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24.11.07 / Unsozialer Sozialstaat / Dänen setzen in der Politik auf andere Werte als die Deutschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

Unsozialer Sozialstaat
Dänen setzen in der Politik auf andere Werte als die Deutschen
von Rebecca Bellano

Deutsche Politiker wie Kurt Beck oder Andrea Nahles wären in Deutschlands nördlichem Nachbarland vollkommen aufgeschmissen. Während sie hier den „demokratischen Sozialismus“ ausrufen und mit ihrer stärkeren Hinwendung Richtung Linkspartei in der Wählergunst punkten können, hätten ihnen die Dänen die kalte Schulter gezeigt. Aus der Sicht deutscher Linker wird Dänemark unsozial regiert, doch die Dänen sind offenbar zufrieden mit ihrem Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen, und auch wenn er bei den von ihm initiierten vorgezogenen Neuwahlen nicht wie erhofft mehr Stimmen gewann, sondern sogar sechs seiner zuvor 52 Mandate für seine angekündigte Reformpolitik verlor, so bleibt er doch immer noch Dänemarks unangefochtene Nummer eins.

Rasmussens Reformpolitik besteht übrigens aus Steuersenkungen zur Ankurbelung des Konsums, um den Aufschwung zu stützen. Doch die Dänen, die deutlich mehr Steuern zahlen als die Deutschen – beispielsweise 25 Prozent Mehrwertsteuer auf alles (auch Lebensmittel) –, wollen aus Sorge um ihren Wohlfahrtsstaat nicht, daß die Steuern gesenkt werden.

Da in Dänemark die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosigkeit nach EU-Statistik bei 3,3 Prozent liegt, kann sich Rasmussen aber auch auf Akzeptanz seiner Nicht-Wähler verlassen. Den Dänen geht es gut und im Gegensatz zu den Deutschen haben sie keine Angst vor der Globalisierung. Nach einer EU-Umfrage erhoffen sich sogar 70 Prozent der Dänen einen Vorteil durch den offenen Weltmarkt. Dänemarks Wirtschaftswachstum scheint sie darin zu bestärken. Und die Politik des 54jährige Rasmussen steht für diese fetten Jahre. Außerdem gibt es da noch eine dänische „Wunderwaffe“, die Brüssel jetzt EU-weit einsetzen will, nachdem Österreich und ganz Skandinavien hiermit punkten konnten. Flexicurity heißt das Zauberwort, was aus den englischen Wörtern flexibility und security (Flexibilität und Sicherheit) zusammengesetzt ist. Es setzt sich aus drei Säulen zusammen. Die erste Säule ist ein flexibler Arbeitsmarkt. Es gibt in Dänemark so gut wie keinen Kündigungsschutz, so daß Arbeitgeber sofort auf ihre Auftragslage reagieren können. Dies ist möglich, obwohl die Dänen zu gut 80 Prozent gewerkschaftlich organisiert sind. Allerdings arbeiten die Gewerkschaften überwiegend dezentral und so wird vor Ort nach jeweiliger Sachlage bei den Unternehmen entschieden. Die zweite Säule macht die erste erst möglich, denn ein hohes Maß an sozialer Sicherheit läßt die Dänen das Modell des hire-and-fire klaglos hinnehmen. Das Arbeitslosengeld beläuft sich auf maximal 90 Prozent des zuletzt erhaltenen Lohns bei einer Deckelung von 89,41 Euro pro Tag. Dieses Geld wird maximal vier Jahre gezahlt, bevor es in die Sozialhilfe geht, doch soweit soll es gar nicht kommen, denn die dritte Säule bedeutet aktive Arbeitsmarktpolitik, sprich, die Pflicht der Arbeitnehmer, sich einem individuellen Maßnahmenkatalog zu stellen, der im schlimmsten Fall mit einer der Qualifikation nicht entsprechenden Arbeit endet. Wer nicht mitmacht, bekommt kein Geld. Doch da die Arbeitslosigkeit gering ist, betrifft diese strenge Regelung sowieso nur eine Minderheit. Dänemarks Wirtschaft floriert sogar dermaßen, daß das Land Arbeitskräfte aus Deutschland anwirbt. Allerdings heißt das nicht, daß die Rasmussen-Regierung auf Zuwanderung setzt. Im Gegenteil, die Zuwanderung wurde gestoppt, das Königsreich erfüllt nur noch seine internationalen Verpflichtungen im Bereich der Aufnahme von Flüchtlingen, alle anderen Nicht-Europäer haben in Dänemark nur eine Chance, wenn sie dort studieren oder als Facharbeiter arbeiten wollen. Ausländische Nettoempfänger will das Land nicht mehr, da es nach seiner Meinung genug damit zu tun hat, die bereits in Dänemark lebenden zu integrieren. Die hohe Arbeitslosenquote und die Ausbildungsabbruchquote von 60 Prozent bei Ausländern sowie die Ghettoisierung beschäftigen die Dänen so sehr, daß Rasmussen mit seiner strengen Ausländerpolitik auf große Zustimmung stößt. Während ausländische Verbände in Deutschland Sturm laufen, weil das Mindestalter der Ehegatten bei der Familienzusammenführung auf 18 hochgesetzt wurde, liegt es in Dänemark inzwischen bei 24 Jahren, außerdem müssen sie sich selber versorgen können. Auch bei Sprachkursen und Gesellschaftskunde verlangen die Nordlichter ihren „Neudänen“, so die offizielle Bezeichnung, eine Menge ab. Neben einem Integrationsvertrag muß der Einwanderer auch eine Erklärung zur aktiven Teilnahme an der dänischen Gesellschaft unterschreiben. Außerdem gibt es nur eine reduzierte Sozialhilfe von 743 Euro statt 1153 Euro. Arbeit wird in Dänemark als Schlüssel für geglückte Integration gesehen, so daß Arbeiten für Ausländer Pflicht ist. Allerdings kostet es viel Zeit und Geld, die zumeist geringqualifizierten und einer anderen Kultur Angehörenden ins Arbeitsleben zu integrieren und ihnen so soziale Kontakte und ein neues Selbstwertgefühl zu geben. Muslimische Frauen, die nicht im Kindergarten aushelfen wollen, weil die Zöglinge dort Schweinefleisch essen oder die nicht in einem anderen Stadtteil arbeiten können, weil ihr Mann ihnen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel – dort sind Männer – untersagt, gibt es auch in Dänemark, doch derartige Gründe werden dort nicht akzeptiert. Das hat jedoch dazu geführt, daß sich die dänische Integrationsministerin Rikke Hvilshoj in entsprechenden Kreisen keine Freunde gemacht hat. Nach einen Brandanschlag 2005 auf die 37jährige und ihre Familie will sie in der dritten Legislaturperiode unter Rasmussen nur noch einfache Abgeordnete sein.

Foto: Hatte sich ein besseres Ergebnis erhofft: Wahlsieger Anders Fogh Rasmussen


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