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24.11.07 / »Erfinderische Fröhlichkeit« / Die Berliner Akademie der Künste würdigt den Architekten Hans Poelzig mit einer Ausstellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

»Erfinderische Fröhlichkeit«
Die Berliner Akademie der Künste würdigt den Architekten Hans Poelzig mit einer Ausstellung
von Silke Osman

Vor bald einem Jahrhundert wurde in Berlin ein Film uraufgeführt, der Geschichte machen sollte: „Der Golem“. Das Buch schrieb der Schauspieler Paul Wegener (zusammen mit Heinrich Galeen), der bereits ein Jahr zuvor mit dem Streifen „Der Student von Prag“ große Erfolge in dem neuen Medium feiern konnte. Wegener selbst spielte in dem Film die Rolle des Golem, einer Figur aus der jüdischen Legendenwelt. Rabbi Löw soll im Prager Ghetto aus einem Klumpen Ton ein mit übernatürlichen Kräften ausgestattetes Wesen geschaffen haben, um sein Volk vor drohendem Unheil zu bewahren. Diese Figur wird nach Jahrhunderten wiedergefunden und zu neuem Leben erweckt. Eine Geschichte, die, so weiß man jetzt, nicht gut ausgehen kann ...

Wegeners Film erregte damals ungeheures Aufsehen, galt als unheimlicher, grausiger Spuk. Dazu haben nicht zuletzt auch die großartigen Leistungen der Maskenbildner beigetragen. Von diesem Film existiert heute nur noch ein Fragment im Bundesarchiv in Berlin, das leider nicht mehr vorführbar ist. Wegener schuf zu diesem Thema noch zwei weitere Filme: 1917 den heute verschollenen Streifen „Der Golem und die Tänzerin“, eine Komödie mit verdoppelten Identitäten, und 1920 „Der Golem, wie er in die Welt kam“, der ein Riesen-Erfolg wurde. Elf Monate lang wurde dieser Streifen sogar in New York gespielt. Die Rolle des Golem spielte wieder Wegener, für andere Rollen konnten unter anderen Ernst Deutsch, Lothar Müthel und Otto Gebühr gewonnen werden. Für diesen Film schuf der Architekt Hans

Poelzig großartige Kulissen. „Es ist nicht Prag, was mein Freund, der Architekt Poelzig aufgebaut hat. Sondern es ist eine Stadt-Dichtung, ein Traum, eine architektonische Paraphrase zum Thema Golem“, so Wegener in seinen Erinnerungen. „Diese Gassen und Plätze sollen an nichts Wirkliches erinnern; sie sollen die Atmosphäre schaffen, in der der Golem atmet.“

Zum ersten Mal hatte mit Poelzig ein prominenter Architekt Filmbauten entworfen und alle Register seiner Kunst gezogen. Nach seinen Skizzen waren von der Bildhauerin Marianne Moeschke Modelle angefertigt worden, die dann in voller Größe auf dem Tempelhofer Feld in Berlin aus Holz, Leinwand und Lehm realisiert wurden. 54 Gebäude waren es insgesamt, eine Meisterleistung der Kulissenbauer. Poelzig-Biograph Theodor Heuss lobte später: „... eine erfinderische Fröhlichkeit geht durch die ganze düstere und dumpfe Welt.“ Selbst zeitgenössische Architekturkritiker wie Paul Westheim waren begeistert: „Wir wissen, daß, wenn wir nicht arm gewordenes Volk wären, wir diesen Poelzig zwingen müßten, unseren großen Städten eine neue Physiognomie zu geben, und wir zweifeln nicht nach dem Werk, das er in Dresden unausgeführt lassen mußte, daß Poelzig der Baumeister wäre, durch den diese nachwilhelminische Zeit vor der Nachwelt zu bestehen vermöchte ... Eine Welt der Vorstellung, ein vielfältig Bewegtes, Erregtes und Erregendes konnte er hier aus dem Nichts hervorzaubern.“

Hans Poelzig zählt heute zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, und so nimmt es nicht wunder, wenn die Berliner Akademie der Künste ihrem einstigen Vizepräsidenten eine große Ausstellung widmet. Gewürdigt wird Poelzig, der ein Meister vieler Künste war, als vielseitiger Architekt ebenso wie als begnadeter Lehrer. Es gab keine Bauaufgabe, der er sich nicht zuwandte, und so entwarf er Wohnhäuser ebenso wie Warenhäuser,  plante Quartiere, baute Messen, Theater und Kinos. Zu seinen berühmtesten Bauten und Entwürfen gehören das Kino „Babylon“ in Berlin, das dortige Messegelände mit dem Haus des Rundfunks, das IG-Farben-Verwaltungsgebäude in Frankfurt am Main und der Wasserturm in Posen. Als Lehrer an der Breslauer Akademie setzte er Maßstäbe. Originale aus privaten und öffentlichen Sammlungen zeichnen ein lebendiges Bild seines Wirkens.

Die Ausstellung „Hans Poelzig (1869 bis 1936). Architekt Lehrer Künstler“ in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin-Tiergarten, ist dienstags bis sonntags von 11 bis 20 Uhr zu sehen, Eintritt 6 / 4 Euro, 1. Sonntag im Monat Eintritt frei, bis 6. Januar 2008. Vom 1. März bis 18. Mai im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt / Main.

Foto: Meilenstein der Filmarchitektur: Paul Wegener 1920 als „Golem“ in der meisterhaften Kulisse von Hans Poelzig


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