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08.12.07 / Inszenierter Linksrutsch / Braucht Deutschland nach der Linken und der SPD noch mehr »sozial Gerechte«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-07 vom 08. Dezember 2007

Inszenierter Linksrutsch
Braucht Deutschland nach der Linken und der SPD noch mehr »sozial Gerechte«
von Rebecca Bellano

Nun auch die Grünen! Gut, man hätte es ahnen können, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach der SPD rücken nun auch die Grünen weiter nach links, und allmählich entsteht der Eindruck, daß Deutschland nur aus Hartz-IV-Empfängern und sozial Schwachen besteht, zumindest wenn man den am lautesten herausgeschrieenen Wahlversprechen der Linken, der SPD und der Grünen lauscht. Allerdings ist dies nicht der Fall, also fragt man sich, warum alle drei Parteien im selben Teich fischen? Warum tummeln sie sich vermehrt links der Mitte, dabei gibt es allen Unkenrufen zum Trotz doch noch eine sehr ausgeprägte Mittelschicht in diesem Land. Warum rücken SPD und Grüne von ihr ab?

Als „sehr produktiv, mit viel Leidenschaft in der Sache“ beschrieb vergangene Woche der grüne Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer die Ergebnisse des Parteitages in Nürnberg. Und neben den typischen Grünen-Themen wie Klimaschutz, höhere Ökosteuern, Gleichstellung und Kinderbetreuung ging es dieses Mal besonders sozial zu. „Grün ist sowohl ökologisch als auch sozial“, hieß es dann auch, und daher beschloß man im Rahmen des 60 Milliarden Euro teuren Partei-Programms, die Hartz-IV-Regelsätze im Falle einer Regierungsverantwortung auf 420 Euro zu erhöhen. Außerdem geisterte noch ein fast vergessener Begriff durch die Hallen: bedingungsloses Grundeinkommen. Dieses wurde zwar abgewiesen, aber immerhin wurde darüber ausgiebig gesprochen, um den Parteilinken zu zeigen, daß die Grünen aufgeschlossen seien. Allerdings soll es eine „grüne Grundsicherung“ geben. Das klingt auch ziemlich sozial und macht die Partei laut Bütikofer „enorm politikfähig“. Übersetzt heißt das, sollten SPD und Linke zusammen mit den Grünen bei den nächsten Bundestagswahlen eine Mehrheit bekommen, könnten sie zusammen koalieren, da die Grünen sich den Linken öffnen.

Da die Partei sich um jeden Preis selbst feiern wollte, konnte auch der Rücktritt des öko-liberalen Finanzexperten Oswald Metzger die Stimmung nicht trüben. Metzger mußte eh weg, da er die angestrebte Linkswendung nicht mitmachen wollte und die angepeilte neue Grünen-Klientel beleidigt hatte. Viele Sozialhilfeempfänger sähen „ihren Lebenssinn darin, Kohlehydrate oder Alkohol in sich hineinzustopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen“. Derartige Äußerungen konterkarieren natürlich die gesamte neue Sozialpolitik der Grünen, Metzgers Nachfolger Eugen Schlachter ist allerdings für die neuen Grünen auch etwas zu realistisch: „Beim Grundeinkommen sind bei mir auch die Sicherungen durchgeknallt. Da wird die Welt neu erfunden“, kritisiert auch er die Diskussionen des Parteitages.

„Die Grünen sind in einer existentiellen Krise. Sie entfernen sich immer weiter von der Realität“, meint Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) trocken, und die „FAZ“ titelte: „Den Grünen ist nicht mehr zu helfen.“ Denn auch wenn in den Beschlüssen verhältnismäßig unspektakuläre Vorhaben angekündigt werden, so ist die Außendarstellung doch eine andere.

„Macht Euch nichts vor. Ihr seid in Wirklichkeit zwei Parteien: eine fundamentalistische Funktionärsbasis, die ihre unerfüllten Revolutions-Phantasien nun mit Sozialstaats-Lyrik verbrämt. Und ein Realo-Flügel, dessen Führungsleute aus lauter Angst vor der entfesselten Basis jeden Unsinn vorauseilend vorkaut“, schreibt die EU-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin (FDP) den Grünen in einem offenen Brief und beweist hier mehr Scharfblick als bei ihrer eigenen Partei.

Doch ist das, was die grünen Funktionäre wollen, auch das, was der typische Grünen-Wähler will? Gut, jenen, die die Natur retten wollen und sich ein gutes Gewissen mit ihrer Wählerstimme erkaufen wollen, ist egal, was die Grünen auf Parteitagen beschließen. Jene Wähler wählen schließlich eine Lebenseinstellung, für die die Partei dauerhaft steht. Jene Wähler jedoch, die seit Jahrzehnten grün wählen und sich vom einstigen 68er Sympathisanten zum im bürgerlichen Umfeld lebenden, politisch interessierten Zeitgenossen gewandelt haben, dürften skeptisch auf die neue Ausrichtung reagieren. Sie arbeiten häufig als Lehrer, Sozialpädagogen, Verwaltungsangestellte oder als Angestellte in kulturellen Berufen, sie wissen, wie die Realität aussieht, kennen vielleicht aus ihrem Beruf so manche der von Oswald Metzger Kritisierten und können ihm nur schwer widersprechen. Diesen Leuten sollen sie nun also eine grüne Grundversorgung finanzieren? Während sie und ihre Familien arbeiten, für Alter und Krisenzeiten vorsorgen, indem sie auf bereits gekannten Komfort verzichten müssen? Vor allem in Hamburg gibt es viele Grünen-Wähler, deren Herz inzwischen eher rechts als links schlägt. Wie reagieren sie bei der Hamburg-Wahl am 24. Februar 2008? Bleiben sie den neuen Grünen verbunden oder machen sie ihr Kreuz dann doch lieber bei CDU-Bürgermeister von Beust?

Der Beschluß um die Weiterentwicklung der „grünen Grundsicherung“ sei „nicht im Sinne von Populismus und nicht im Sinne von Utopismus“ getroffen worden, so Reinhard Bütikofer. Noch eine Versicherung, an die er selber kaum glauben dürfte.

Foto: „Sehr produktiv, mit viel Leidenschaft in der Sache“: Reinhard Bütikofer und Claudia Roth sind zufrieden.


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