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01.12.07 / Maskenspuk in den Alpen / In Schladming starteten Horden moderner Teufel ein traditionelles Höllenspektakel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-07 vom 01. Dezember 2007

Maskenspuk in den Alpen
In Schladming starteten Horden moderner Teufel ein traditionelles Höllenspektakel
von Helga Schnehagen

Das Brauchtum muß doch gepflegt werden“, meint der junge Steirer, nimmt seinen Engel fest in den Arm und stapft durch den Schnee davon. Die Anpassung an den Zeitgeist hat den Blickwinkel auf die Tradition zwar ein wenig verändert, macht die Sache für junge Leute aber interessanter. Denn zu Beats und Kettenrasseln fährt die alpenländische Jugend auf Gruselmonster und Höllenfeuer gehörig ab. Tendenz steigend!

Spektakulärster Treffpunkt dieser „jungen Wilden“ ist das Bergstädtchen Schladming im Herzen der Dachstein-Tauern-Region. Am vergangenen Wochenende starteten hier wieder Horden moderner Teufel ihre Tournee in Sachen Brauchtumspflege. Und wenn bei Österreichs größtem Krampusumzug an die 900 Höllenfürsten und ihre Begleiter stundenlang durch die Nacht der winterlichen Altstadt ziehen, läuft einem so mancher Schauer über den Rükken. Feurige Krampuswurst vom Grill, höllisch-heißer Glühwein und die feucht-fröhliche Party danach tun ihr übriges. 2006 wurde Schladmings Krampuslauf zum besten Österreichs gekürt!

Rot, grün, gelb qualmte das Höllenfeuer. Furchterregend grüßte die Monsterwelt mit ihren tierischen Vorbildern – Wolf, Bär, Geiß ... Im elastischen Teufelsgang liefen, sprangen, tanzten, wälzten sich die Bewohner der Unterwelt brüllend und fauchend an den Zuschauern vorbei, die sich am Hauptplatz dicht hinter der Absperrung drängelten. Zwischen den Krallen ihrer Pfoten und Tatzen wedelten Rute, Pferdeschweif und Kuhschwanz, schwangen blutverschmierte Äxte, Beile oder Stangen. Schwere Ketten fesselten die Bösesten unter ihnen – auch die Unterwelt hat ihre Hierarchie. Manch Kettenteufel ist gar schon hinter die Gitter von einem der daherrumpelnden Wagen gewandert.

Blechern erklangen die Glokken, welche der Krampus in oft überdimensionierter Ausführung um die Taille trug. Versöhnliche Alpenklänge neben dem Disko-Sound aus den Lautsprechern, der das Spektakel begleitete.

Offenburger Feuerteufel, Gröbminger Höllenteufel, Zeller Seeteufel, Tantalus-Pass, Sodom-Pass, Herodes-Pass oder Teifl-Pass: Die Passen, wie sich die verschiedenen Gruppen nennen, haben in der Regel um die 20 Mitglieder. Gar nicht so selten sind es sogar 30 und mehr. Pass kommt dabei übrigens von zusammenpassen, ist weiblich und hat mit dem Paß, der sich von passieren ableitet, rein gar nichts zu tun. In keiner Pass vergnügen sich die Krampusse allein. Im Bunde sind etwa Ziegengestalten wie Habergoaß, Bartl, Klaubauf oder der Moosmantel als Grasteufel, der Sensemann und der leibhaftige Tod. Nicht zuletzt auch der Korbträger, der in seiner Kraxen, dem großen Korb auf dem Rücken, vermeintliche Bösewichte gleich mitnehmen kann.

Zum Kidnapping kommt es in der Regel zwar nicht. Streichel-einheiten mit der Rute sind jedoch gewiß. Diese sollen sogar Glück bringen. Mit nackter Haut und spitzen Schreien traut sich die eine oder andere junge Schönheit, dem Glück auf die Sprünge zu helfen, lockt den Teufel im Schafspelz zu sich, berührt ihn vorsichtig mit ausgestreckten Armen und weicht dann blitzschnell in die schützende Menge zurück. Zuweilen schreitet auch der traditionelle Nikolaus voller Würde mitten in der Horde einher, zarte blonde Engel an seiner Seite, grell geschminkt und tief dekolletiert. Unweigerlich fragt man sich, ob ihnen die Himmelstür bei der Rückkehr wohl noch offen steht.

25 Kilo hat der Krampus an seiner Ausrüstung zu tragen. Rund 2000 Euro kosten Fellanzug, Lederpanzer und Utensilien, 750 Euro allein die handgeschnitzte Hörner-Maske. Zeigt der traditionelle Krampus noch menschliche Züge, ist sein Antlitz heute oft vom Horror verzerrt.

Der Krampus wird immer so dargestellt, wie man das Furchtbare gerade am furchtbarsten sieht. Derzeit scheint er manchmal eher im Orbit als im Erdinnern beheimatet. Denn beim Gruselmix aus klaffenden Wunden und zombihaften Entstellungen, garniert mit Piercings und Punkfrisur, kennt die Phantasie keine Grenzen.

Bei allem Spaß an der teuflischen Freude versuchen die Passen recht zeitgemäß, sich von Jahr zu Jahr zu überbieten. Zur Finanzierung des gesamten Unternehmens besitzen sie oft gleich mehrere Sponsoren. Zweistellige Zahlen sind da keine Seltenheit.

Namen und Symbole der Geldgeber prangen auf den Jacken der Aktiven, die bereits Stunden vor dem Lauf die Straßen bevölkern. Denn der mit Registrierung und Startnummern organisierte Krampusumzug hat nicht nur ein Nachspiel. Er hat auch ein ausgedehntes Vorspiel. Zum Beispiel Krampus trifft Engel – oder umgekehrt. „Für solche Fälle“, verrät ein Mitglied der Sahip-Pass aus Öblarn, „haben wir immer einen Ersatzengel mit dabei.“

Mit den Krampusumzügen beginnt der winterliche Maskenspuk in den Alpen. Später, in den Rauhnächten vom 21. Dezember bis zum Dreikönigstag am 6. Januar, beschwören und vertreiben Perchten von Ostbayern bis Südtirol die Winterdämonen. Dabei verschmelzen die einst klar voneinander unterschiedenen Bilder von Percht und Krampus immer mehr.

Foto: Die Unterwelt zu Gast in Schladming: Teufel beim Krampuslauf


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