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15.12.07 / Reine Quälerei / Gelobt, aber nicht lesbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Reine Quälerei
Gelobt, aber nicht lesbar

Literaturkritiker der großen Zeitungen und normale Leser leben auf zwei verschiedenen Planeten. Dies wurde dem Rezensenten vor kurzem wieder mal bei der Lektüre des Romans „Karlmann“ von Michael Kleeberg bewußt.

Die Kritik hatte den rund 450seitigen Wälzer über das Leben des Durchschnittstypen Karlmann „Charly“ Renn euphorisch gefeiert. Den Anfang machte eine große Besprechung in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Liest man die Rezension von Peter Körte, so fällt auf, daß dieser den sehr umfangreichen „Beipackzettel“ der Presseabteilung der Deutschen Verlags-Anstalt sehr aufmerksam studiert haben muß. In einem langen Interview lieferte der Autor, der aus der Werbebranche kommt, gleich eine Interpretation seines Werks. Der Rezensent dankt für solche professionelle Unterstützung, die ihn gegebenenfalls bei der mühsamen Lektüre einer solchen Schwarte etwas entlastet.

Nach exakt 139 Seiten hat dieser Rezensent jedoch kapituliert. Kleeberg hatte die Latte selbst ziemlich hoch gelegt, als er bekannte, zur Vorbereitung auf sein Buch habe er die Rabbit-Romane des amerikanischen Romanciers John Updike erstmals gelesen. Um es vorweg zu sagen: Liebe Leserinnen und Leser, sparen Sie kostbare Lese- und damit Lebenszeit und greifen Sie direkt zu den großartigen Schilderungen des amerikanischen Alltagslebens aus der Feder von Updike. Die Rabbit-Reihe schildert die Befindlichkeiten der US-Mittelschicht über rund 40 Jahre. Der Unterschied zu Kleeberg: Updike ist ein Schriftsteller, der seine Figuren nie der Lächerlichkeit preisgibt. Auch wenn Harry „Rabbit“ Angstrom ein ziemlich durchschnittlicher Typ ist; man schließt ihn ins Herz. Man entwickelt Sympathie.

Kleeberg ist der ungleich schlechtere Erzähler. Man quält sich durch die Seiten des Buches und muß es als Drohung empfinden, daß der Autor – ähnlich wie Updike – sich eine „Karlmann“-Reihe durchaus vorstellen kann.

Schon dieses Buch, welches den Auftakt einer Reihe bilden könnte, ist geschwätzig und protzt mit der eigenen Belesenheit. Und wenn Kleeberg gemeint haben sollte, mit der Schilderung von ein paar ungewöhnlichen Sexualpraktiken noch irgendwelches Aufsehen zu erregen, dann ist das zumindest fragwürdig.

In dem besagten Interview mit der „FAS“ bekennt Kleeberg, bei manchen Passagen habe er selbst gezögert und seine Ehegattin habe ihn gewarnt: „Die Männer werden dir nie verzeihen, daß du alle ihre sorgsam gehüteten Betriebsgeheimnisse ausgeplaudert hast.“ Ach Gottchen, möchte man sagen. Wir leben doch nicht mehr in den 50er Jahren. Wenn es um gewagte eindeutige Stellen geht, dann lohnt sich ebenfalls eher ein Griff zu den Updike-Romanen, der als grundsolider Handwerker weiß, wie man seine Leser bei der Stange hält.

Selbstverständlich sieht die professionelle Literaturkritik dies anders. Kleeberg habe den großen Roman der 80er Jahre geschrieben. Wer seitenlange Schilderungen von längst vergessenen Tennismatches mag und gern wissen möchte, was Herr Kleeberg so alles über die Hirnforschung angelesen hat, der sollte dieses Buch kaufen.

Ein Beispiel für den manirierten Stil: „Danach legte der Discjockey Platten auf, und die jüngere Generation okkupierte und übernahm gnadenlos erleichtert das Parkett der Operationen.“ Wer solches Geschwurbel nicht lesen möchte, der sollte lieber zu den grandiosen amerikanischen Erzählern wie Philip Roth, John Updike oder Richard Yates greifen. Diese können es (leider) oft einfach besser als die Deutschen!             Ansgar Lange

Michael Kleeberg: „Karlmann“, DVA, München 2007. 480 Seiten, 22,95 Euro, Best.-Nr. 6484


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