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08.12.07 / Landwirtschaft statt Flugverkehr? / Wowereit-Senat läßt absurde Pläne für »Nachnutzung« von Tempelhof diskutieren – Mehrheit der Bürger für Erhalt des Zentralflughafens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-07 vom 08. Dezember 2007

Landwirtschaft statt Flugverkehr?
Wowereit-Senat läßt absurde Pläne für »Nachnutzung« von Tempelhof diskutieren – Mehrheit der Bürger für Erhalt des Zentralflughafens
von Peter Westphal

Der Kampf für den Fortbestand des Berliner Zentralflughafens Tempelhof (THF) ist in den vergangenen Tagen in eine neue Phase getreten. Dies liegt vor allem an der beachtlichen Zahl Unterschriften, die bislang für das Volksbegehren für den Erhalt von THF abgegeben worden sind.

Nach nur einem Viertel der erforderlichen Frist wurde bereits über die Hälfte des nötigen Quorums erreicht, das den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an seine wirtschaftliche, verkehrspolitische und nicht zuletzt historische Verantwortung erinnern soll. Folgerichtig übersetzte das Boulevardblatt „BZ“ den Erfolg der Aktion mit „92278 Ohrfeigen für den Senat“ (letzter Stand schon über 100000 Unterschriften).

Bis zum 14. Februar 2008 müssen mindestens 170000 Berliner unterschrieben haben, damit die geplante Schließung des Zentralflughafens zum 31. Oktober 2008 noch einmal im Berliner Abgeordnetenhauses verhandelt werden muß. Die Initiatoren hoffen, daß der Senat doch noch einlenken könnte bei der Aussicht auf diese abermalige Debatte, zumal die große Mehrheit der Berliner den Erhalt von Tempelhof favorisiert.

Ganz unverblümt versucht der rot-rote Senat, die Durchführung des Volksbegehrens zu behindern. Bei der jüngsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2006 war – ausgerechnet im Auftrag des Senats – zugleich über die Vereinfachung bei Volksentscheiden und Volksbegehren abgestimmt worden. Obwohl die Berliner mit großer Mehrheit für die Vereinfachung votiert hatten, existiert das entsprechende Gesetz immer noch nur als Entwurf.

Darüber hinaus versuchen die Regierungspartner offenbar, über einzelne Bezirksämter der Werbung für das Volksbegehren Steine in den Weg zu legen. Die THF-Unterstützer sprechen wütend von Schikane.

Selbst im Rahmen des neuen Hauptstadtvertrages versuchte der Regierende Bürgermeister Ende vergangener Woche, gegen Tempelhof Front zu machen: Obgleich der Bund, in Person des Kanzleramtsministers Thomas de Maizière (CDU), angeboten hatte, als Eigentümer die Kosten für den Flughafen bis 2012 zu übernehmen, hat Wowereit abgelehnt. Offizielles Argument: Er wolle den Bau des Großflughafens in Schönefeld (Berlin-Brandenburg International, kurz BBI) nicht gefährden. Obgleich diese Argumentation durch diverse Rechtsgutachten längst widerlegt worden ist (Tempelhof würde demnach den ohnedies erst 2011 fertigwerdenden BBI sogar ergänzen, keinesfalls gefährden), hält es Wowereit weiterhin mit seinem Mantra, das nicht einmal mehr als „Halbwahrheit“ gelten kann. Um so fassungsloser sind viele Berliner. Sie wissen: Nur ein erfolgreiches Volksbegehren kann Wowereit zwingen, womöglich doch noch Vernunft anzunehmen.

Nach den nun getroffenen Vereinbarungen des neuen Hauptstadt-Vertrages muß Berlin das Tempelhofer Flughafengelände vom Bund kaufen und darüber hinaus künftig allein für die Kosten und Verluste des Flughafens aufkommen. Fernab jeder Realität ist angesichts dessen Wowereits Glaube, „nach der Schließung Tempelhofs Ende Oktober 2008“ die Betriebsverluste des gewaltigen Gebäudeensembles „reduzieren oder auf Null führen“ zu können. Experten zufolge wird die Stillegung des Flughafens genau das Gegenteil bewirken.

Dies offenbarte sich auch kürzlich während einer Podiumsdiskussion über die „Nachnutzung“ Tempelhofs. Unter dem zynischen Motto „Tempelhofer Freiheit“ sollten Experten „die Chancen und Möglichkeiten der zukünftigen Nutzung des Flughafens Tempelhof“ erörtern, wenn dort kein Flieger mehr abhebt. In den Augen der Gegner der Flughafenschließung war es eine „reine Propagandadarstellung“.

RBB-Moderator Friedrich Moll bejubelte die beabsichtigte Schließung von THF als eine „Öffnung“ des riesigen Terrains für die Zivilgesellschaft, und fügte an: „Die Berliner haben mit zu entscheiden.“ Es sollte also ein demokratischer Prozeß sein. Daß jedoch – laut einer repräsentativen Umfrage – 74 Prozent aller Berliner für den Erhalt des Flughafens sind, schien ihn ebensowenig von Bedeutung wie das aktuell laufende Volksbegehren.

Statt dessen phantasierten die meisten Experten über alternative Nutzungskonzepte. Zu den absonderlichen Visionen gehörten der Anbau von „Permakulturen“ (auf deutsch: Landwirtschaft) ebenso wie die Idee von einer „Kultursavanne“, zu welcher der Referent selbstkritisch anmerkte: „Wir haben aber keine Zebras und Raubtiere.“ Der Kommentar des Publikums ließ nicht lange auf sich warten: „Berlin als Kuhdorf!“ 

Auch eine Trabrennbahn, eine Autorennstrecke oder die Forderung, das Areal als Naturschutzgebiet für eine dort erhalten gebliebene seltene Lerchenpopulation zu sichern, wurde ernsthaft diskutiert. Ohne Flugbetrieb, so das Argument, wäre endlich der Vogelgesang zu genießen, was einen Besucher zu einem Zwischenruf veranlaßte: „Eher kreist der Pleitegeier über der Stadt!“

 

Lufthansa schizophren

Unverständlich wirkt auf viele Berliner die Haltung der Lufthansa in der Tempelhof-Debatte. Sie ist seitens der Privatwirtschaft die treibende Kraft bei dem drohenden Ende der Traditionsflughafens. Die Gesellschaft wurde am 6. Januar 1926 eben hier in Tempelhof gegründet und ließ anläßlich ihrer Rückkehr zum Winterflugplan 1990 noch feierlich eine Bronze-Plakette an der Außenfassade des Gebäudes anbringen, auf der sie sich zu ihrer historischen Bindung bekennt. Geschichtsvergessen ihre heutige Haltung, wenn nicht gar schizophren: Ausgerechnet dieser Tage wirbt die Lufthansa für ihre neue Strecke zum City Airport London, der, weil im Herzen der Stadt, „keine langen Wege mehr“ erfordere – genau wie Tempelhof.        P.W.


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