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08.12.07 / Mut gegen Lüge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-07 vom 08. Dezember 2007

Mut gegen Lüge
von Harald Fourier

Oft sind Künstler die ersten, die sich  trauen, Kritik zu äußern. Denken wir an russische Dissidenten oder an Ernst Jünger in Deutschland. In seinem Buch „Auf den Marmorklippen“ karikiert er mitten in der Hitler-Zeit den NS-Führer als „Oberförster“. Es war mutig von Jünger, dieses Buch zu schreiben.

Heute gelten andere Maßstäbe. Als mutig gilt, wer im Chor mit Parteien und Gewerkschaften, Fernsehsendern und Zeitungen,  Kirchen und Verbänden Rassismus und   Fremdenfeindlichkeit, die angeblich überall grassieren, brandmarkt. Und wenn sich die Geschichten von Nazi-Überfällen auf Ausländer mal wieder als Räuberpistole  (Mügeln, Potsdam etc.) herausstellen, wird schnell der Mantel des Schweigens darüber gedeckt.

Denken wir nur an Gianni C. Der 30jährige Italiener behauptete vor anderthalb Jahren, er sei in Berlin von Nazis verprügelt worden. Sofort gab es „Demos gegen rechts“ und aufgeregte TV-Berichte. Dann kam heraus, daß C. sich alles ausgedacht hat, nachdem er besoffen auf die Gleise gefallen war.

Genau dort, am Alexanderplatz, gibt es jetzt das Kunstprojekt „Ich war’s“. Die 42jährige Künstlerin Daniela Comani hat den Bahnhof der Linie U2 mit Plakaten gespickt, die fiktive Tagebucheinträge aus den vergangenen 200 Jahren enthalten und in Zusammenhang mit dem Alexanderplatz stehen.

Zum Beispiel der 2. Juli 1990: „Es ist Montag, ich bin im Centrum-Warenhaus am Alexanderplatz, ich kaufe ein und bezahle mit D-Mark. Die Mark der DDR ist seit gestern kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr. Draußen betrachte ich die schöne Wabenfassade aus Aluminiumblech.“ Oder der 17. Juni 1953: „Auf dem Alexanderplatz, in der Stalinallee und in den anderen Hauptstraßen der Innenstadt werden die Proteste der Arbeiter von sowjetischen Panzern auf meinen Befehl hin zerschlagen.“

Am 14. Mai 2006 heißt es: „Heute Nacht bin ich betrunken auf die S-Bahngleise am Bahnhof Alexanderplatz gestürzt und habe mich dabei am Knie verletzt. Später im  Krankenhaus habe ich erzählt, ich sei von Neonazis überfallen worden.“ Das war Gianni C.s Tagebucheintrag. Genauso war es. Aber so offen wurde darüber bislang kaum gesprochen.

Wenn jetzt Künstler wie hier am Alexanderplatz anfangen, sich über die ausgedachten Rassismus-Geschichten lustig zu machen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Schade nur (aber auch bezeichnend), daß eine Italienerin kommen mußte, um so ein wahrhaft mutiges Kunstprojekt in die Tat umzusetzen.


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