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15.12.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Rutn Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

diese Worte aus einem Schreiben haben mich sehr berührt, weil sie als Leitsatz über unserer Familienarbeit stehen könnten: „Die unbewältigte Vergangenheit gewinnt immer wieder die Oberhand.“ Das spüren wir in jeder Folge, vor allem in den Fragen und Wünschen der Leserinnen und Leser, die zur Zeit der Flucht noch Kinder waren. Wie Herr Ulrich Schüler aus Frankfurt / Oder, der als Sechsjähriger mit Mutter und zwei Brüdern aus seiner masurischen Heimat flüchten mußte. Aus seinem Brief stammt dieser Satz, und er hängt ihm noch eine Frage an: „Warum ist das so?“ Dabei hat er die Antwort bereits zu Anfang seines Schreibens vorgegeben: „Erst in diesem Jahr habe ich mich dazu durchgerungen, meine Vergangenheit und die meiner Familie zu erforschen. In den Jahrzehnten davor wurden diese Fragen weitgehend durch den Alltag verdrängt. Wesentlich hat meine Mutter dazu beigetragen, weil das Thema Vergangenheit weitgehend tabuisiert wurde.“ Seine Mutter Annemarie Schüler mußte vier Jungen allein großziehen, alle haben einen ordentlichen Beruf erlernen können und sich darin bewährt. Der jüngste Sohn wurde erst im August 1945 geboren, er hat seinen Vater nie gesehen, weil Ernst Schüler seit April 1945 vermißt wird. Fragt man da noch, warum die Mutter über Flucht und Heimat geschwiegen hat? Vielleicht hätte sie es auch getan, wenn der Sohn energisch um Aufklärung über die Flucht aus der Heimat gebeten hätte, sie hätte abgeblockt wie so viele unserer Landsleute, weil die Wunden zu tief sitzen und schmerzen, wenn man sie berührt.

Der Sohn will nun aber darüber sprechen und mehr über Heimat und Flucht erfahren, hat auch schon an einem Heimattreffen der Neidenburger teilgenommen, denn er wurde in dieser südlichsten Stadt Ostpreußens geboren. Seinem Vater Ernst Schüler gehörte die Dampfmühle. Er wurde erst am 18. Januar 1945 zum Volkssturm eingezogen – an dem Tag, an dem seine Familie die schon im Geschützdonner liegende Stadt verließ. Mit dem vermutlich letzten Personenzug, in dem Annemarie Schüler mit ihren drei, sechs und neun Jahre alten Söhnen mitkam. Ohne zu wissen, daß es ein Abschied von Mann und Vater für immer sein sollte. Alle Recherchen über sein Schicksal blieben bis heute erfolglos. Der Fluchtweg von Mutter und Kindern führte über das an der Ostsee bei Barth gelegene Groß-Kordshagen nach Bernburg an der Saale, wo sie wahrscheinlich am 23. April 1945 angekommen sind. Warum sind die Schülers hier gelandet, sind sie allein oder mit anderen Landsleuten geflohen, waren Neidenburger bis Groß-Kordshagen dabei und können über die Flucht bis zu diesem – für den Sohn einzigen – Festpunkt etwas sagen? Diese Fragen bewegen Herrn Schüler sehr und er bittet um die Hilfe unserer Familie. Vielleicht meldet sich ja auch ein ehemaliger Kamerad von Ernst Schüler, der sich an den Vermißten erinnert? Sicher wurden mit ihm im Januar 1945 auch andere Neidenburger zum Volkssturm eingezogen. Es wäre erfreulich, wenn wir die Fragezeichen in Ausrufungszeichen umwandeln könnten. (Ulrich Schüler, Georg-Friedrich-Händel-Straße 29 E in 15234 Frankfurt / Oder.)

