungen mit der Zeit, die „wilde Ehe“ ist in dieser Hinsicht nicht anders als die weniger wilde, nur daß eben der Trauschein fehlt.

Zwei Millionen Paare leben in Deutschland in solch einer eheähnlichen Beziehung. Und die meisten haben ein oder mehrere leibliche Kinder. Was sie nicht hatten, war die Zeit für das Standesamt.

Doch der fehlende Trauschein macht den Unterschied. Rechtlich ist die eheähnliche Gemeinschaft nicht so sicher gestellt wie die traditionelle Ehe. Das dicke Ende kommt erst, wenn das Ende der Beziehung naht. Seit 1970 können nicht verheiratete Paare für ihre leiblichen Kinder sorgen. Doch im Fall einer Trennung hat der Vater keinen Anspruch auf ein mögliches Sorgerecht.

Das Bundesverfassungsgericht hat die eheähnliche Lebensgemeinschaft zwar als „gegenseitige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“, anerkannt, die über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht, aber eine Gleichstellung mit der traditionellen Ehe wurde daraus nicht abgeleitet.

Spielverderber ist wieder einmal der Papst. Benedikt XVI. redete seinen Schäflein ins Gewissen, Ehe und Familie seien keine „soziologische Konstruktion”, sondern ein Abbild der Liebe Gottes. Und er geißelte die heutigen „Formen der Auflösung“ wie „Ehe ohne Trauschein, Ehe auf Probe oder Pseudo-Ehen zwischen Personen gleichen Geschlechts“. Sie seien „Ausdruck einer anarchischen Freiheit, die sich fälschlicherweise als wahre Befreiung des Menschen darstellen will“. Nach der Lehre des Vatikans ist Sexualität eben nur in einer Ehe mit Kinderwunsch möglich.

Solche fundamentalistischen Ansichten bleiben nicht ohne Widerspruch. Der bekennende Homosexuelle Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, warf Benedikt „theologische Unbarmherzigkeit und pharisäerhafte Überheblichkeit“ vor. Als wackerer Streiter für die Rechte Homosexueller weltweit im Einsatz, legt sich der Abgeordneten Beck ohnehin für die Gleichstellung der „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ mit der Ehe ins Zeug. Doch darüber mehr in der nächsten Folge.

In der nächsten Folge lesen Sie: Wenn Mama Frauen liebt / Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft mit Kinderwunsch

 

Familienmenschen

Soraya Esfandiary Bakhtiari (* 22. Juni 1932 in Isfahan, Iran; † 25. Oktober 2001 in Paris). Von 1951 bis 1958 war Soraya an der Seite des letzten Schahs Kaiserin von Persien. Ihr Schicksal füllte die Seiten der Regenbogenpresse. Scheinbar die ganze Welt nahm Anteil an der Kinderlosigkeit des Paares. Soraya war die Tochter der Deutschen Eva Carl und deren persischen Ehemannes Fürst Khalil Esfandiary Bakhtiari, des iranischen Botschafters in der Bundesrepublik Deutschland. 1951 heiratete Soraya im Golestanpalast von Teheran Schah Mohammad Reza Pahlavi. Weil der erhoffte Thronerbe ausblieb, beugte sich das Paar der Staatsräson, die Ehe wurde am 6. April 1958 geschieden. Später lebte Soraya in Paris. Die verstoßene Kaiserin auf dem Pfauenthron wurde auf dem Westfriedhof in München beigesetzt.

Günther Johannes Jauch (* 13. Juli 1956 in Münster, Westfalen) Showmaster („Wer wird Millionär?), Journalist, Produzent. Nach 18 Jahren „wilder Ehe“ mit Dorothea Sihler war auch der als konservativ geltende Günter Jauch reif für die Ehe. Das Paar heiratete im Juli 2006 standesamtlich auf dem Pfingstberg (Potsdam). Seit 1990 lebt das Paar mit vier Kindern in einer Villa am Heiligen See in Potsdam. Für zwei der Kinder sind Dorothea und Günter Jauch die leiblichen Eltern, zwei Kinder kamen als Waisen aus Sibirien und wurden adoptiert.

Silvana Koch-Mehrin (* 17. November 1970 in Wuppertal), FDP-Europaabgeordnete, Vorsitzende der FDP-Gruppe innerhalb der ALDE-Fraktion und erste stellvertretende  Fraktionsvorsitzende. Sie lebt seit 1997 in Brüssel. Mit dem irischen Rechtsanwalt James Candon hat sie zwei Töchter: „Bevor ich Kinder hatte, wurde ich oft als eine Frau dargestellt, die ihre Pflicht dem Vaterland gegenüber nicht erfüllt; die keine Kinder möchte wegen der Karriere. Als ich dann Kinder hatte, wurde ich plötzlich als Rabenmutter betrachtet, die es nicht lassen kann, berufstätig zu sein - zu Lasten ihrer Kinder. Oder als eine Art Wunderwesen: eine, die alles schafft.“


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