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01.12.07 / Berlins Iraner sind tief zerstritten / Freunde und Feinde des Mullah-Regimes belauern sich – Droht eine Eskalation wie zwischen Türken und Kurden?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-07 vom 01. Dezember 2007

Berlins Iraner sind tief zerstritten
Freunde und Feinde des Mullah-Regimes belauern sich – Droht eine Eskalation wie zwischen Türken und Kurden?
von Markus Schleusener

Marjane ist Iranerin. Sie ist kaum eingeschult, da wird ihr Land von der großen Revolution überrollt, der Schah verjagt. Endlich, denken ihre Eltern, ist sein Regime beendet. Doch was dann folgt ist eine neue Gewaltherrschaft mit noch mehr Gefangenen und noch mehr Hinrichtungen: die Mullahs.

Marjane wird zu dieser Zeit Zeugin, wie der kommunistische Onkel Anusch, der in Leningrad und Moskau Marxismus-Leninismus studiert hatte, von den Revolutionsgarden verhaftet wird. Später töten sie ihn. Dann erlebt sie als junge Frau die Repressalien der Mullahs selbst, die Alkohol und westliche Musik verbieten und die Frauen zum Tragen des Kopftuches zwingen. Schließlich verläßt Marjane den Iran und geht nach Frankreich, wo sie im Exil lebt.

Soweit die Handlung des Zeichentrickfilms „Persepolis“, der gerade in deutschen Kinos angelaufen ist. Natürlich handelt es sich dabei nicht nur um die autobiographischen Kindheitserinnerungen einer Iranerin, sondern auch um einen kommunistisch angehauchten Propagandastreifen. Bei der Vorführung am Sonntagabend spendeten die Zuschauer in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg Beifall (was im Kino sehr selten vorkommt).

Es gibt etwa 4800 Iraner in Berlin. Einer von ihnen ist Saeid Yeganeh, Pressesprecher des „Nationalen Widerstandsrates Iran“ (NWRI). Im Verfassungsschutzbericht 2006 taucht diese Organisation als „politischer Arm“ der (marxistischen) Volksmudschahedin auf. Die Geheimdienste streiten derzeit darüber, ob diese Anti-Mullah-Opposition gefährlich ist oder nicht.

Yeganeh sitzt in einem Berliner Café in Charlottenburg mit zwei Journalisten. Er schimpft auf das Teheraner Regime: „Wir wollen Ahmadinedschad stoppen.“ Ihm ist alles recht, wenn nur das verhaßte Regime endlich verschwindet. Yeganeh, dessen Familie im Iran verfolgt wird, wie er sagt, bestreitet, Marxist zu sein. Der Film „Persepolis“ könnte ihm gefallen.

Szenenwechsel: Die „Spiegel“-Reporterin Susanne Koelbl eröffnet eine Fotoausstellung von iranischen Fotografinnen. Das Thema hat momentan Konjunktur. „Der Westen nimmt sie wie Wunder aus einer fremden Welt wahr, weil sie nicht in unser Bild vom Iran passen“, sagt Koelbl. Die Ausstellungsräume sind rappelvoll. Die Mullahgegner sammeln sich – auch hier.

Hamid Darsa* steht auf der anderen Seite. Er sagt: „Der Iran ist eine Demokratie wie andere auch, Ahmadinedschad ist schließlich frei gewählt.“ Darsa lebt in Berlin und ist bestens im Teheran-freundlichen Teil der iranischen Gemeinde vernetzt. Mehrfach hat er den Iran in den vergangenen Jahren bereist und seinen Präsidenten sogar persönlich gesprochen.

Für Leute wie den NWRI-Vertreter Saeid Yeganeh hat Darsa nicht viel übrig. „Selbst die Ahmadinedschad-Gegner im Iran können die Volksmudschahedin nicht leiden.“ Für ihn sind sie vom Ausland unterstützte Aufrührer.

Mehrfach kam es in Berliner schon zu Gewaltakten, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Iran und der Entwicklung dort standen. 1967 starb Benno Ohnesorg bei einer Anti-Schah-Demonstration. 1992 töteten Teheran-Treue einige linksgerichtete Exilpolitiker im Lokal Mykonos.

Mit der Lage der Teheran-treuen Iraner in  Berlin ist der Ahmadinedschad-Anhänger unzufrieden. Er schimpft auf die iranische Botschaft. „Die kannst du in der Pfeife rauchen.“ Sie trete kaum mehr in Erscheinung, um ihre Glaubensbrüder vor Ort zu unterstützen. Zum Beispiel organisiere sie nicht mehr die jährliche El-Kuds-Demo, die früher immer für Schlagzeilen gesorgt habe.

Im vergangenen Jahr ist das Ereignis zum ersten Mal ausgefallen. Das heißt jedoch nicht, daß nicht mit Aktionen auch im Exil lebender Iraner zu rechnen ist, falls es zum Krieg am Golf kommt. 2008 berichtete die „Berliner Morgenpost“ von konspirativen Treffen in der Imam-Reza-Moschee in  Neukölln während des Libanonkrieges. Neben Hisbollah-Vertretern angeblich mit dabei: Vertreter der iranischen Botschaft. Nachdem vor wenigen Wochen Türken und Kurden wegen eines Grenzstreits aufeinander losgegangen sind, könnte Berlin also abermals in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn es im Nahen Osten knallt – nur daß diesmal Iraner gegen Iraner mobilmachen.

* Name geändert


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