Auch in dem Schreiben von Herrn Wernfried Lange steht ein Satz, den ich gerne weitergeben möchte: „Die Gegenwart überrumpelt uns so oft, weil wir von der Vergangenheit nicht genug wissen und begreifen!“ Herr Lange möchte von der Vergangenheit mehr erfahren und hofft, daß unsere Ostpreußische Familie ihm dabei helfen kann. Eigentlich handelt es sich nur um einen Menschen, der in der Erinnerung wieder Gestalt gewinnen soll, weil sein Schicksal ihn und seinen Freund aus Kindertagen noch immer berührt. Sie hatten sich vor kurzem in Eutin getroffen, die beiden Johannisburger Wernfried Lange und Karl-Heinz Tiemann, ein Wiedersehen nach 63 Jahren, auf das Herr Lange nie zu hoffen gewagt hatte, denn sein ehemaliger Schulkamerad sollte nicht mehr unter den Lebenden weilen. Nun standen sie sich gegenüber in einer Landschaft, die an die masurische Heimat erinnerte und sie in diese zurückführte mit jeder Erinnerung, die aus der Vergangenheit aufstieg. Wie die an den gemeinsamen großen Freund aus Kindertagen, den Möbel- und Sarghändler Eduard Woycziechowski aus der Bahnhofstraße 10 in Johannisburg. Sein riesiger Hof war für die beiden Nachbarjungen aus der Brandstraße der schönste Spielplatz der Welt. Der 1886 geborene Möbelhändler war nicht eingezogen worden, und da er kinderlos war, kümmerte er sich besonders um Karl-Heinz, den Sohn seines langjährigen Mitarbeiters, der an der Front stand. Da wurden jetzt die gemeinsamen Stunden an der gedeckten Tafel in „Onkel Eduards“ Möbelladen, das Spiel in der großen Sandkuhle auf dem Hof, das gemeinsame Spargelstechen und andere Kinderfreuden wieder lebendig. Etwas war aber für Wernfried Lange neu. Sein Freund erzählte ihm, daß Woycziechowski damals Mitglied der Baptistengemeinde war. Der Vorstand traf sich regelmäßig in seinem Haus. Was dort gesprochen wurde, war nicht gerade für Kinderohren bestimmt. Jedenfalls wurde der Möbelhändler im Sommer 1944 „abgeholt“. Er kam wieder, von Drangsalierungen gezeichnet, ein gebrochener Mann, der kein Wort über das Wo, Wie und Warum verlauten ließ. Im Winter 1945 ging er auf die Flucht, kehrte Mitte des Jahres nach Johannisburg zurück und ist dort verstorben. Herrn Lange läßt das Schicksal dieses Mannes nach dem Gespräch mit seinem Freund keine Ruhe. Es ist zu vermuten, daß der väterliche Freund in das Lager in Snopken / Wartendorf gebracht wurde, das nicht alle, die dem damaligen Regime verdächtig waren, überlebt haben sollen. Wer weiß etwas von dem Lager am Ortsrand von Snopken, das die Polen Snopki nennen? Auch über den Tod des Möbelhändlers hätten die Freunde gerne Genaueres erfahren. Es ist zu hoffen, daß sie durch unsere Leser und Leserinnen – gemäß dem Sprichwort – bald mehr wissen, um begreifen zu können. (Wernfried Lange, Raboldesburg 11 in 23701 Eutin, Telefon 0 45 21 / 77 98 8–1, Fax 0 45 21 / 77 98 8–3.)

Späte Nachforschungen beruhen nicht immer auf Verschweigen oder Unvermögen der Erlebnisgeneration, über die Heimat und die damit verbundenen Ereignisse zu sprechen, sondern vor allem auf der Unwissenheit über mögliche Auskunftsquellen und die Wege, die zu ihnen führen. Das ist vor allem bei jüngeren Menschen der Fall, die in der früheren DDR aufwuchsen. So weiß die Urenkelin des Generalobersten Gotthard Heinrici kaum etwas über ihren Urgroßvater, weil die Familie jenseits des Eisernen Vorhangs lebte und keine Verbindung zu dem in Ostpreußen geborenen Vorfahren aufnehmen konnte, der 85jährig in Westdeutschland verstarb. Diana Heinrici, jetzt in Crailsheim wohnhaft, sieht nun die Möglichkeit, etwas über ihren Urgroßvater zu erfahren, und dabei will ihr Herr Rainer Claaßen helfen. Der Vorsitzende des Regionalverbandes Süd vom Bund Junges Ostpreußen (BJO) wendet sich deshalb an unsere Ostpreußische Familie in der berechtigten Hoffnung, nicht nur etwas über das Leben und Wirken des bekannten Militärs, sondern auch über dessen letzte Lebensjahre zu erfahren, vor allem, wo Gotthard Heinrici begraben liegt. Er verstarb 1971 in Endersbach bei Stuttgart. Wer könnte helfen, sein Grab zu finden? Die Urenkelin möchte alles Wissenswerte über Gotthard Heinrici erfahren, der 1886 in oder bei Gumbinnen geboren wurde. Vor Jahren soll einmal ein Bericht über den Generaloberst im Gumbinner Heimatbrief gestanden haben, dieser wäre für Diana Heinrici sehr wichtig. Gewünscht werden aber auch Fotos und Auskünfte von Menschen aus seinem Lebenskreis, gleich, ob es sich um Jugendfreunde oder Nachbarn aus seiner ostpreußischen Heimat, Menschen aus seiner Militärzeit oder um späte Weggefährten aus den Nachkriegsjahren handelt. Sicherlich wird dieser Wunsch ein breites Echo finden. (Diana Heinrici, Veilchenweg 3 in 74564 Crailsheim, für Telefonanrufe: BJO-Regionalverband Süd 0 97 62 / 421.)

