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15.12.07 / Endlich schwarze Zahlen / Schluß mit »argentinischen Verhältnissen«: Berlin will keine neuen Schulden mehr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Endlich schwarze Zahlen
Schluß mit »argentinischen Verhältnissen«: Berlin will keine neuen Schulden mehr
von Markus Schleusener

Als der schwarz-rote Berliner Senat unter dem CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen 2001 aus dem Amt schied, war die finanzielle Lage der Stadt bereits verheerend. Um fast vier Milliarden Euro hinkten die Einnahmen den Ausgaben im sogenannten „Primärhaushalt“ hinterher – Zinslast und Einnahmen aus Vermögensverkäufen außen vor gelassen.

Der neue rot-rote Senat hat in seiner Verzweiflung sogar das Bundesverfassungsgericht um Hilfe angefleht, es möge den Bund zwingen, Berlins Landesschulden zu tilgen – vergeblich. Damit schien der letzte Strohhalm gerissen.

Nun die Sensation: Die Verhandlung in Karlsruhe ist gerade ein gutes Jahr her, da vermeldet Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) plötzlich die völlige Kehrtwende: Berlin erwirtschafte ab sofort Überschüsse und könne eigenhändig mit dem Schuldenabbau beginnen.

Wer hätte das gedacht? Eben noch soll die deutsche Hauptstadt so ausgeblutet gewesen sein wie nach Kriegsende (Sarrazin selbst setzte die aktuelle Lage mit der von 1947 gleich), und jetzt macht sie sich daran, den 60-Miliarden-Schuldenberg abzutragen?

Mit dem Doppelhaushalt 2008/09, der ein Volumen von 20,7 Milliarden Euro umfaßt, kann Berlin erstmals in größerem Umfang Schulden zurückzahlen. Möglich wird dies, weil die Ausgaben kaum ansteigen (+0,2 Prozent). Gleichzeitig aber wachsen die Einnahmen. So bleiben – laut Plan – 2008 420 Millionen Euro Überschuß zur Schuldentilgung.

„Die positive Steuerentwicklung hat einen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet, entscheidend aber waren die Konsolidierungserfolge des Senats“, lobt sich der Senator und fügt befriedigt hinzu: „Das wird bundesweit bemerkt, und es ist ein Grund, stolz zu sein auf das gemeinsam Erreichte.“ Hätte sich die Stadt finanzpolitisch verhalten wie der Bund, dann würde sie immer noch Schulden in Milliardenhöhe machen, rechnet der Sozialdemokrat genüßlich vor.

Es sind also, nach Sarrazin-Lesart, einzig die „mutigen Anstrengungen“ des rot-roten Senats, die diese Entwicklung möglich gemacht haben. Wirklich?

Die Opposition sieht das naturgemäß anders, wenngleich selbst FDP-Fraktionschef Martin Lindner in der Haushaltsdebatte nicht darum herumkam, zuzugeben, daß der neue Etat „eine gute Nachricht“ sei. So viel Freundlichkeit klingt ungewohnt in der ansonsten als Generalabrechnung bezeichneten Haushaltsdebatte. Und so blieb das Lob denn auch vergiftet. Nur der Konjunkturaufschwung habe die Mehreinnahmen verursacht, so Lindner. Rot-Rot habe gar nichts erreicht.

Friedbert Pflüger nannte den neuen Haushalt „ideenlos“. „Nur Slogans, nichts dahinter“, lautete sein Urteil. Vor allem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kam schlecht weg: Selbstgefällige Arroganz warf der CDU-Fraktionschef dem Stadtoberhaupt vor.

Die Kritik macht sich also vor allem an Wowereit fest, während über den Finanzsenator kaum jemand ein böses Wort verlor. Offenbar sind auch die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen (CDU, FDP, Grüne) recht zufrieden mit der Arbeit Sarrazins. Auch wenn sie das offen nie zugeben würden.

Sarrazin gilt als der schlaueste Kopf im Senat. Schon immer ahnten Beobachter, daß seine zur Schau getragene Katastrophenmiene nur Schau war: Die Lage war gar nicht so aussichtslos, wie zeitweise von ihm dargestellt („Der Haushalt Berlins ist weniger solide als der Argentiniens“). Sein Ziel war es vor allem, die Begehrlichkeiten seiner roten und dunkelroten Senatskollegen zu zügeln. Dafür warf er ein Menetekel nach dem anderen an die Wand. Jetzt fährt er die Ernte ein.

Aber die Frage ist, wie lange sich die Senatskoalition noch am Riemen reißen wird. Schon seit Wochen sind Vorschläge für Mehrausgaben auf dem Tisch, und ewig werden die Volksvertreter von links nicht auf sich warten lassen, wenn es darum geht, endlich wieder Wählergeschenke zu streuen.

Schon im jetzigen Doppelhaushalt 2008/09 sind mehrere Projekte enthalten, die eindeutig der Linkspartei zuzurechnen sind. So startet das linke Prestigeobjekt Gemeinschaftsschule. Endlich sollen die Sekundarschüler wieder klassenübergreifend im Kollektiv unterrichtet werden, jubeln die Linken – sehr zum Ärger betroffener Eltern, die versuchen, ihre Kinder woanders unterzubringen. 20 Millionen kostet das Projekt den Steuerzahler in Berlin. Vorerst, denn es soll noch ausgedehnt werden.

Unterstützt werden sollen auch sozial schwache Familien beim Kauf der Schulmaterialien – auch dies ein linkes Projekt. Wie die Projekte „gegen rechts“, die erneut finanziell aufgestockt werden.

Sehr viel teurer als diese Maßnahme wird der geplante öffentliche Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose. Staatliche Beschäftigung als Mittel gegen Arbeitslosigkeit hat für die Linke noch immer einen unwiderstehlichen Reiz – auch wenn Experten sie längst als volkswirtschaftlich schädlichen Unsinn entlarvt haben. „Ein Hauch Sozialismus“ wehe durch Berlin, wittert sogar die linksalternative „taz“, die feststellt, der neue Haushalt trage „mehr als je zuvor“ die Handschrift der Linkspartei.

Es gibt natürlich noch eine zweite Klippe für Sarrazin zu umschiffen: Es kann auch sein, daß sich die Steuermehreinnahmen gar nicht so entwickeln, wie bislang angenommen. Dann muß ein Nachtragshaushalt her, und der könnte weniger gut aussehen als die jetzige Vorlage. „Mit den Finanzen muß man es halten wie mit dem Wetter: Sich über Sonnenschein freuen und auf den Regen einstellen“, so Thilo Sarrazin sibyllinisch.

Foto: Jetzt fährt der kühle Rechner die Ernte ein: Die Sparpolitik von Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (re.) und die gute Konjuktur geben der Stadt Hoffnung auf ein Ende der Schuldenmisere.


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