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24.11.07 / »Neues Blut, neue Menschen« / Präsident und Opposition in Georgien demonstrieren weiterhin Kampfbereitschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

»Neues Blut, neue Menschen«
Präsident und Opposition in Georgien demonstrieren weiterhin Kampfbereitschaft
von M. Rosenthal-Kappi

Es wird weiter demonstriert. Nur wenige Tage nach Aufhebung des Ausnahmezustands in Georgien zeigt sich die Opposition, bestehend aus der Vereinigung von sieben Einzelparteien unter Führung des oppositionellen Unternehmers und Medienfürsten Badri Patarkazischwili,  der mittels seines privaten Senders „Imedi TV“ offen zum Sturz der Regierung Saakaschwili aufrief, ungebrochen kampfbereit. Die Opposition setzt sich für ein demokratisches Georgien nach westlichem Vorbild ein, für die Achtung der Menschenrechte und der Pressefreiheit.

All dies hatte auch Michail Saakaschwili zum Ziel, als er nach der erfolgreichen Rosenrevolution 2003 am 4. Januar 2004 mit überwältigenden 96 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt wurde. Seinen Worten folgten zugleich Taten. Sein Kabinett besetzte er mit im Westen lebenden georgischen Akademikern, zu seinen Beratern zählten Fachleute aus den USA. Korrupte Staatsdiener mußten ihren Hut nehmen.

Der 1967 in Tiflis geborene Sohn eines Arztes und einer Professorin ist von Beruf Rechsanwalt. Er studierte Jura in Kiew, diente zwei Jahre bei den sowjetischen Grenztruppen. Er arbeitete für ein halbes Jahr beim Norwegischen Institut für Menschenrechte in Oslo, absolvierte ein Studium mit Magisterabschluß in New York und promovierte in Washington. Seit 1993 ist der Vater zweier Söhne mit einer Holländerin verheiratet, er verkörpert das Ideal des gebildeten, polyglotten, modernen Menschen.

Im Frühjahr 1995 trat Saakaschwili als Gefolgsmann Eduard Schewardnadses in die Politik ein. Von 2000 bis 2001 war er Justizminister. In dieser Funktion initiierte er eine Reform des korrupten und politisierten Strafrechts. Im Oktober 2002 begab Saakaschwili sich mit Gründung der Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ in Opposition zu Schewardnadse. Dessen Umgebung war durch mafiöse Clans besetzt. Die Folge war wirtschaftliche Stagnation. Wegen Korruption versickerten internationale Hilfen.

Schewardnadse hatte Georgiens geopolitische Lage als Transitland für Öl vom Kaspischen Meer in den Westen genutzt und zog damit den Unmut Rußlands auf sich. Der große Bruder beantwortete die Westorientierung mit finanzieller und politischer Unterstützung der Sezssionsgebiete Abchasien, Südossetien und Adscharien. Als 2003 Schewardnadses Wahlbetrug bei den Parlamentswahlen nachgewiesen wurde, beendeten oppositionelle Demonstranten seine Ära.

Georgien hat Saakaschwilis hochgesteckte Ziele nicht erreicht. Bereits 2004 beklagten 14 führende Menschenrechtsorganisationen Folterungen durch brennende Zigaretten und über den Kopf gestülpte Plastiktüten sowie weitere Mißhandlungen in georgischen Gefängnissen. Dem als Menschenrechtler angetretenen Saakaschwili wird ein autoritärer und gegenüber Kritikern arroganter Führungsstil vorgeworfen sowie Mißachtung der politischen und bürgerlichen Rechte. Pressefreiheit und Gewaltenkontrolle würden immer wieder eingeschränkt. Besorgnis über die Vorgänge in Georgien äußerten zuletzt außer Amnesty International Europarat und US-Außenministerium. Obwohl das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr bei zehn Prozent liegt, ist die Bevölkerung arm. Als sich die Kosten für Grundnahrungsmittel verteuerten, stieg die Bereitschaft zu Demonstrationen gegen die Regierung.

Zu Beginn der Demonstrationen versuchte Saakaschwili die Menschen mit der Aussicht auf 100000 neue Arbeitsplätze zu beschwichtigen. Als die Versprechen nicht zogen, ging er mit Gewalt gegen die Demonstranten vor und beschuldigte den russischen Geheimdienst, Verursacher der Unruhen zu sein. Eilig stimmte er vorgezogenen Neuwahlen zu, um, wie die Oppition glaubt, seinen Gegnern die Möglichkeit zur Vorbereitung des Wahlkampfs zu nehmen. Siegessicher zeigt sich Saakaschwili, wenn er „neues Blut, neue Energie, neue Menschen“ fordert und mit weiteren Wahlversprechen seine Wiederwahl zu sichern sucht.

 

Rußlands rebellischer Nachbar im Süden

Georgien, das kleine Land im Kaukasus, kann aufgrund seiner geopolitischen Lage zwischen der Türkei, Rußland und Persien auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Im Mittelalter geriet das Land unter russischen  Einfluß. Zunächst schützte die einzige christliche Großmacht der Region das von der orthodoxen Apostelkirche geprägte Land vor türkischen und persischen Invasoren. Peter der Große löste Georgien 1772 aus dem Persischen Reich. Katharina die Große besiegte mit ihrer Armee 1770 die Türken, ab 1782 wurden russische Truppen in Tiflis stationiert. 1801 annektierte Zar Paul I. per Dekret Georgien, es begann eine intensive Russifizierung. Mit der Öffnung nach Europa setzte das Drängen auf Eigenständigkeit Georgiens ein. Während der russischen Revolution 1917 war Georgien eine sozialdemokratisch geführte Republik, die nach dem Einmarsch der Sowjet-Armee 1921 als Georgische Sozialistische Sowjetrepublik vereinnahmt wurde. Es folgte die systematische Zerschlagung des Staates, Zehntausende Georgier wurden Opfer von Stalins Säuberungen und Vertreibung. Der Freiheitswille der Georgier blieb jedoch ungebrochen. Neben der Industrie florierte eine private Schattenwirtschaft einhergehend mit Korruption. Nach der Unabhängigkeitserklärung von 1991 regierte Gamsachurdia das Land autoritär. Die Ära Schewardnadse sicherte Moskau ab 1994 mehr Einfluß; daneben wurden Verträge mit der USA und Westeuropa geschlossen, eine strategische Partnerschaft mit der Nato vereinbart. Diesen Kurs setzte auch Saakaschwili fort. Er wollte einen modernen Staat nach westlichem Vorbild gestalten. Unabhängigkeit von Rußland ist das Ziel aller Regierenden in Georgien.       MRK


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