Seit zehn Jahren ist für Frau Hertha M. Meyer das Ostpreußenblatt die Brücke zur Heimat, und die spannt sich weit über Länder und Meere, denn unsere Leserin lebt in den USA. Besonders die Ostpreußische Familie wird von ihr mit größter Genauigkeit gelesen, und deshalb wendet sie sich jetzt an uns, weil sie hofft, daß auch ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Leider sind ihre Angaben nur knapp, sie werden aber für einen ersten Versuch reichen. Die Familie Meyer – Mutter Anna, Vater Julius, Tochter Hertha, weitere Kinder sind nicht angegeben – wohnte bis zur Flucht in Mohrungen, Hermann-Göring-Straße 27. Nach dem Krieg waren Passau und München die Stationen der Familie. Seit 1964 lebt Hertha Meyer in Amerika, die Eltern sind inzwischen verstorben, aber es könnte noch ihr Onkel Emil Meyer oder jemand aus seiner Familie leben. Es ist anzunehmen, daß auch Emil Meyer aus Mohrungen stammt. Diese Verwandten werden nun von Frau Meyer gesucht. Außerdem denkt sie oft an ihre Freundin Ingrid Sartorius, als Neunjährige drückten sie gemeinsam die Schulbank in Mohrungen. Wenn sich auch die namentlich Genannten nicht selber melden werden, könnten sicher ehemalige Mohrunger Spuren aufzeigen, die zu den Gesuchten führen oder über deren Schicksal berichten. Für Frau Meyer wäre es jedenfalls ein kleines Wunder, wenn sich jemand aus der damaligen Nachbarschaft bei ihr melden würde. (Mrs. Hertha M. Meyer, 2000 Linwood Ave. Apt. 22 L, Fort Lee, New Jersey 070 24, U.S.A.)

Durch eine Bekannte lernte Frau Waltraud Krawielitzki aus Mittelstrimmig unsere Zeitung und damit auch die Ostpreußische Familie kennen und hat so einen Weg gefunden, nach ihren Wurzeln zu suchen. Der führt zu dem Rittergut Krusinn, acht Kilometer südöstlich von Insterburg an der Angerapp gelegen. Dort war ihr Großvater Gustav Krawielitzki als Verwalter tätig. Laut ihren Angaben soll das Gut in Erdmannshöhe umbenannt worden sein, der Name ist aber in keinem Verzeichnis zu finden. Vielleicht liegt hier eine Verwechslung mit dem benachbarten Erdmannsruh, Dorf (vor 1938 Kraupischkehmen) und Gut vor. Krusinn gehörte zur Gemeinde Louisenthal, Kirchspiel Insterburg-Land. Im „Niekammer“ ist 1932 als Besitzer Friedrich Hofer eingetragen. Dies ist vielleicht wichtig, weil Frau Krawielitzki gerne alte Aufnahmen von dem Gut haben möchte, um sich ein Bild von der Wirkungsstätte ihres Großvaters machen zu können. Sie will diesen Ort einmal aufsuchen, kann ihn aber auf keiner Karte finden, sicher helfen meine Angaben ihr etwas weiter. Noch besser wäre es, wenn Landsleute aus dieser Gegend ihr schreiben und von dem Einst und Jetzt berichten würden. Für Krusinn ist kein russischer Name zu finden, Louisenthal wird heute von den Russen Nachinowo genannt, Erdmannsruh Zaliwnoe. Der Vater der Schreiberin, Horst Krawielitzki, war vor dem Krieg im Forstamt Norkaiten und in der Revierförsterei Grünwalde tätig. Vielleicht gibt es noch Leser, die ihn gekannt haben. (Waltraud Krawielitzki, Flurstraße 16 in 56858 Mittelstrimmig, Telefon 0 65 45 / 4 80, E-Mail: terrawalli@t-online.de.)

Eure Ruth Geede


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