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01.12.07 / Planwirtschaft im Bildungswesen / Exzellenzinitiative der Universitäten hat etwas

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-07 vom 01. Dezember 2007

Planwirtschaft im Bildungswesen
Exzellenzinitiative der Universitäten hat etwas von der Bundesliga beim Fußball
von George Turner

Neun deutsche Universitäten können sich mit dem Etikett „Eliteuniversität“ schmücken. Schon 2006 waren es die beiden Münchener und die Universität Karlsruhe; jetzt sind dazugekommen Aachen, Heidelberg, Freiburg, Konstanz, Göttingen und die Freie Universität Berlin. Das ist etwa ein Zehntel der staatlichen Universitäten. Sie mußten je ein Exzellenzcluster und eine Graduiertenschule aufweisen, um dann mit einem guten Zukunftskonzept andere auszustechen. Graduiertenschulen und Exzellenzcluster haben auch andere Universitäten. Von den Siegern unterscheiden sie sich nur dadurch, daß diese kein die bewilligenden Gremien überzeugendes Zukunftskonzept vorgelegt haben. Der Unterschied liegt also in der Qualität von Anträgen, nicht in bereits erbrachter wissenschaftlicher Leistung. Die Folgen allerdings sind gravierend. Die einen werden hochgejubelt, die andern gehören zum „Rest“. Dabei ist der Begriff „Eliteuniversität“ von den die Entscheidung tragenden Institutionen nie offiziell verwendet worden. Er wurde Anfang 2004 von der damaligen Bundesministerin Bulmahn im Zusammenhang mit der Absicht ins Spiel gebracht, eine sogenannte Elite- oder Spitzenuniversität neu zu gründen. Dieser unrealistische Vorschlag hatte sich schnell erledigt, nicht aber der Begriff. Manche der ausgewählten Universitäten benutzen ihn ziemlich ungeniert. Es ist jetzt müßig, unter anderem die Presse dafür verantwortlich zu machen, daß er landesweit gebraucht wird. Einen ernsthaften Versuch, das praktizierte Förderverfahren mit einem eigenen, treffenden Terminus zu belegen, hat es seitens der Entscheidungsgremien nicht gegeben.

Die Benennung von neun Universitäten, die in allen drei Förderstufen erfolgreich sind, hat nicht nur unmittelbare finanzielle Folgen, sondern wirkt sich auch im Hinblick darauf aus, daß Drittmittelgeber ihre Unterstützung an den Elitestatus knüpfen. Die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich ganz wesentlich auf die Ausgewählten. Von den Endrundenteilnehmern beider Jahre waren nicht erfolgreich die Humboldt-Universität in Berlin, Bochum, Bremen, Würzburg, und Tübingen. Sie haben offenbar lediglich nicht so überzeugende Zukunftskonzepte vorgelegt. Ansonsten lagen sie mit den Gewinnern gleichauf. Universitäten, die gar nicht in der dritten Förderlinie angetreten sind, können ebenfalls bewilligte Cluster und Schulen vorweisen. Im Wissenschaftsbetrieb ist es gang und gäbe, daß Hochschulen mit Anträgen scheitern und andere Erfolg haben, so auch bezüglich der Cluster und Schools. Daran knüpfen sich regelmäßig aber nicht solche Effekte wie bei der Entscheidung über die Zukunftskonzepte. Es wirkt schon wie ein Fallbeil, wenn konkurrierende Einrichtungen entweder in den  erlauchten Kreis gelangen und ihnen in der Öffentlichkeit das Etikett Elite angeheftet wird und andere insoweit leer ausgehen.

Beim Ranking von Universitäten sind sich alle ernst zu nehmenden Experten einig, daß ein Urteil über ganze Universitäten nicht abgegeben werden kann, weil sie zu heterogen sind, was Größe, Fächervielfalt und Rahmenbedingungen angeht. Deshalb sind seriöse Aussagen nur möglich, indem Fächer verglichen werden. Beim Exzellenzwettbewerb allerdings entsteht der Eindruck, man könne Universitäten als Ganze vergleichen und beurteilen. Die Folge ist, daß Fächer, die nur eine mittlere Qualität aufweisen, im Windschatten einer sogenannten Elite-Universität  mitsegeln. Andererseits verlieren besonders gut vertretene Fächer an Universitäten, die nicht jenes Etikett tragen, an Bedeutung.

Auch auf die Attraktivität deutscher Universitäten im Ausland hat die Entscheidung Einfluß. Wenn man schon nach Deutschland geht, soll es eine der Elite-Universitäten sein. So berichten jedenfalls Experten, die mit der Bewerbung besonders befähigter ausländischer Studierender befaßt sind. Nicht das Fach, die Institution macht die Attraktivität aus. Das mag in anderen Ländern ähnlich sein, so bei den Spitzenuniversitäten in den USA. Nur gibt es einen gravierenden Unterschied. Kein Gremium hat Harvard oder Berkeley zur Eliteuniversität ernannt; sie sind es dank der an ihnen vertretenen Fächer in einem über Jahrhunderte dauernden Prozeß geworden. Bei uns wird ernsthaft erwogen, nach dem Muster der Bundesliga, Abstieg und Aufstieg zu regeln. Die Universität Freiburg könnte es dem dort ansässigen Fußballklub nachmachen und immer mal wieder ab- und aufsteigen; Hamburg könnte dem HSV nacheifern, und Verfolger der Münchner Universitäten werden wollen. Verliert bei einem „Abstieg“ die entsprechende Einrichtung dann das Gütesiegel? Daß Fachbereiche wegen der wechselnden Qualität ihres Personals Schwankungen in der Bewertung unterliegen, ist natürlich. Aber es sind Vertreter von Fachdisziplinen, die Ansehen und Qualität ausmachen. Deshalb ist es falsch, bei der Bewertung nicht dort anzusetzen, sondern zu glauben, man könne ganze Institutionen benoten. Im Grunde ist das Verfahren, das in Deutschland zur Identifizierung von Spitzenuniversitäten gewählt worden ist, ein Beispiel von Planwirtschaft: Es wird eine bestimmte Zahl (bis zu zehn) vorgegeben und dann in einem höchst problematischen Verfahren festgelegt, welche Einrichtungen das sind. Dabei wird vieles, was an nicht berücksichtigten Universitäten mit hoher Qualität aufgebaut worden ist, übersehen. Solche Nebenwirkungen richten auf jeden Fall Schaden an. Ob diese Kollateralschäden durch die positiven Impulse, die andernorts entstehen, wenigstens ausgeglichen werden, wird man erst in einigen Jahren sehen.


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